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18.03.2021 17:00

IPK-Wissenschaftler finden den Schlüssel zum umfassenden Gen-Pool des Roggen

Christian Schafmeister Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung

    Roggen ist eine ausgesprochen klimaresistente Getreidepflanze, die eine erhebliche Bedeutung für Deutschland und Nordosteuropa hat. Trotz seines großen und komplexen Genoms ist es einem internationalen Forschungsteam unter Führung des IPK Leibniz-Institutes nun gelungen, das Genom von Roggen vollständig zu entschlüsseln. Die Daten sind frei zugänglich. Damit kann die große genetische Vielfalt des „kleinen Bruders“ von Gerste und Weizen systematisch erschlossen und von Züchtern zielgerichteter genutzt werden.

    Roggen verbindet eine enge und lange evolutionäre Geschichte mit Gerste und Weizen. Seine Karriere als wichtige Kulturart ist aber deutlich kürzer. Während Gerste und Weizen vor ungefähr 10.000 Jahren im sogenannten fruchtbaren Halbmond Vorderasiens gezämt wurden, breitete sich Roggen zunächst als Ackerunkraut in Gerste- und Weizenfeldern nordwärts nach Europa aus, übernahm in der Folge nach und nach Eigenschaften seiner beiden „großen Brüder“, bis auch Roggen vor 5.000 - 6.000 Jahren zu einer reinen Kulturart wurde und in Nordeuropa zwischenzeitlich die wichtigste Nahrungsquelle stellte. Grund dafür sind wichtige biologische Unterschiede zwischen Roggen und seinen beiden Geschwistern.

    Roggen ist ein sogenannter Fremdbefruchter, bei dem sich einzelne genetische Merkmale nicht so leicht fixieren lassen, wie bei einem Selbstbefruchter. Zudem ist das Roggen-Genom deutlich komplexer, was vor allem an der hohen Zahl sich oft wiederholender DNA-Abschnitte liegt. „Die im weltweiten Maßstab vergleichsweise geringe wirtschaftliche Bedeutung in Verbindung mit der großen Komplexität des Genoms haben dazu geführt, dass Roggen international weniger im Fokus der Wissenschaft gestanden hat und sein Erbgut somit erst verspätet entschlüsselt werden konnte“, erklärt Prof. Dr. Nils Stein, Leiter der Arbeitsgruppe Genomik Genetischer Ressourcen am IPK und Inhaber einer Brückenprofessur an der Universität Göttingen. Dabei birgt die genetische Vielfalt des Roggen vielfältige Potenziale für die Züchtung.

    Basierend auf ihren Erfahrungen bei der Entschlüsselung der Genome von Weizen (IWGSC 2018) und Gerste (Mascher et al. 2017) entschlossen sich die Wissenschaftler nun, auch für Roggen eine Referenzsequenz zu erstellen. Dafür nutzten sie reinerbiges Saatgut des Pflanzenzüchtungunternehmens KWS SAAT SE & Co. KGaA. „Die technischen Voraussetzungen für die Sequenzierung eines so komplexen Genoms sind heute vorhanden“, betont Prof. Dr. Nils Stein, der für die Finanzierung des Vorhabens, eine Art Crowd Funding Projekt, viele nationale und internationale Partner gewinnen konnte.

    Die Ergebnisse, die heute im Magazin Nature Genetics veröfffentlicht wurden, sind für Wissenschaft und Züchtung vielversprechend. So bietet Roggen einen Zugang zu einem vielfältigen wilden Genpool, nicht nur für die Roggen- sondern insbesondere auch für die Weizenzüchtung. „So können beispielsweise Resistenz-Gene aus Roggen durch klassische Kreuzungszüchtung auf Weizen übertragen werden, was in der Vergangenheit bereits wiederholt genutzt wurde“, erklärt Prof. Dr. Nils Stein. „Die Bedeutung unserer Forschungsergebnisse reicht also weit über Roggen hinaus.“ Durch die Kenntnis der Referenzsequenz wird es einfacher, positive Eigenschaften des Roggens wie Resistenzen auf Weizen zu übertragen, ohne dass dies etwa die Backeigenschaften negativ beeinflusst.

    Doch auch KWS erhofft sich durch die neuen Erkenntnisse Fortschritte bei der Züchtung. „Die neue Genomsequenz unserer Inzuchtlinie Lo7 ist ein technischer Meilenstein und ein wichtiger Schritt in Richtung einer umfassenderen genetischen Charakterisierung dieser Kulturart“, sagt Dr. Andres Gordillo, Zuchtleiter Roggen. „Wir erhoffen uns eine erhebliche Steigerung des Züchtungsfortschritts und somit der Attraktivität des Roggens. Die neue Genomsequenz wird es uns erleichtern, im Feld beobachtete Resistenzmerkmale mit deren zugrundeliegenden Genen und ihre Position auf dem Roggengenom zu verknüpfen.“

    Parallel zu den Arbeiten des internationalen Forschungsteam unter Federführung von Prof. Dr. Nils Stein erstellten chinesische Forscher eine Referenzsequenz einer chinesischen Landrasse. „Wir haben dabei sehr gut mit unseren chinesischen Kollegen zusammengearbeitet, was am Ende für Roggenzüchtung und -forschung einen großen Mehrwert gebracht hat. Denn wir haben mit zwei unterschiedlichen Methoden zwei sehr unterschiedliche Roggensorten untersuchen können, von denen nunmehr die vollständigen Referenzsequenzen vorliegen“, erklärt der IPK-Wissenschaftler.

    „Roggen hat mit diesen beiden Untersuchungen zu Gerste und Weizen aufgeschlossen und befindet sich mitten im Zeitalter der Genomforschung“, sagt Prof. Dr. Nils Stein. Damit hat das IPK Leibniz-Institut nun bei allen drei Getreiden, die in Deutschland und in Europa eine besondere Bedeutung haben, eine führende Rolle bei der Aufklärung der Genomsequenzen inne.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Nils Stein
    Tel.: +49 39482 5522
    stein@ipk-gatersleben.de


    Originalpublikation:

    Rabanus-Wallace et al. (2021), Chromosome-scale genome assembly provides insights into rye biology, evolution, and agronomic potential.
    Nature Genetics. DOI: 10.1038/s41588-021-00807-0

    Li et al. (2021), Analysis of rye genome sequence sheds new light on its genome expansion and agronomically important genes.
    Nature Genetics. DOI: 10.1038/s41588-021-00808-z


    Bilder

    Roggen wurde erst vor 5.000 - 6.000 Jahren zu einer reinen Kulturart.
    Roggen wurde erst vor 5.000 - 6.000 Jahren zu einer reinen Kulturart.
    KWS Lochow GmbH, 2020
    KWS Lochow GmbH, 2020


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Roggen wurde erst vor 5.000 - 6.000 Jahren zu einer reinen Kulturart.


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