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21.04.2021 11:07

Neue Studie zu Familienkonstellationen und zur sozialen Einbindung von Menschen aus Eritrea und Syrien in Deutschland

Jochen Hövekenmeier Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

    Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung und das Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge präsentieren erste Ergebnisse aus dem Kooperationsprojekt „Forced Migration and Transnational Family Arrangements: Eritrean and Syrian Refugees in Germany (TransFAR)“. Ziel des Projektes ist die Analyse der familiären und sozialen Einbettung kürzlich zugewanderter Menschen aus Syrien und Eritrea. Hierfür wurden in einer repräsentativen Befragung rund 1.500 Menschen syrischer und eritreischer Herkunft interviewt, die zwischen 2013 und 2019 nach Deutschland kamen.

    Zugewanderte aus Krisengebieten des Nahen und Mittleren Ostens sowie aus Afrika stellen mittlerweile einen Anteil von rund 17 Prozent aller Ausländerinnen und Ausländer, die gegenwärtig in Deutschland leben. Menschen aus Syrien sind mit rund 790.000 Männern und Frauen die drittgrößte ausländische Herkunftsgruppe, mit etwa 74.000 Menschen ist Eritrea hinter Marokko das zweitwichtigste Herkunftsland in Afrika. In einer neuen Studie haben das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) und das Forschungszentrum des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) neben den Wanderungsmotiven auch Familienstrukturen, Unterstützungsnetzwerke und die soziale Einbindung zugewanderter Menschen aus Syrien und Eritrea untersucht.

    Beide Gruppen von Zugewanderten erreichen Deutschland sehr unterschiedlich: So gab etwa die Hälfte der Befragten aus Syrien an, für die Migration maximal drei Monate benötigt zu haben. Bei Menschen aus Eritrea hingegen ist die Zuwanderung häufig durch lange, manchmal mehrjährige Aufenthalte in anderen Ländern gekennzeichnet. „Bemerkenswert ist die lange Dauer des Migrationsprozesses: Ein Drittel der Zugewanderten aus Syrien und sogar zwei Drittel derer aus Eritrea war länger als ein Jahr unterwegs um nach Deutschland zu gelangen“, erklärt Prof. Dr. Norbert F. Schneider, Direktor am BiB.

    Der Großteil der befragten Personen gibt an, das jeweilige Herkunftsland aufgrund bewaffneter Konflikte oder Krieg sowie politischer, ethnischer oder religiöser Verfolgung verlassen zu haben. Allerdings mit Unterschieden: Personen aus Eritrea entscheiden sich am häufigsten zur Migration, um der Zwangsrekrutierung durch den sogenannten „Nationaldienst“ zu entgehen. Hier sind also eher individuelle Gründe entscheidend. Für die Mehrheit der Menschen aus Syrien (95 Prozent) ist hingegen der Bürgerkrieg der zentrale Grund, das Land zu verlassen. Neben kriegsbezogenen Gründen lassen sie sich von weiteren Überlegungen leiten: Diese betreffen zukunfts- und familienbezogene Motive, wie die Sorge um die Zukunft der Kinder.

    63 Prozent der eritreischen Männer und 47 Prozent der eritreischen Frauen sind nach eigenen Angaben alleine in Deutschland angekommen. Und wenn sie zusammen mit anderen Personen migriert sind, dann handelte es sich gerade bei den eritreischen Männern meist um Personen außerhalb der Familie. Menschen aus Syrien hingegen haben den Weg mehrheitlich mit engen Familienmitgliedern auf sich genommen. Dies schlägt sich auch auf die derzeitige Lebenssituation nieder: So leben beispielsweise 86 Prozent der zugewanderten Frauen in einer Partnerschaft und haben eines oder mehrere Kinder. Von den Männern hingegen sind 43 Prozent alleinstehend und sind mehrheitlich kinderlos (55 Prozent). „Die Mehrheit der Befragten lebt gegenwärtig mit der eigenen Kernfamilie in Deutschland. Dass der Partner beziehungsweise die Partnerin oder auch eigene Kinder im Ausland leben, ist eher die Ausnahme, außer bei eritreischen Männern. Bei diesen kommen durchaus solche sogenannten ‚transnationalen‘ Familienkonstellationen vor“, erklärt Dr. Lenore Sauer vom BiB. Die meisten Mitglieder der erweiterten Familie, also Geschwister, Eltern oder Schwiegereltern, leben hingegen nur selten in Deutschland und meistens im Herkunftsland oder in anderen Ländern. Familien sind also oftmals über zwei oder mehrere Länder hinweg verteilt.

    Das familiäre Umfeld stellt im sozialen Leben die wichtigste Säule dar. So werden persönliche Angelegenheiten in erster Linie mit Familienangehörigen besprochen. Auch die Freizeit verbringen die Studienteilnehmenden überwiegend mit Familienangehörigen. Eine Ausnahme bilden eritreische Männer, die überwiegend nicht verwandte Personen treffen (75 Prozent). Jedoch sind außerfamiliäre Kontakte von besonderer Bedeutung, wenn es um das Alltagsleben jenseits der Freizeit geht. Hilfestellungen und Unterstützung im Alltag erhalten die Befragten hingegen mehrheitlich von nicht verwandten Personen. „Kontakte zu Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten oder Ehrenamtlichen unterstützen den Ankommensprozess geflüchteter Frauen und Männer aus Syrien und Eritrea maßgeblich. Kontakte zu Personen der Aufnahmegesellschaft müssen jedoch oft erst gefunden und ausgebaut werden – einer Unterstützung hierbei kommt eine wichtige Rolle zu“, erläutert Dr. Anja Stichs, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungszentrum des BAMF.

    Die Studie zeigt weiterhin, dass der Großteil der Zugewanderten (knapp 65 Prozent) mit dem Leben in Deutschland zufrieden oder sogar sehr zufrieden ist. Ähnlich verhält es sich mit der Zufriedenheit mit dem Freundes- und Bekanntenkreis. Diese steigt insbesondere je mehr Kontakte zu Personen der Aufnahmegesellschaft die Zugewanderten haben. „Die Studie gibt wertvolle Einblicke in die familiäre und soziale Lebenswelt von Frauen und Männern aus Syrien und Eritrea in Deutschland. Mit dem gemeinsamen Projekt haben wir nun eine starke wissenschaftliche Datengrundlage, um neben vielen anderen Themen zu erforschen, wie bedeutend die soziale Einbindung für eine erfolgreiche Integration von kürzlich Zugewanderten ist“, resümiert Katrin Hirseland, Abteilungsleiterin Forschungszentrum des BAMF.

    Die Broschüre zur Studie finden Sie unter dem folgenden Link: http://www.bamf.de/broschuere-transfar


    Originalpublikation:

    Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung/Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Hrsg.) (2021): Migration. Familie. Soziale Beziehungen. Transnationale Familienkonstellationen und soziale Einbindung von Menschen aus Eritrea und Syrien in Deutschland. Wiesbaden/Nürnberg.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Gesellschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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