Die Schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis und Kiels Oberbürgermeisterin Angelika Volquartz besuchten das Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an der Universität Kiel. Der Termin stand unter dem Motto "Zukunft Meer"
Nach einer kurzen Einleitung führte Institutsdirektor Professor Peter Herzig in die Lithothek des Instituts. Dort präsentierten sich die verschiedenen Forschungsbereiche mit ihren Themen. Den Anfang machte Dr. Peter Linke mit den von IFM-GEOMAR entwickelten Tiefsee-Landern. Analog zu Mars-Landern werden diese Geräte in den Ozeanen bei Tiefen von bis zu 6000 Metern eingesetzt, um über mehrere Monate selbständig Messungen vorzunehmen und Experimente durchzuführen. Die Ergebnisse werden an Bord der Lander gespeichert und nach dem Bergen der wieder aufgetauchten Sonden ausgewertet.
Dr. Friedrich Abegg stellte den Themenbereich Gashydrate vor. Gashydrate treten am Meeresboden auf, meist unterhalb einer Wassertiefe von 500 Metern. In Gashydraten ist Methan von einem Käfig aus Wassermolekülen umgeben. Diese Verbindung hat nur bei hohen Drücken und niedrigen Temperaturen bestand und bildet eine weiße, eis-ähnliche Substanz. Bei Zimmertemperatur taut die Verbindung auf und zerfällt in brennbares Methan-Gas und Wasser.
Methan ist ein klimawirksames Gas und trägt 20 Mal stärker zum Treibhauseffekt bei als Kohlendioxid. Eine Erwärmung des Ozeans um nur ein Grad Celsius führt zur Freisetzung von Methangas aus Meeresböden. Dies kann zu ausgedehnten Rutschungen führen, verbunden mit der Erzeugung von möglicherweise katastrophalen Flutwellen, sogenannten Tsunamis.
Die Zusammenarbeit des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften mit Schleswig-Holsteinischen Schulen wird gefördert durch das NaT-Working Programm der Robert Bosch Stiftung. Dieses sehr erfolgreiche Projekt wurde von zwei Schülern des Gymnasiums Wellingdorf gemeinsam mit Dr. Joachim Dengg von IFM-GEOMAR vorgestellt.
Junge Wissenschaftler sind das größte Kapital eines Forschungsinstituts: Dr. Dorothea Trapp und Dr. Stefan Sommer stellten den deutsch-dänischen Aufbaustudiengang BioOcean vor. In diesem Studiengang können Studenten aus Dänemark und Deutschland Ihre Kenntnisse der Ozeanographie vertiefen. In mehrmonatigen Praktika in Unternehmen erwerben sie die Fähigkeiten für das spätere Berufsleben. Der Abschluss des von der EU finanzierten Studiengangs ist das Diplom, bzw. der Master.
Forschungsschiffe sind in der Anschaffung und im Unterhalt sehr teuer und können an einem Ort nur zu einem Zeitpunkt messen. Um das globale Datennetz zu verbessern, setzen Ozeanographen daher auch Floats ein, autonom arbeitende Messgeräte, die per Satellit programmiert werden und ihre Daten an sie übermitteln. Prof. Boris Culik stellte dieses System vor und zeigte, wie solche selbständig arbeitenden Tiefendrifter in bis zu 2000 Metern Tiefe von der Strömung erfasst werden. Dabei speichern sie Temperatur und Salzgehalt, Daten, die sie gemeinsam mit ihrer Position nach dem Auftauchen per Satellit an die Forscher übertragen. Mehrere Tausend dieser Tiefendrifter sind weltweit im Einsatz und helfen dabei, die komplizierten Strömungsmuster der Ozeane zu untersuchen.
Sedimente sind das Gedächnis der Erde und speichern die Klimageschichte. Anhand chronologisch angeordneter Sedimentkerne zeigte Dr. Warner Brückmann, wie sich das Klima Schleswig-Holsteins seit dem Ende der Eiszeit vor 12 Tausend Jahren verändert hat. Auch die abwechslungsreiche Geschichte der Ostsee ist in diesen Proben des Meeresbodens gespeichert: Vom Eisstausee direkt nach Ende der Eiszeit zum Yoldia-Meer vor 10 Tausend Jahren zum Ancylus-See, der vor 8 Tausend Jahren von der Nordsee abgeschnitten war und wieder zurück zum Littorina-Meer und der uns heute bekannten Ostsee, die nur auf 4500 Jahre Geschichte zurückblicken kann. Als besonderes Geschenk überreichte Dr. Warner Brückmann an Ministerpräsidentin und Oberbürgermeisterin ein Stück Nordpol, eine Gesteinsprobe aus vier Tausend Metern Wassertiefe gewonnen bei 90 Grad nördlicher Breite.
Ozean-Boden Seismometer sind Geräte, die auf dem Meeresboden feinste Erschütterungen wahrnehmen. Diese stammen aus der Bewegung der Erdplatten, die entlang der mitteozeanischen Rücken gebildet und an den Kontinenträndern wieder verschluckt werden. Wie Ozean-Boden Seismometer funktionieren und das Erdbeben-Messnetz der Erde ergänzen, zeigte Dr. Jörg Bialas anhand von zwei dieser aufgebauten Tiefseesonden. Sie bestehen aus Auftriebskörper, Messrekorder, Auslösegerät und Anker und zeichnen die Vibrationen des Meeresbodens sowie Wasserdruckvariationen auf, die durch seismische Wellen ausgelöst wurden. Nach der Bergung der Geräte, deren Einsatz auf dem Meeresboden oft mehrere Monate dauert, können die gespeicherten Daten ausgelesen werden.
Anhand von zwei Gesteinsproben aus dem Bereich des mittelozeanischen Rückens illustrierte Prof. Dr. Peter Herzig wie Erzlagerstätten entstehen. Die Untersuchungen im Bereich der schwarzen Raucher sind auch für die Suche nach wirtschaftlich wichtigen Erzlagerstätten an Land relevant, die früher in geologischen Zeiträumen im Meer gebildet wurden. So fand Herzig 1990 im Südwestpazifik Erzlagerstätten mit erhöhtem Goldgehalt und konnte erstmals gediegenes Gold in Meeresbodensulfiden nachweisen.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen in der Kantine Budenzauber ging das Programm im GEOMAR Hörsaal mit drei Vorträgen weiter. Prof. Dr. Mojib Latif führte eindrucksvoll vor, dass sich die Erde auch bei völligem Stopp weiterer CO2-Emissionen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts um weitere 1,4 Grad Celsius aufheizen wird. Die Folgen für Schleswig-Holstein sind eine Erhöhung der Anzahl von Wetterextrem-Ereignissen. So werden sich die Anzahl heftiger Regentage, ausgesprochener Dürretage und Tage mit extremen Temperaturen weiterhin erhöhen und damit das Klima unberechenbarer machen. Die Schäden, die diese Klimakapriolen verursachen können, wurden uns in den letzten Hochwasser- und Dürrejahren bereits eindrucksvoll vor Augen geführt. Um noch größeren Klimaveränderungen vorzubeugen sieht Latif eine konsequente Verfolgung von Klimaschutz-Zielen und einen verstärkten Umstieg auf erneuerbare Energien als einzige Möglichkeiten.
Schwämme sind Meeresorganismen mit einer ganz besonderen Lebensstrategie. Sie leben auf dem Meeresboden und ernähren sich durch das Filtrieren von Mikroorganismen, die sie mit dem Wasserstrom kontinuierlich durch ihr weit verzweigtes Körpergewebe pumpen. Die Oberflächen der Schwämme sind von Bakterien besiedelt, die den Schwamm, ihren Wirt durch giftige Substanzen vor der Zersetzung durch Fraßfeinde schützen. Prof. Dr. Johannes Imhoff zeigte, wie seine Arbeitsgruppe aus den mit Meeresschwämmen vergesellschafteten Bakterien Naturstoffe gewinnt, die in der Behandlung von Krebs und in der Viren- und Mikrobenbekämpfung eingesetzt werden können. Auch Mikroorganismen aus Extremstandorten sind in der Naturstoffforschung interessant. Imhoff berichtete über seine jüngste Fahrt auf dem deutschen Forschungsschiff METEOR und zeigte eindrucksvolle Bilder von schwarzen Rauchern und heißen Quellen. Die in mehreren Tausend Metern Tiefe lebenden Organismen sind ausschließlich auf die Energie aus der Erde in Form von Methan oder Schwefelverbindungen angewiesen. Das Sonnenlicht dringt nicht bis zu ihnen.
Eine Reihe von Naturphänomenen an der Erdoberfläche, wie z. B. Erdbeben, Vulkanismus und Flutwellen sind gekoppelt an Prozesse, die sich unterhalb des Meeresbodens abspielen. Prof. Dr. Heidrun Kopp stellte diesen Forschungsschwerpunkt im neuen Leibniz-Institut für Meereswissenschaften vor. Die Entstehung neuer ozeanischer Kruste an Mittelozeanischen Rücken und ihre spätere Zerstörung an den Kontinenträndern stellt einen Zyklus dar, der als treibende Kraft für die Plattentektonik gilt. Die Verschiebung kontinentaler und ozeanischer Platten führte in der Erdgeschichte immer wieder zu einer kompletten Umverteilung der Kontinente und gilt als Zeuge für die Dynamik des Systems Erde. Anhand der Plattenbewegung in Mittelamerika wurden diese Prozesse eindrucksvoll dargestellt. Prof. Kopp überreichte an beide Gäste eine Reliefkarte dieser Region, die den Bereich des Tiefseegrabens vor Costa Rica und die dort stattfindende Verschluckung der Ozeanplatte darstellt und "ertastbar" macht.
Mit diesem Vortrag schloss sich der Kreis dieses Besuchs wieder, der mit den Tiefseelandern begonnen und sich über Methaneis, Tiefendrifter, Studiengänge, Klima und Naturstoffe gespannt hatte. Nur fünf Prozent der Tiefsee sind bisher kartiert. Somit wissen wir von der Rückseite des Mondes mehr als von unserem Planeten, der zu 70 Prozent von Ozeanen bedeckt ist und von über 6 Milliarden Menschen bevölkert wird. Die Meeresforschung steht also erst am Anfang.
Die Schleswig-Holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis und die Kieler Oberbürgermeisterin Ang ...
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Chemie, Geowissenschaften, Gesellschaft, Informationstechnik, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Personalia
Deutsch
Die Schleswig-Holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis und die Kieler Oberbürgermeisterin Ang ...
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