idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
23.03.2021 11:28

2. Lockdown verschlechtert Krankheitsverlauf und Versorgung von psychisch Erkrankten massiv

Heike Friedewald Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Stiftung Deutsche Depressionshilfe

    Bei fast der Hälfte der Patienten verschlechtert sich Depression bis hin zu Suizidversuchen – mehr als jeder fünfte Patient bekommt keinen Behandlungstermin – auch Allgemeinbevölkerung so belastet wie nie zuvor in der Pandemie

    Leipzig, 23.03.2021 – Die Corona-Maßnahmen führen zu massiven Einschnitten in der Versorgung psychisch erkrankter Menschen und zu einer wegbrechenden Alltagsstruktur, die für diese Patienten besonders wichtig ist. Aktuell berichten deshalb 44% der Menschen mit diagnostizierter Depression von einer Verschlechterung ihres Krankheitsverlaufs in den letzten 6 Monaten bis hin zu Suizidversuchen. Auch für die Allgemeinbevölkerung ohne psychische Erkrankung ist die Situation aktuell deutlich belastender als im 1.Lockdown. Immer mehr ziehen sich zurück, die Sorgen um die berufliche Zukunft und die familiäre Belastung nehmen zu. Das zeigt eine heute veröffentlichte Sondererhebung des „Deutschland-Barometer Depression“ – eine jährliche, repräsentative Bevölkerungsumfrage zu Depression, die 2017 von Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Deutsche Bahn Stiftung initiiert wurde. Befragt wurden 5.135 Personen zwischen 18 und 69 Jahren aus einem repräsentativen Online-Panel im Februar 2021.

    Schlechtere Versorgung von Patienten mit psychischen Erkrankungen

    Die Corona-Maßnahmen führen zu massiven Einschnitten in der Versorgung psychisch erkrankter Menschen: 22% der Befragten in einer depressiven Phase berichten von ausgefallenen Facharzt-Terminen in den letzten sechs Monaten (September 2020 – Februar 2021), bei 18% fiel ein Termin beim Psychotherapeuten aus. 21% der Betroffenen geben an, von sich aus Behandlungstermine aus Angst vor Ansteckung abgesagt zu haben (+8 Prozentpunkte im Vergleich zum 1. Lockdown). Die schon vor der Pandemie angespannte Versorgungslage psychisch erkrankter Menschen hat sich weiter verschärft: 22% der Menschen in einer akuten depressiven Krankheitsphase geben an, keinen Behandlungstermin zu bekommen. Im 1. Lockdown waren es 17%.

    Fehlende Tagesstruktur und zu lange Bettzeit begünstigen Depression

    Für Menschen, die sich gerade in einer depressiven Krankheitsphase befinden, hat der 2. Lockdown besonders negative Auswirkungen. Fast alle berichten über fehlende soziale Kontakte (89%, +15 Prozentpunkte seit dem 1. Lockdown), Bewegungsmangel (87%, +7 Prozentpunkte) oder verlängerte Bettzeiten (64%, + 9 Prozentpunkte). „Für Depressionspatienten sind Bewegung, ein geregelter Tagesablauf und ein fester Schlaf-Wachrhythmus wichtige unterstützende Bausteine in der Behandlung. Wenn diese wegbrechen, kann das den Krankheitsverlauf der Depression negativ beeinflussen“, erläutert Prof. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Inhaber der Senckenberg-Professur an der Goethe-Universität Frankfurt/Main.

    Lockdown führt zu Rückfällen bis hin zu Suizidversuchen

    Insgesamt 44% der Befragten mit diagnostizierter Depression geben an, dass sich Corona-bedingt ihre Erkrankung in den letzten 6 Monaten verschlechtert habe. Jeweils 16% der depressiv Erkrankten berichten von einem Rückfall oder einer Verschlechterung der depressiven Symptomatik. 8% hatten Suizidgedanken oder suizidale Impulse. Unter den Befragten mit diagnostizierter oder selbst-diagnostizierter Depression (N = 1.994) berichten sogar 13 Personen, im letzten halben Jahr einen Suizidversuch unternommen zu haben. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung würde das allein für diese Gruppe Betroffener circa 140.000 Suizidversuche innerhalb eines halben Jahres ergeben. „Die Maßnahmen gegen Corona führen zu Versorgungsdefiziten und depressions-spezifischen Belastungen, die gravierende gesundheitliche Nachteile für die 5,3 Millionen Menschen mit Depression in Deutschland bedeuten. Besonders die Zahl der Suizidversuche bereitet mir Sorge. Es ist dringend notwendig, bei der Entscheidung über Maßnahmen gegen Corona den Blick nicht nur auf das Infektionsgeschehen zu verengen. Es müssen auch Leid und Tod systematisch erfasst werden, die durch die Maßnahmen verursacht werden“, so Hegerl. Eine systematische, repräsentative Erhebung der Suizidversuche wäre hier ein Baustein.

    Psychische Belastungen der Deutschen steigen im Vergleich zum 1. Lockdown

    Auch für die Allgemeinbevölkerung ist die Situation belastender als je zuvor: 71% der Bundesbürger empfinden die Situation im 2. Lockdown bedrückend. Im 1. Lockdown waren es 59%, im Sommer 2020 sogar nur 36% der Bundesbürger. Fast die Hälfte (46%) der Deutschen erlebt seine Mitmenschen als rücksichtsloser (im 1. Lockdown 40%). Jeder dritte hat Sorgen um seine berufliche Zukunft. Familiär stark belastet fühlen sich im Februar 2021 25% der Befragten, im Sommer 2020 waren es nur 16%.

    Tipps für die psychische Gesundheit

    Um besser mit der belastenden Situation umzugehen, kann für Menschen mit und ohne Depression ein Wochenplan hilfreich sein. Darin werden stundenweise die Aktivitäten für jeden Tag eingetragen, neben Pflichten sollte dabei auch Angenehmes eingeplant werden. „Manche können in der Corona-Krise auch Chancen entdecken und sich einem neuen Hobby, Sport oder einem dickeren Buch zuwenden. Wichtig ist auch ein geordneter Schlaf-Wachrhythmus mit Bettzeiten, die bei ca. 8-9 Stunden liegen sollten“, empfiehlt Hegerl. „Längere Bettzeiten und ein Sich-tagsüber-Hinlegen führen bei den meisten depressiv Erkrankten zu einer Verschlechterung der Depression und zunehmenden Schlafstörungen“, so Hegerl.

    Informations- und Hilfsangebote für Menschen mit Depression

    • Wissen, Selbsttest und Adressen rund um das Thema Depression unter www.deutsche-depressionshilfe.de
    • deutschlandweites Info-Telefon Depression 0800 33 44 5 33 (kostenfrei)
    • fachlich moderierte Online-Foren zum Erfahrungsaustausch für Erwachsene www.diskussionsforum-depression.de und junge Menschen ab 14 Jahren www.fideo.de

    Presseservice:
    Die gesamte Studie, Infografiken sowie ein Audioservice zur freien Verwendung stehen unter www.deutsche-depressionshilfe.de/pressematerial-barometer-depression zur Verfügung. Zudem bieten wir vor Ort in Leipzig oder digital die Möglichkeit, in Einzelterminen O-Töne aufzunehmen bzw. Interviews zu führen.

    Pressekontakt:
    Stiftung Deutsche Depressionshilfe
    Heike Friedewald
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Goerdelerring 9, 04109 Leipzig
    Tel: 0341/22 38 74 12
    presse@deutsche-depressionshilfe.de
    www.deutsche-depressionshilfe.de

    Über die Stiftung Deutsche Depressionshilfe

    Ziel der 2008 gegründeten Stiftung Deutsche Depressionshilfe ist es, einen wesentlichen Beitrag zur besseren Versorgung depressiv erkrankter Menschen und zur Reduktion der Zahl der Suizide in Deutschland zu leisten. Vorstandsvorsitzender ist Prof. Dr. Ulrich Hegerl, der auch die Senckenberg-Professur an der Goethe-Universität Frankfurt innehat. Die Schirmherrschaft hat der Entertainer und Schauspieler Harald Schmidt übernommen. Neben Forschungsaktivitäten bietet die Stiftung Betroffenen und Angehörigen vielfältige Informations- und Hilfsangebote wie das Diskussionsforum Depression und das deutschlandweite Info-Telefon Depression (0800 33 44 5 33). Unter dem Dach der Stiftung Deutsche Depressionshilfe koordiniert das Deutsche Bündnis gegen Depression zahlreiche lokale Maßnahmen: In über 87 Städten und Kommunen haben sich Bündnisse gebildet, die auf lokaler Ebene Aufklärung über die Erkrankung leisten. www.deutsche-depressionshilfe.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Ulrich Hegerl
    Stiftung Deutsche Depressionshilfe
    Goerdelerring 9, 04109 Leipzig
    Tel.: 0341/22 38 74 0
    Fax: 0341/22 38 74 99
    E-Mail: info@deutsche-depressionshilfe.de


    Originalpublikation:

    https://www.deutsche-depressionshilfe.de/forschungszentrum/deutschland-barometer...


    Weitere Informationen:

    http://www.deutsche-depressionshilfe.de/pressematerial-barometer-depression


    Bilder

    Krankheitsverlauf depressiv Erkrankter während der Pandemie verschlechtert
    Krankheitsverlauf depressiv Erkrankter während der Pandemie verschlechtert

    Stiftung Deutsche Depressionshilfe

    Schlechtere Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen durch Corona
    Schlechtere Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen durch Corona


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Krankheitsverlauf depressiv Erkrankter während der Pandemie verschlechtert


    Zum Download

    x

    Schlechtere Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen durch Corona


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).