Die mentalen Gesundheitsrisiken der Pandemie und der Pandemiemaßnahmen wurden immer wieder öffentlich diskutiert, auch in den Niederlanden. Dort sank die psychische Gesundheit, die auf einer Skala von 0 bis 100 (100 entspricht perfekter Gesundheit) gemessen wird, von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im ersten Lockdown stark ab, erholte sich jedoch relativ schnell wieder und erreichte ein ähnliches Niveau wie vor der Corona-Pandemie. Den größten Abfall in der psychischen Gesundheit ließ sich im März 2020 beobachten zeitgleich mit dem ersten Lockdown.
Welche Faktoren für die psychische Belastung während der Pandemie eine besonders große Rolle spielten und inwiefern sich diese über die Zeit veränderten, untersucht eine Studie von Forschenden des ZEW Mannheim, der Universitäten Mannheim und Bonn und der niederländischen Tilburg University.Auf Basis von Daten des niederländischen LISS Panel untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Risikofaktoren, die während der Corona-Pandemie zu einer Verschlechterung der psychischen Gesundheit führen.
Eltern sind besonders stark belastet
Empfundene Job-Unsicherheit, wahrgenommenes Infektionsrisiko und emotionale Einsamkeit wirken sich der Studie zufolge negativ auf die psychische Gesundheit aus, wobei es hier Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. Für Männer drückt die subjektive Wahrnehmung des Risikos, selbst arbeitslos zu werden, die psychische Gesundheit mit 1,5 Prozent (pro Standardabweichung) am stärksten, gefolgt von Männern, die sich während des Lockdowns besonders einsam fühlten (1,2 Prozent). Für Frauen hingegen spielt die emotionale Einsamkeit die größte Rolle (3,3 Prozent pro Standardabweichung), wohingegen die Arbeitsmarktrisiken weniger relevant zu sein scheinen. Die Einschätzung des eigenen Ansteckungsrisikos durch das Corona-Virus spielt bei beiden Geschlechtern eine vergleichsweise geringe Rolle (0,3 und 0,5 Prozent pro Standardabweichung für Männer und Frauen).
Ein besonders starkes Absacken der psychischen Gesundheit, nämlich um 4,3 Prozent, erlebten Eltern von Kindern unter 12 Jahre zwischen November 2019 und März 2020. „Neben der hohen Ungewissheit um das Infektionsgeschehen und den eigenen Job müssen Eltern während Lockdowns die Doppelbelastung von Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit aushalten“, erklärt Sebastian Seitz, Wissenschaftler am ZEW Mannheim und Co-Autor der Studie. Ihre Arbeitszeit reduzierten Eltern während der Pandemie nicht stärker als der Durchschnitt der Gesellschaft, doch ihre psychische Gesundheit entwickelt sich unterschiedlich, je nachdem, wie viele Stunden sie ihre Kinder gleichzeitig im Homeoffice betreuten.
Allein betreuende Väter sind im Homeoffice besonders stark betroffen
Auch geschlechtsspezifische Effekte konnten die Forschenden beobachten. Demnach verfügten Männer im Durchschnitt zwar stets über höhere Werte bei der psychischen Gesundheit als Frauen. Der stärkste Abfall psychischer Gesundheit jedoch zeigte sich bei Vätern, die aufgrund der Schul- und Kitaschließungen die zusätzlich anfallende Kinderbetreuung übernahmen, während sie gleichzeitig im Homeoffice arbeiteten. Die psychische Gesundheit von Müttern wurde besonders dann beeinträchtigt, wenn sie zu Hause arbeiteten, während ihr Partner die zusätzlichen Betreuungsstunden übernehmen sollte. „Der Umstand, dass Väter mental besonders unter den Schließungen von Schulen und Kindertagesstätten leiden, hat uns doch etwas überrascht. Studien zu anderen Ländern wie etwa den USA oder Großbritannien deuteten in die entgegengesetzte Richtung, nämlich, dass die Mütter psychisch besonders von der zusätzlichen Belastung durch Kinderbetreuung betroffen sind“, erklärt Bettina Siflinger von der Tilburg University und Co-Autorin der Studie. Den Tiefpunkt erreichten Mütter mit einem mentalen Gesundheitspunktestand von 72 bei rund 15 Stunden Tätigkeit im Homeoffice inklusive Kinderbetreuung. Väter hingegen erreichten in diesem Bereich ihren maximalen Wert, genauer rund 18 Homeoffice-Stunden mit zu betreuenden Kindern.
Acknowledgements
Die Autoren bedanken sich für die Finanzierung seitens des IZA, des SFB224 Transregio, ECONtribute und des NWO.
Für Rückfragen zum Inhalt
Sebastian Seitz
Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich
„Soziale Sicherung und Verteilung “
Tel.: +49 (0)621 1235-186
sebastian.seitz@zew.de
Michaela Paffenholz
Wissenschaftlerin im ZEW-Forschungsbereich
„Soziale Sicherung und Verteilung “
Tel.: +49 (0)621 1235-393
Michaela.Paffenholz@zew.de
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