Quantenkommunikation ist abhörsicher, aber bislang nicht besonders effizient. Das wollen Forscher des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik ändern. Sie haben eine Nachweismethode entwickelt, mit dem sich Quantensendungen nachverfolgen lassen. Quanteninformation wird über größere Strecken in Form von Photonen, also Lichtteilchen, verschickt, die jedoch schnell verloren gehen. Bereits nach einer Teilstrecke zu erfahren, ob ein solches Photon noch auf dem Weg zu seinem Ziel oder schon verloren gegangen ist, kann den Aufwand für die Informationsverarbeitung deutlich reduzieren. Damit werden Anwendungen etwa bei der Verschlüsselung von Geldtransfers praktikabler.
Die Quantenkryptografie könnte bald zum Mittel der Wahl werden, um den Datenverkehr von Regierungsstellen oder Banken zu sichern. Unseren Email-Verkehr wird sie dagegen auf absehbare Zeit wohl eher nicht vor ungebetenen Lesern schützen – zu aufwendig ist der Austausch von Qubits, den kleinsten Päckchen der Quanteninformation. Eines der größten Probleme: Lichtteilchen, die Qubits über größere Strecken befördern, werden in Luft und Glasfasern leicht absorbiert oder vom Weg abgelenkt – und weg ist die Quanteninformation. Da bei einer Übertragung über rund 100 Kilometer die meisten Photonen verloren gehen, müssten tausende Photonen auf den Weg gebracht werden, um ein einziges Qubit direkt über diese Distanz zu schicken. So kann die Übertragung von Quanteninformation zu einer langwierigen Angelegenheit werden, obwohl Licht sehr schnell unterwegs ist und etwa die Strecke von München nach Berlin in rund zwei Millisekunden zurücklegt.
Der Detektor liest nicht die Quanteninformation
Ein Team um Dominik Niemietz und Gerhard Rempe hat am Max-Planck-Institut für Quantenoptik nun ein physikalisches Protokoll entwickelt, das schon auf Zwischenstationen der Quantensendung anzeigen kann, ob das Qubit abhandengekommen ist. „Sollte das der Fall sein, kann der Sender das Qubit mit deutlich weniger Verzögerung noch einmal senden, als wenn der Verlust erst beim Empfänger auffällt“, sagt Dominik Niemietz, der den Detektor für photonische Qubits, wie es im Fachjargon heißt, im Rahmen seiner Dissertation entwickelt hat. „Entscheidend ist dabei, dass wir das Qubit nicht zerstören. Wir detektieren das Qubit-Photon also nur und messen es nicht.“ Mit anderen Worten: Der Detektor weist zwar nach, ob das Photon da ist oder nicht, liest aber nicht die in ihm verpackte Quanteninformation. Das ist ganz so, wie wir online eine Sendung verfolgen, ohne in das Päckchen reingucken zu können. „Das ist deshalb so entscheidend, weil es die Gesetze der Quantenphysik ausschließen, ein Qubit 1 zu 1 zu kopieren – darauf beruht die Quantenkryptografie.“ Die Quantenpost lässt sich auf einer Zwischenstation also nicht auffrischen, weder von Stellen, die Sender und Empfänger installiert haben könnten, noch von Spionen.
Zwei Resonatoren und ein Atom ermöglichen den Nachweis des Qubits
Um ein Photon, das Quanteninformation trägt, nachzuweisen, ohne die Botschaft selbst zu lesen, arbeiten die Physiker mit einem Atom, das sie in zwei senkrecht zueinanderstehenden Resonatoren fangen. Die beiden Resonatoren bestehen jeweils aus zwei Spiegeln, sodass das Atom insgesamt von vier kreuzförmig angeordneten Spiegeln umgeben ist. Einer der Resonatoren ist dabei so ausgelegt, dass das Atom die Anwesenheit des Photons durch eine ganz sanfte Berührung erkennt: Der Resonator sitzt am Ende einer Glasfaser, durch die ein Photon zu ihm gelangt – oder eben nicht. Kommt es dort an, wird es reflektiert und verändert dabei den Zustand des Atoms. Wichtig ist dabei, dass die Quanteninformation davon unberührt bleibt, etwa so wie ein Paketbote eine Nachricht im Briefkasten hinterlässt, wenn er seine Lieferung nicht loswird, das Paket selbst aber wieder mitnimmt. Das Photon beeinflusst nämlich den Zustand des Atoms. Dabei wird der atomare Spin verändert, ähnlich wie bei einem Kreisel, dessen Drehung von jetzt auf gleich um 180 Grad vorgespult wird. Die Quanteninformation ist dagegen in der Schwingungsebene – Physiker sprechen von der Polarisation – des Photons verpackt.
Aber wie lässt sich erkennen, ob das Photon da war und den Zustand des Atoms geändert hat oder nicht? Das ist der Job des zweiten Resonators: Wenn zum erwarteten Zeitpunkt kein Photon beim Detektor eintrifft, können die Garchinger Physiker das Atom mit einem quantenphysikalischen Kniff zum Leuchten bringen, indem sie es mit Laserlicht bestrahlen. Das Leuchten können sie einfach über das zweite Spiegelpaar und mit einem klassischen Photodetektor nachweisen. Wenn am anderen Resonator ein Photon reflektiert wurde und den Zustand des Atoms verändert hat, funktioniert das nicht, das Atom bleibt dunkel.
Ab 14 Kilometern beschleunigt der Detektor die Quantenkommunikation
Dass der Nachweis von Photonen, die Qubits transportieren, die Quantenkommunikation effizienter macht, haben die Max-Planck-Forscher mit Modellberechnungen gezeigt. Demnach würde der Detektor, den sie für ihr Experiment verwendeten, die Übertragung von Quanteninformation schon ab einer Strecke von 14 Kilometern beschleunigen. „Ein Detektor für photonische Qubits kann aber auch auf kürzeren Strecken nützlich sein“, sagt Pau Farrera, der Teil des Forscherteams war. Dafür müsste der Nachweis allerdings noch zuverlässiger funktionieren, als er es in dem aktuellen Experiment tat. „Das ist aber kein prinzipielles Problem, sondern nur ein technisches“, erklärt der Physiker. Die Effizienz des Detektors krankt derzeit vor allem daran, dass der Resonator nur etwa ein Drittel der eintreffenden Photonen reflektiert. Und nur bei einer Reflexion hinterlässt ein Photon auch eine Spur im Atom. „Diese Effizienz können wir aber durch die Wahl eines geeigneteren Resonators auf fast 100 Prozent erhöhen."
Ein Detektor, der ein photonisches Qubit zuverlässig nachweist, wäre nicht nur hilfreich, um eine Quantensendung während der Übertragung nachzuverfolgen. Er könnte unter anderem auch das Eintreffen einer Quantenpost am Zielort bestätigen. Das ist etwa dann sinnvoll, wenn die im Photon verpackte Information dort aufwendig weiterverarbeitet wird, zum Beispiel wenn sie auf verschränkte Atome übertragen werden soll. Verschränkung ist ein quantenmechanisches Phänomen, das zur Verschlüsselung und Verarbeitung von Daten genutzt werden kann. Dabei werden zwei räumlich weit voneinander getrennte Teilchen zu einem Quantengebilde, sodass Veränderungen an dem einen Teilchen unmittelbar zu Veränderungen am anderen führen. „Verschränkung zu erzeugen, ist aufwendig“, sagt Gerhard Rempe, Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik. „Man sollte sie für die Verarbeitung eines Qubits nur nutzen, wenn sicher ist, dass dieses Qubit auch da ist.“
Die Demonstration, wie die Sendungsverfolgung für Quantenpost in der Informationsverarbeitung genutzt werden könnte, ist ein mögliches Ziel künftiger Experimente in der Gruppe von Gerhard Rempe: „Wir möchten den Detektor zum Beispiel für Quantenkommunikation zwischen unserem Institut in Garching und einem weiter entfernten Standort verwenden, um den Schritt aus unserem Labor hin zur praktischen Anwendung zu machen“, sagt der Max-Planck-Direktor. „So kommen wir unserem großen Fernziel, dem Quanteninternet, wieder ein Stück näher.“
Dominik Niemietz
Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching
dominik.niemietz@mpq.mpg.de
Nondestructive detection of photonic qubits
Dominik Niemietz, Pau Farrera, Stefan Langenfeld and Gerhard Rempe
Nature 591, 570-574 (2021)
https://doi.org/10.1038/s41586-021-03290-z
Im Inneren einer Vakuumkammer fangen Physiker des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik ein einzelne ...
Christoph Hohmann
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
Im Inneren einer Vakuumkammer fangen Physiker des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik ein einzelne ...
Christoph Hohmann
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