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03.03.2004 13:09

Gesellschaft für Informatik kritisiert Bachelor- und Masterausbildung für Informatiklehrkräfte

Cornelia Winter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Gesellschaft für Informatik e.V.

    Die Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) kritisiert die Entwicklung von Konzepten für die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen in den Bundesländern, die in der vom Wissenschaftsrat vorgeschlagenen Form weder den Anforderungen für den schulischen Einsatz erfüllen noch eine Berufsqualifizierung darstellen. Die GI hat deshalb Lösungsvorschläge erarbeitet und eine Stellungnahme verabschiedet.

    In allen deutschen Bundesländern werden Konzepte für die Einführung von Bachelor- und Master-Abschlüssen für die Lehramtsstudiengänge entwickelt. Der Wissenschaftsrat hat in seinen Empfehlungen zur künftigen Struktur der Lehrerbildung ein Studium in einem oder zwei Fächern empfohlen, wobei insbesondere in den Naturwissenschaften die Möglichkeit eines Bachelor in nur einem Fach geprüft werden sollte. Die Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) geht davon aus, dass ein Bachelor-Grad in jedem Fall ein berufsqualifizierender Abschluss sein muss. Aus Sicht der GI folgt daraus zwingend, dass für das Lehramt Informatik der Bachelor mit einem Hauptfach (und einem kleinen Nebenfach) die einzig sinnvolle Lösung ist:

    Da der Bachelor nach übereinstimmender Auffassung keine hinreichende Berufsqualifizierung für eine Lehrtätigkeit an Realschulen und Gymnasien darstellt, muss ein solcher Abschluss für eine Tätigkeit als Informatiker/in außerhalb der Schule qualifizieren. Eine Vergleichbarkeit mit einem Informatik-Bachelor muss folglich gewährleistet sein. In einem 6-semestrigen Studium mit zwei Fächern ist dies nicht erreichbar, zumal zusätzlich zu den fachwissenschaftlichen Studienanteilen fachdidaktische und erziehungswissenschaftliche Inhalte und schulbezogene Praxisphasen erforderlich sind.

    Für eine Lehrbefähigung für das Fach Informatik an Realschulen und Gymnasien ist ein ergänzendes Studium im Umfang von vier Semestern unverzichtbar, das mit dem Master für das Lehramt abgeschlossen wird. Das Masterstudium dient der Vertiefung der fachwissenschaftlichen Anteile der Informatik, der Weiterführung des in der Bachelor-Phase als Nebenfach begonnenen zweiten Faches und der Fortsetzung erziehungswissenschaftlicher und fachdidaktischer Studien. Für unrealistisch hält die GI die Vorstellung, dass im Studium zum Lehramt-Master die Informatik als "eine der beiden Fachdisziplinen bis zu einem dem Master-Abschluss vergleichbaren Niveau" (Zitat Wissenschaftsrat) weitergeführt werden könne.

    ERLÄUTERUNGEN

    Für die Einführung der Bachelor/Master-Abschlüsse und die damit zusammenhängenden Umstrukturierungen im deutschen Hochschulsystem gibt es drei zentrale Argumente:
    1) frühe Berufsqualifizierung durch den Bachelor-Abschluss
    2) zusätzlich verkürzte Studienzeiten durch neustrukturierte Lehrpläne
    3) internationale Vergleichbarkeit. Was bedeutet das für die Lehrerbildung und insbesondere für ein Lehramtsstudium mit dem Fach Informatik?

    1. Berufsqualifizierung
    Die Kultusministerinnen und Kultusminister sprechen sich zwar für einen speziellen Lehramt-Bachelor mit zwei Fächern aus, betrachten diesen aber nicht als berufsqualifizierenden Abschluss für einen Einsatz in Realschule oder Gymnasium. Es wird auf eine nicht näher spezifizierte "Berufstätigkeit außerhalb der Schule" verwiesen. Für das Fach Informatik ist nicht ersichtlich, welche Tätigkeit das sein könnte, denn die Qualifikation eines Lehramt-Bachelors mit Informatik und einem anderen Fach ist auch nicht annähernd mit der eines Informatik-Bachelors vergleichbar: wegen des zweiten Fachs und der didaktischen und erziehungswissenschaftlichen Inhalte machen die Informatik-Inhalte des geplanten Lehramtsstudiums zum Bachelor gerade einmal ein Drittel der vorgesehenen 6 oder 7 Semester aus. Ein solcher Bachelor kann auf dem Arbeitsmarkt nicht mit einem hundertprozentigen Informatik-Bachelor konkurrieren.

    2. Kürzere Studienzeiten
    Ein für Grund- und Hauptschulen berufsqualifizierender Lehramt-Bachelor - sofern politisch durchsetzbar - könnte wahrscheinlich die durchschnittlichen Studienzeiten verringern. Die vorgesehene grundsätzliche 2-Fächer-Regelung würde aber das bisherige Problem der langen Studiendauern in den fachlich überfrachteten Staatsexamens-Studiengängen perpetuieren. Sinnvoller wäre es, ein Fach in den Mittelpunkt des Lehramt-Bachelors zu stellen und das zweite Fach sowie den Ausbau der didaktischen und erziehungswissenschaftlichen Anteile beim Lehramt-Master anzusiedeln. Dadurch ließe sich auch eine gewisse Vergleichbarkeit mit dem Nicht-Lehramt-Bachelor erzielen (siehe 1.) und somit eine frühe Festlegung des Studierenden, bzw. eine zeitraubende Umorientierung vermeiden.

    3. Internationale Vergleichbarkeit
    Naturgemäß ist hier vor allem die Vergleichbarkeit mit den angelsächsischen Ländern zu beachten. Fachorientierte Bachelor-Abschlüsse sind hier die Regel: die Studierenden müssen sich nicht frühzeitig auf "Schule - ja oder nein" festlegen. Im naturwissenschaftlich/technischen Bereich ist die Lehrerbildung typischerweise wie folgt strukturiert, hier am Beispiel Physik: a) reguläres Bachelor-Studium mit Schwerpunkt Physik; b) Erwerb der Teaching Credentials (ca. 1 Jahr, einschließlich Schulpraktikum), damit an der Schule einsetzbar; häufig aber zusätzlich: c) Master-Studium mit Vertiefung in Physik und Ausbau eines weiteren - typischerweise auch naturwissenschaftlichen - Fachs. Offensichtlich ist dieses System mit dem bei uns geplanten nicht vergleichbar. Ein deutscher Lehramt-Bachelor würde im Ausland nicht anerkannt, und einem Ausländer oder einer Ausländerin, der in Deutschland seinen Lehramt-Master machen will, nützt sein Bachelor wenig. Somit würde die geplante Regelung die Umstellung vom Staatsexamen auf Bachelor/Master ad absurdum führen.

    Empfohlene Gewichtsverteilung bei Informatik als Erstfach (insgesamt 300 Kreditpunkte nach ECTS)

    Bachelor: insgesamt 180, davon Informatik 115, Zweitfach 25, Erziehungswissenschaften/Fachdidaktik 30+10

    Master: insgesamt 120, davon Informatik 8+30, Zweitfach 62, Fachdidaktik 5+15

    ZUSAMMENFASSENDE THESEN FÜR INFORMATIK ALS ERSTFACH

    1. Der Lehramt-Informatik-Bachelor hat den Charakter eines "Informatik-Bachelor mit Schwerpunkt Lehramt": In der Bachelor-Phase der Ausbildung für alle Lehrämter Informatik im Umfang von 180 Leistungspunkten liegt der Schwerpunkt auf dem Fach Informatik (115 Leistungspunkte). Zur Vorbereitung auf das Lehramt kommen Erziehungswissenschaft (30 Leistungspunkte) und Informatik-Didaktik (10 Leistungspunkte) hinzu; diese müssen im Masterstudiengang vertieft werden. Nebenfachstudien (25 Leistungspunkte) bereiten das zweite Unterrichtsfach vor, das im Master-Studiengang zu erweitern ist.

    2. Die Bachelor-Arbeit wird im Fach Informatik angefertigt.

    3. Die Lehramtsstudierenden werden im Bachelor-Studiengang durch zwei Praktikumsangebote mit ihrem künftigen Berufsfeld Schule bekannt gemacht - ein erziehungswissenschaftliches Orientierungspraktikum und ein informatikdidaktisches Unterrichtspraktikum.

    4. Der Versuch, zwei gleichgewichtige Fächer in einem Bachelor-Studiengang unterzubringen, wird entschieden abgelehnt, weil diese dann notgedrungen den Charakter von Schmalspurfächern hätten. Die Studierenden der Bachelor-Studiengänge für alle Lehrämter müssen - wenn Informatik als Erstfach gewählt wird - die Berufsqualifikation im Fach Informatik gemäß den GI-Empfehlungen für die Akkreditierung erreichen. Das Argument, es gebe auch andere Bachelor-Grade mit Doppelqualifikation durch zwei Fächer, sticht nicht. Es handelt sich bei diesen um eigens konzipierte, integrierte Studiengänge mit zusammenpassenden Fächern und sorgfältig abgestimmtem Lehrplan (Beispiele: Wirtschaftsinformatik; in Österreich der Lehramtsstudiengang Informatik und Informatikmanagement). Für den geplanten Lehramt-Bachelor sollen dagegen zwei unabhängige Fächer studierbar sein.

    5. Der Bachelor-Abschluss führt nicht zur Lehrbefähigung für das Fach Informatik an allgemein bildenden bzw. berufsbildenden Schulen. Dafür ist ein ergänzendes Masterstudium im Umfang von vier Semestern unverzichtbar.

    6. Nach dem Bachelor-Abschluss kann eine Tätigkeit im Informatikberufsfeld, ein Master-Studium im Lehramt Informatik oder ein Master-Studium im Fach Informatik aufgenommen werden.

    7. Im Master-Studiengang für alle Lehrämter Informatik im Umfang von 120 Leistungspunkten werden das zweite Fach (62 Leistungspunkte) und die zugehörige Fachdidaktik (15 Leistungspunkte) ausgebaut. Zur Vorbereitung auf die Masterarbeit (30 Leistungspunkte) werden die Informatik (8 Leistungspunkte) und die Informatik-Didaktik (5 Leistungspunkte) vertieft.

    8. Die Informatik kann auf ein erfolgreiches Berufsfeld verweisen, in dem gut ausgebildete Bachelor-Absolventinnen und -Absolventen vielseitige Aufgaben übernehmen können. Bildungsziel der Bachelor/Master-Lehramts-Studiengänge Informatik muss es jedoch sein, den gravierenden Mangel an Informatik-Lehrerinnen und -Lehrern zu beheben.

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    Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an

    Gesellschaft für Informatik e.V. (GI)
    Wissenschaftszentrum
    Ahrstr. 45
    D-53175 Bonn

    Tel.: +49 (0)228/302-145 / Fax: +49 (0)228/302-167
    E-Mail: gs@gi-ev.de / WWW: http://www.gi-ev.de


    Weitere Informationen:

    http://www.gi-ev.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Informationstechnik, Pädagogik / Bildung
    überregional
    Studium und Lehre, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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