idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
11.06.2021 11:38

Möglicher Hinweis für Gehirnreparatur: Neue Gliazellen im Gehirn entdeckt

Heike Sacher, Biozentrum Kommunikation & Marketing
Universität Basel

    Neuronen sind Nervenzellen im Gehirn, die zentral für die Gehirnfunktion sind. Neuste Forschung lässt jedoch vermuten, dass auch Gliazellen, die lange Zeit als Stützzellen galten, eine Schlüsselrolle spielen. Eine Forschungsgruppe der Universität Basel hat nun zwei neue Arten von Gliazellen im Gehirn entdeckt, indem sie adulte Stammzellen aus ihrem Ruhezustand geweckt hat. Diese neuen Arten könnten wichtig für die Plastizität und Reparatur des Gehirns sein.

    Das Gehirn ist bis ins Erwachsenenalter formbar. Diese Plastizität des Gehirns beruht nicht nur auf der Bildung neuer Nervenverbindungen. Stammzellen im erwachsenen Gehirn bilden zudem neue Nervenzellen. Seit mehr als hundert Jahren konzentrieren sich die Forschung auf diese Nervenzellen.

    Im Gehirn gibt es jedoch eine weitere Klasse von Zellen, die sogenannten Gliazellen, die für die Gehirnfunktion unerlässlich sind. Die Bedeutung dieser Gliazellen wird jedoch seit Jahrzehnten unterschätzt. Auch wie viele Gliazellarten es gibt, wie sie sich entwickeln und welche Rolle sie spielen, ist noch weitgehend unerforscht.

    Stammzellen – aus dem Schlaf geweckt

    Die Forschungsgruppe von Prof. Dr. Fiona Doetsch am Biozentrum der Universität Basel untersucht Stammzellen in der ventrikulär-subventrikulären Zone im erwachsenen Mausgehirn. In dieser Region, der Stammzellnische, befinden sich viele Stammzellen in einem Ruhezustand. Sie nehmen jedoch Signale ihrer Umgebung wahr, die sie zum Erwachen und zur Umwandlung in neue Nervenzellen anregen können.

    In ihrer Studie im Fachmagazin «Science» hat Doetschs Team nun ein molekulares Signal entdeckt, das die Stammzellen aus ihrem Ruhezustand weckt und sie dazu anregt, sich zu Gliazellen zu entwickeln.

    Stammzellen – Geburtsort der Gliazellen

    «Wir haben einen Aktivierungsschalter für ruhende Stammzellen gefunden», erklärt Doetsch. «Es ist ein Rezeptor, der die Stammzellen in ihrem Ruhezustand hält. Schaltet man diesen Schalter aus, werden die Gliazellen aktiv.» Zudem konnten die Forscher die Entwicklung der Stammzellen zu verschiedenen Gliazellen in bestimmten Bereichen der Stammzellnische visualisieren.

    «Einige der Stammzellen entwickelten sich nicht zu Neuronen, sondern zu zwei neuartigen Gliazellen», berichtet Doetsch. Die untersuchte Hirnregion ist also sowohl Geburtsstätte für verschiedene Arten von Gliazellen als auch Brutstätte für Neuronen.

    «Überrascht hat uns auch, dass wir einen Gliazelltyp an der Oberfläche der Hirnkammerwand und nicht im Hirngewebe selbst gefunden haben», sagt Doetsch. Die Zellen sind vom Hirnwasser umgeben und mit Nervenfasern aus weit entfernten Hirnarealen verknüpft. Sie empfangen von dort Signale und reagieren darauf.

    Gliazellen – aktiv bei Gesundheit und Krankheit

    Das Forschungsteam konnte darüber hinaus zeigen, dass beide Gliazelltypen bei degenerativer Zerstörung des Gehirns reagieren. Diese neuen Gliazelltypen können somit mögliche Zellen für die Reparatur bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder nach Verletzungen sein.

    In einem nächsten Schritt möchte Doetsch die Rolle der neu entdeckten Gliazelltypen für die normale Gehirnfunktion und ihre Reaktion bei verschiedene physiologische Zusammenhänge untersuchen. Dies könnte wichtige Hinweise zum Verständnis der Plastizität des Gehirns liefern und wie die Erneuerung und Reparatur von Nervengewebe funktioniert.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Fiona Doetsch, Universität Basel, Biozentrum, Tel. +41 61 207 22 30, E-Mail: fiona.doetsch@unibas.ch


    Originalpublikation:

    Ana C. Delgado, Angel R. Maldonado-Soto, Violeta Silva-Vargas, Dogukan Mizrak, Thomas von Känel, Kelly R. Tan, Alex Paul, Aviv Madar, Henar Cuervo, Jan Kitajewski, Chyuan-Sheng Lin and Fiona Doetsch
    Release of stem cells from quiescence reveals gliogenic domains in the adult mousebrain
    Science (2021), doi: 10.1126/science.abg8467
    https://doi.org/10.1126/science.abg8467


    Bilder

    Eine neue Art von Gliazellen (grün), die aus adulten Stammzellen im Gehirn entstehen, kontaktiert Nervenzellen (magenta).
    Eine neue Art von Gliazellen (grün), die aus adulten Stammzellen im Gehirn entstehen, kontaktiert Ne ...

    Bild: Universität Basel, Biozentrum


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Eine neue Art von Gliazellen (grün), die aus adulten Stammzellen im Gehirn entstehen, kontaktiert Nervenzellen (magenta).


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).