Forschungsteam untersucht molekulare Mechanismen der Spinalen Muskelatrophie (SMA)
Spinale Muskelatrophie (SMA) ist eine erblich bedingte neurodegenerative Erkrankung. Dabei gehen motorische Nervenzellen im Rückenmark und im Hirnstamm allmählich zugrunde, die mit den Muskeln verbunden sind und ihre Bewegungen steuern. Die Folge ist ein massiver Muskelschwund, der in schweren Fällen unbehandelt bereits im Säuglingsalter zum Tod führen kann. Zwar ist das für SMA verantwortliche Gen bekannt, wie genau es aber zum Verlust der Motoneurone kommt, ist bislang unklar. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Professor Dr. Peter Claus, Molekularbiologe am Institut für Neuroanatomie und Zellbiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), hat jetzt eine wichtige molekulare Ursache für den Krankheitsverlauf gefunden. Die Studie ist in der renommierten interdisziplinären Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) veröffentlicht worden.
Zentrum eines Netzwerkes
SMA ist eine relativ häufige „seltene Erkrankung“ und betrifft in Deutschland etwa eines von 6.500 Neugeborenen. Sie wird durch eine Mutation im sogenannten SMN1-Gen hervorgerufen. Ist das Gen verändert oder geht es völlig verloren, fehlt dem Körper der Bauplan für das entsprechende SMN-Protein, das eine entscheidende Rolle in der Kommunikation zwischen Nerven- und Muskelzellen spielt. „Wir haben einen Hauptschalter gefunden, der für die Verarbeitung von bestimmten molekularen Signalen in den motorischen Nervenzellen wichtig ist“, sagt Professor Claus. Der Schalter heißt B-Raf und ist ein Dreh- und Angelpunkt der Erkrankung. „Das B-Raf-Protein ist als Zentrum eines umfangreichen Netzwerkes von weiteren Proteinen entscheidend für das Überleben der Motoneurone“, erklärt der Molekularbiologe.
B-Raf-Schalter regelt Überleben der motorischen Nervenzellen
In den motorischen Nervenzellen von Patientinnen und Patienten mit SMA ist der B-Raf-Schalter herunterreguliert. Weil das bereits geschieht, bevor überhaupt Symptome auftreten, geht das Forschungsteam davon aus, eine wichtige Stellschraube der Erkrankung gefunden zu haben. „Mit einem molekularen Trick haben wir untersucht, was passiert, wenn wir den Schalter wieder aktivieren“, sagt Dr. Niko Hensel, Erstautor der Studie. Dafür haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im nur einen Millimeter großen Fadenwurm Caenorhabditis elegans das SMN-Gen stillgelegt. Anschließend konnten sie beobachten, dass auch hier der dem B-Raf-Protein entsprechende Hauptschalter herunterreguliert war. Aktivierten die Wissenschaftler das Schalterprotein im Fadenwurm wieder, starben weniger motorische Nervenzellen. Der Schalter spielt somit eine entscheidende Rolle für das Überleben der Motoneurone. „Diese Mechanismen sind konserviert, haben sich also im Laufe der Evolution nicht verändert“, erklärt Dr. Hensel. Daher lasse sich die Beobachtung aus dem winzigen Wurm wahrscheinlich auch auf den Menschen übertragen.
Zwar gibt es bereits zugelassene Medikamente gegen SMA. Sie wirken jedoch nicht zu jedem Behandlungszeitpunkt und bei allen Betroffenen gleich gut. „Unsere Studie könnte dazu beitragen, die Therapieoptionen zu erweitern und so bessere Resultate zu erzielen“, sagt Professor Claus. Als nächstes will das Forschungsteam daher eine verbesserte Therapie untersuchen und nach weiteren molekularen Schaltern fahnden.
SERVICE:
Weitere Informationen erhalten Sie bei Professor Dr. Peter Claus, claus.peter@mh-hannover.de, Telefon (0511) 532-2932.
Die Originalarbeit „Impairment of the neurotrophic signaling hub B-Raf contributes to motoneuron degeneration in spinal muscular atrophy“ finden Sie unter: https://www.pnas.org/content/118/18/e2007785118
Co-Autorin Ines Tapken und Co-Autor Tobias Schüning mit einer mikroskopischen Aufnahme des Fadenwurm ...
Copyright: Karin Kaiser / MHH
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Co-Autorin Ines Tapken und Co-Autor Tobias Schüning mit einer mikroskopischen Aufnahme des Fadenwurm ...
Copyright: Karin Kaiser / MHH
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