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23.04.2021 10:30

SARS-CoV-2-Impfstrategie für Dialysepatienten nicht ausreichend?

Dr. Bettina Albers Pressearbeit
Deutsche Gesellschaft für Nephrologie e.V. (DGfN)

    Hämodialyse-Patienten haben generell bei Infektionen ein erhöhtes Komplikationsrisiko, so auch bei COVID‐19. Die Möglichkeit der SARS‐CoV‐2-Impfung hat bei Ärzten und Patienten für große Erleichterung gesorgt, jedoch bleiben Fragen offen. Eine Studie [1] zeigte, dass gerade ältere Hämodialysepatienten deutlich niedrigere Antikörper-Spiegel entwickeln als jüngere bzw. gesunde Kontrollpersonen. Was das für die künftige Impfstrategie bedeuten kann, muss nun dringend weiter untersucht werden.

    Chronische Hämodialysepatienten gelten grundsätzlich als immunkompromittiert – Registerstudien aus Europa und Kanada weisen für diese Patientenpopulation eine COVID‐19-Letalität von 20‐30% aus. Der Schutz dieser Menschen vor einer SARS‐CoV‐2-Infektion ist daher oberstes Gebot, sowohl in häuslicher Umgebung als auch in medizinischen Einrichtungen. Hygienekonzepte in Dialysezentren sind für die Patienten sowie das ganze Team eine besondere Herausforderung, da auch infizierte Patienten ihre Dialyse weiter erhalten müssen – soweit wie möglich separiert von den anderen Patientinnen und Patienten. Die SARS‐CoV‐2-Impfung wurde daher von allen dringlichst erwartet und Dialysepatientinnen/-patienten wurden in der 4. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung 1. April 2021 in die Priorisierungsstufe 2 aufgenommen und können seitdem in allen Bundesländern geimpft werden [2].

    Von anderen Impfungen (beispielsweise Hepatitis B) ist bekannt, dass Hämodialysepatienten eine deutlich schlechtere Serokonversion bzw. Immunantwort zeigen als Gesunde. Daher sind für Hämodialysepatienten verschiedende Impfstoffe mit erhöhter Antigenkonzentration zugelassen und adaptierte Impfschemata werden vom Robert Koch empfohlen [3]. Im Verlauf sollte in der Regel eine Kontrolle des Impferfolgs durch Messung der Antikörper und bei Bedarf individualisiert weitere Impfungen erfolgen.

    Da Dialysepatienten bislang nach dem regulären Impfschema der jeweiligen Firmen gegen
    SARS‐CoV geimpft werden, ging eine deutsche Studie [1] unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Andreas Kribben, Essen, erstmals der Frage nach, wie die humorale Immunantwort auf den mRNA‐basierten SARS‐CoV‐2-Impfstoff BNT162b2 (PfizerBioNTech) ausfällt. Bei 72 zuvor SARS‐CoV‐2-seronegativen Hämodialysepatienten wurde zwei Wochen nach der Zweitimpfung die Antikörperspiegel mittels Anti‐SARS‐CoV-2-IgG-CLIA („ChemiLuminescent ImmunoAssay“) bestimmt. Ab einem Wert von ≥13 AU/ml gilt der Test als positiv.

    Als Kontrollgruppe wurden 16 gesunde Probanden des Pflegeteams herangezogen. Diese entwickelten zu 100% eine starke Antikörper-Antwort von 800 AU/ml im Median (entsprechend 2080 BAU/ml). 67 der 72 Hämodialysepatienten entwickelten Antikörper (93%; median 366,5 AU/ml).
    Unter-60-Jährige erreichten dabei den Gesunden vergleichbare Werte (597 AU/ml; p=0,051). Insgesamt korrelierte die Immunantwort jedoch in der Gruppe der Hämodialysepatienten signifikant negativ mit dem Alter: Über-60-Jährige hatten Werte von 280 AU/ml (p < 0.0001).

    „Die Gründe für die schlechtere Immunantwort auf Impfungen bei vor allem älteren Dialysepatienten ist vermutlich multifaktoriell. Aus Untersuchungen zur Hepatitis-B-Impfung wissen wir, dass beispielsweise die Urämie-abhängig verminderte Neutrophilen- und Monozytenfunktion und ein beeinträchtigtes Antigen-Prozessing eine Rolle spielen; aber auch eine diabetische Stoffwechsellage, chronische Inflammation und Malnutrition können die Immunantwort verschlechtern “, erläutert Prof. Kribben, Letztautor der Studie.

    Auch für nierengesunde Menschen ist noch nicht abschließend geklärt, wie lange der Schutz nach den verschiedenen SARS-CoV-2-Impfungen anhält. Hinzu kommt, dass die Schutzwirkung nicht nur an Antikörpern festgemacht werden kann, sondern auch die zelluläre Immunität von Bedeutung ist. „Da der Einsatz von mRNA-Impfstoffen bei Routineimpfungen grundsätzlich neu ist, sind jetzt Langzeit- bzw. Longitudinal-Studien notwendig, um für Dialysepatienten ein adaptiertes Impfschema erstellen zu können“, erklärt Professor Kribben. Die künftige Impfstrategie für Patienten mit reduzierter Immunantwort könnte ähnlich der Hepatitis-B-Impfung beispielsweise Impfdosen mit höherem Antigengehalt oder häufigere Impfungen nach einem noch zu ermittelnden modifizierten Impfschema umfassen.

    Das Fazit, das Frau Prof. Dr. Julia Weinmann-Menke, Mainz, Pressesprecherin der DGfN, aus den Daten zieht lautet: „Insgesamt zeigten 93% der Dialysepatienten eine positive Impfantwort, was grundsätzlich eine gute Nachricht ist. Doch wir brauchen ein Konzept für das weitere Vorgehen, insbesondere für ältere Patienten, und zwar spätestens vor der nächsten Wintersaison. Bis klar ist, wie lange der Impfschutz bei unseren Patientinnen und Patienten tatsächlich anhält, ob und wann eine Impfung aufgefrischt werden muss, ist es wichtig, die Hygienemaßnahmen und Kontaktbeschränkungen weiterhin beizubehalten.“



    [1] Jahn M, Korth J, Dorsch O et al. Humoral Response to SARS‐CoV‐2-Vaccination with BNT162b2 (Pfizer‐BioNTech) in Patients on Hemodialysis. Vaccines 2021; 9: 360
    [2] https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/Vierte_Empfehlung_...
    [3] Robert Koch Institut: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/HepatitisB/FAQ10.html


    Originalpublikation:

    doi:10.3390/vaccines9040360


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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