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10.03.2021 11:19

Neue Formen der Beteiligung - alte Ungleichheit? Studie zu politischer Beteiligung sozial benachteiligter Menschen

Laura Marie Garbe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
vhw - Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V.

    Politisch aktive Menschen mit Marginalisierungserfahrungen z. B. durch Erwerbslosigkeit, Behinderung oder Fürsorgeverantwortung sind in Beteiligungsformaten meist in der Minderheit. Dabei haben sie eine wichtige Funktion inne und können Brücken zwischen der Welt der Politik und den Realitäten benachteiligter Gruppen schlagen. In einer empirischen Studie untersuchen Prof. Dr. Norbert Kersting und Jan Kaßner von der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster im Auftrag des vhw - Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V. deshalb Erfolgsgeschichten der Beteiligung als mögliche Rollenmodelle.

    Wer sind die Menschen, die sich trotz ihrer Lage aktiv einbringen? Welche Rolle spielt ihre individuelle Situation bei der politischen Beteiligung? Welche Organisationsstrukturen wirken begünstigend? Welche Relevanz hat der Stadtteil, in dem sie leben?

    Gemeinwohl, Schockbearbeitung und Selbsthilfe als Motive

    Die Studie setzt einen Contra-Punkt gegen die Zeichnung marginalisierter Gruppen als politisch apathisch oder zynisch und zeigt, dass viele Aktive die Politik als Mittel zur Überwindung ihrer Situation durch gemeinsames Handeln sehen. Deutlich wurde außerdem das Bedürfnis nach sozialen Kontakten, Anerkennung und Bestätigung. Zwar waren häufig die eigene Betroffenheit und Schockerfahrung Auslöser des Engagements. Wichtiger war aber das Gemeinwohl oder das Wohl der Gruppe – es ging also weniger darum die eigene Situation zu verbessern als vielmehr dem Gemeinwohl zu dienen. Ein Aktiver sagte: „Ich mache selber für mich Politik. Mit oder ohne Stimme […]. Wenn du was verändern willst, dann musst du bei dir selbst anfangen und dann bei den nächsten, deinem Umfeld und danach kannst du deine Umwelt oder deinen Stadtteil vielleicht verändern […]. Wenn sich was bewegt, dann bin ich nicht angewiesen auf Politiker oder die Leute, die am längeren Hebel sitzen. Einfach machen, tun, aufstehen, weitermachen, sich selbst motivieren. Und gemeinnützige und nachhaltige Projekte fördern und fordern“.

    Konkrete und lebensweltnahe Beteiligung

    Die Autoren haben informelle Gruppen und Organisationen untersucht, die lokalpolitisch verwurzelt sind. Die Annahme ist, dass niedrigschwellige Zugangsmöglichkeiten, räumliche Nähe und die unmittelbare Sichtbarkeit der Ergebnisse Partizipation insbesondere von Menschen mit beschränkten Ressourcen begünstigen. Die betrachteten Beispiele in Hamburg sowie dem Ruhrgebiet zeigen, dass gezielt Ressourcen und Interessen marginalisierter Menschen genutzt und aufgegriffen werden können. Beteiligung ist möglich, wenn das Interesse der Menschen geweckt wird, der Zusammenhalt der Gruppe vermittelt werden kann (z. B. in Bezug auf den Stadtteil, thematische Betroffenheit etc.) und Stigmatisierungen ausgeschlossen sind.

    Niedrigschwellige Zugänge fördern, Stigmatisierung und Diskriminierung entgegnen

    Um eine breite Beteiligung und Mobilisierung von marginalisierten Menschen zu unterstützen, schließt die Studie mit einigen Handlungsempfehlungen, die sich einerseits auf die staatliche Ebene und andererseits ganz konkret auf die Organisationen beziehen wie z. B. Online-Beteiligung und Kinderbetreuung vor Ort oder die Kooperation mit (Kultur-) Dolmetscherinnen und Dolmetschern.

    „Handlungsmaxime“, so stellen die Autoren der Studie abschließend heraus, „sollten die Unterbindung von Marginalisierungsprozessen, sozioökonomische, kulturelle und politische Inklusion sowie die Förderung einer egalitären Ressourcenausstattung sein, die am Ende die Beteiligung aller Menschen sicherstellen und Identität mit dem Gemeinwesen stiften. Dadurch wird die Verbindung zwischen Abgehängten und Gesellschaft wiederhergestellt und der Wille, sich am gesellschaftlichen Leben politisch zu beteiligen, gefördert.“

    Das Projekt knüpft an die vhw-Forschung zur Inklusivität lokaler Demokratie und die Betrachtung von Quartiers- und Milieukontexten an.

    Weitere Informationen:
    Der vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V. ist ein gemeinnütziger Verband. Er engagiert sich durch Fortbildung und Forschung in den Handlungsfeldern Wohnen und Stadtentwicklung für die Leistungsfähigkeit der Kommunen, eine vielfältige Bürgergesellschaft sowie die Stärkung der lokalen Demokratie. Die Forschungsabteilung des vhw e. V. untersucht Grundlagen nachhaltiger Stadt- und Quartiersentwicklung, lokale Steuerungs- und Kommunikationsprozesse und arbeitet unmittelbar mit Akteuren vor Ort daran, Teilhabe und Co-Produktion von Stadt in der Praxis möglichst inklusiv zu gestalten und an das repräsentativ-demokratische System anzubinden.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Steffen Jähn, Wissenschaftler vhw e. V.
    sjaehn@vhw.de


    Originalpublikation:

    Kersting, N., Kaßner, J. (2021): Politische Partizipation marginalisierter Menschen. vhw Schriftenreihe, Band 22. Berlin


    Weitere Informationen:

    https://www.vhw.de/fileadmin/user_upload/08_publikationen/vhw-schriftenreihe-tag...


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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