idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
26.04.2021 17:00

Überraschung in der Tiefsee

Sebastian Grote Kommunikation und Medien
Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

    Forschende entdecken Schwammpfade auf dem Meeresboden

    Sie gelten als eine der primitivsten Formen tierischer Lebewesen, denn sie weisen weder Fortbewegungsorgane noch ein Nervensystem auf: Schwämme. Jetzt hat ein internationales Team um die Tiefseeforscherin Antje Boetius entdeckt, dass Schwämme in der arktischen Tiefsee Spuren am Meeresboden hinterlassen. Sie schließen daraus, dass die Tiere sich aktiv fortbewegen könnten – wenn auch nur mit wenigen Zentimetern pro Jahr. Diese einmaligen Erkenntnisse veröffentlichen sie jetzt in der Zeitschrift Current Biology.

    Die Überraschung war groß, als Forschende sich hochauflösende Aufnahmen vom Meeresgrund der arktischen Tiefsee detailliert anschauten: Pfadähnliche Spuren auf dem Meeresboden endeten dort, wo Schwämme saßen. Die Spuren führten in alle Richtungen, sogar bergauf. „Wir schließen daraus, dass die Schwämme sich aktiv über den Meeresboden bewegt haben könnten und als Ergebnis Ihrer Bewegung Spuren hinterlassen“, berichtet die Schwammforscherin Dr. Teresa Morganti vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen. Das sei deshalb besonders spannend, weil die Wissenschaft bisher davon ausgegangen war, dass die meisten Schwämme am Meeresboden festsitzen oder passiv von Meeresströmungen bewegt werden und in der Folge gegebenenfalls Hänge hinab rutschen.

    „In der arktischen Tiefsee treten keine starken Strömungen auf, die die vorgefundenen Strukturen am Meeresboden erklären könnten,“ erläutert die Expeditionsleiterin Prof. Dr. Antje Boetius, die mit dem Tiefseebiologen Dr. Autun Purser vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- Meeresforschung (AWI) im Rahmen der Helmholtz-Max-Planck-Tiefseegruppe zusammenarbeitet. Die jetzt veröffentlichten Aufnahmen entstanden bei 87°N, am etwa 350 Kilometer vom Nordpol entfernten Karasik Seamount mit dem Forschungseisbrecher Polarstern im Jahr 2016 mit einem geschleppten Kamerasystem OFOBS (Ocean Floor Observation and Bathymetry System). „Mit dem OFOBS können wir 3D-Modelle aus der Tiefsee erstellen. Der Gipfel des Seamounts war dicht mit Schwämmen besiedelt. 69 Prozent unserer Bilder wiesen Spuren aus Schwammnadeln auf, von denen viele zu lebenden Tieren führten“, berichtet Autun Purser.

    Aus diesen Beobachtungen erwachsen viele Fragen: Warum bewegen sich die Schwämme? Und wie orientieren sie sich? Mögliche Gründe für die Fortbewegung könnten Nahrungssuche, die Vermeidung ungünstiger Umweltbedingungen oder die Verbreitung der Nachkommen sein. Gerade die Nahrungssuche spielt in nährstoffarmen Ökosystemen wie der arktischen Tiefsee eine große Rolle. Dort haben die Schwämme ohnehin eine wichtige Funktion, denn als Filtrierer können sie Partikel und gelöste organische Substanzen verwerten und sind mit Hilfe ihrer bakteriellen Symbionten intensiv am Nährstoffrecycling beteiligt. Außerdem bilden Schwämme mit ihren Strukturen einen Lebensraum für arktische Fische und Garnelen. Den Mechanismen der Fortbewegung müssen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jedoch noch weiter nachgehen.

    Originalpublikation:
    Teresa M. Morganti, Autun Purser, Hans Tore Rapp, Christopher R. German, Michael V. Jakuba, Laura Hehemann, Jonas Blendl, Beate M. Slaby, Antje Boetius: In situ observation of sponge trails suggests common sponge locomotion in the deep central Arctic. Current Biology (2021); DOI: 10.1016/j.cub.2021.03.014

    Sperrfrist: 17:00 Uhr MESZ am 26. April 2021 (11:00 AM US Eastern Time)

    Hinweise für Redaktionen:

    Unterwasservideos und 3D-Aufnahmen vom Meeresborden finden Sie bis zum Ablauf der Sperrfrist unter diesem Link: https://we.tl/t-HIptpYwfc3; anschließend in der Online-Version dieser Pressemitteilung: https://www.awi.de/ueber-uns/service/presse.html

    Ihre Ansprechpartner sind

    - Dr. Autun Purser, Tel.: +49(0) 471 4831-1740; E-Mail: autun.purser(at)awi.de
    - Dr. Teresa Maria Morganti; Tel.: +34 622 920 462 oder via Skype @teremo83; E-Mail: tmorgant(at)mpi-bremen.de

    In der AWI-Pressestelle steht Ihnen Folke Mehrtens, Tel.: +49(0) 471 4831-2007 (E-Mail: medien@awi.de) für Rückfragen zur Verfügung.

    Das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der gemäßigten sowie hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der 19 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Meer / Klima
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).