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26.02.2004 11:56

Die Herrschaftspraxis der SED im Alltag

Axel Burchardt Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Neuer Band des Jenaer Sonderforschungsbereichs 580 "Gesellschaftliche Entwicklungen nach dem Systemumbruch" untersucht die Ersten und Zweiten Sekretäre der SED

    Jena (26.02.04) Kaum jemand prägte nachhaltiger den Lebensalltag der Menschen in der Deutschen Demokratischen Republik. Die Ersten und Zweiten Sekretäre der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) zählten zu den einflussreichsten Funktionären im deutschen "Arbeiter-und-Bauern-Staat" - an der Spitze der Machthierarchie stand der Erste Sekretär bzw. Generalsekretär des Zentralkomitees. Als im Jahr 1988 in der DDR das Buch "Der Erste" des Schriftstellers Landolf Scherzer über seine Begegnung mit einem Ersten SED-Kreissekretär erschien, sorgte es für großes Aufsehen im Staate Honeckers - und natürlich in den westlichen Medien.

    Diesen Spitzenfunktionären und dem örtlichen Parteiapparat widmet sich das jüngst im Hain Verlag erschienene Buch "Die Ersten und Zweiten Sekretäre der SED". Entstanden ist der Sammelband, der von den Soziologen Prof. Dr. Heinrich Best und Dr. Heinz Mestrup von der Universität Jena herausgegeben wird, aus einem Forschungsprojekt des Sonderforschungsbereichs (SFB) 580 "Gesellschaftliche Entwicklungen nach dem Systemumbruch". Den Autoren ist es nun erstmals nach Öffnung der Archive seit dem politischen Umbruch im Herbst 1989 gelungen, das Wirken der ehemals Mächtigen in den Regionen der DDR unter einem fundiert wissenschaftlichen Blickwinkel zu betrachten und damit quasi "hinter die Kulissen" zu schauen. Dabei wollen die Autoren weder anklagen noch verteidigen, sondern den Zustand beschreiben, den viele Generationen von DDR-Bürgern alltäglich erlebten.

    Im Mittelpunkt des Bandes stehen die Funktionäre auf Bezirks- und Kreisebene in den ehemaligen thüringischen Bezirken Erfurt, Gera und Suhl. Das Buch setzt ein mit den turbulenten Jahren zu Beginn der DDR-Zeit, die mit einer häufigen Ablösung von Funktionären verbunden waren. Es beschreibt die Krisenphasen neben den ganz normalen Problemen des Herrschaftsalltags und endet mit dem Sturz des SED-Regimes. In den einzelnen Beiträgen werden auf der Grundlage von umfangreichem Archivmaterial und zahlreichen Interviews mit ehemaligen Sekretären das räumliche und strukturelle Umfeld dieser Funktionärsgruppe näher beschrieben. Die Wissenschaftler beleuchten das Selbstverständnis der Sekretäre und ihre Handlungsspielräume, ihr Ansehen an der Parteibasis und in der Bevölkerung. Auch ihre persönlichen Erlebnisse im Herbst 1989 sowie Voraussetzungen in der Kaderpolitik und schließlich Beispiele für "Auswüchse der Macht" werden dokumentiert. Die Lebensdaten von etwa 450 Funktionären verleihen dem Band ebenfalls die Funktion eines Nachschlagewerkes. Eine Art Bindeglied zwischen den beiden Hauptteilen - Analyse und Nachschlagewerk - bildet eine Dokumentation bislang unveröffentlichter Fotos zum politischen Handlungsumfeld und Alltag der Parteifunktionäre.

    "Der neue Band vermittelt wesentliche Erkenntnisse aus dem Innenleben des SED-Parteiapparates und seiner leitenden Akteure und damit zur Machtordnung und zum Herrschaftssystem der DDR", unterstreicht SFB-Sprecher Best. "Während die Kaderpolitik in Bezug auf Funktionäre der zentralen Ebene ein starkes Forschungsinteresse gefunden hat, ist den führenden SED-Kadern auf mittlerer bzw. regionaler Ebene bisher kaum Beachtung geschenkt worden", ergänzt Mit-Herausgeber Mestrup. Die vorliegende Studie - als Ergebnis einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Archivaren, Historikern und Soziologen - liefert, da sind sich die Wissenschaftler sicher, somit nicht nur einen wertvollen Beitrag zur Regionalgeschichte Thüringens, sondern neue Erkenntnisse für eine Soziologie der mittleren Funktionärsschicht der SED.

    Bibliographische Angaben:
    Heinrich Best, Heinz Mestrup (Hg.): Die Ersten und Zweiten Sekretäre der SED - Machtstrukturen und Herrschaftspraxis in den thüringischen Bezirken der DDR. Hain Verlag: Weimar, Jena 2003. 824 S. 25,50 Euro. ISBN 3-89807-051-4.

    Kontakt:
    Prof. Dr. Heinrich Best
    Institut für Soziologie der Universität Jena
    Carl-Zeiß-Str. 2, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 945540
    Fax: 03641 / 945542
    E-Mail: best@soziologie.uni-jena.de


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    Der neue Band aus dem Sonderforschungsbereich 580 der Jenaer Universität widmet sich beispielhaft den SED-Sekretären aus den thüringischen Bezirken.
    Der neue Band aus dem Sonderforschungsbereich 580 der Jenaer Universität widmet sich beispielhaft de ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Der neue Band aus dem Sonderforschungsbereich 580 der Jenaer Universität widmet sich beispielhaft den SED-Sekretären aus den thüringischen Bezirken.


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