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23.06.2021 11:19

Sind die Verschärfungen der Regulierung von Abschlussprüfern mehr als politischer Aktionismus?

Peter Kuntz Kommunikation & Marketing
Universität Trier

    Wissenschaftler der Universität Trier und der Privatuniversität Schloss Seeburg bewerten die Begrenzung der maximalen Prüfungsdauer als nicht evidenzbasiert.

    Regelmäßig wird nach Finanzkrisen oder Unternehmensskandalen der Ruf nach strengerer Marktregulierung laut, so auch nach dem Betrugsfall um den Zahlungsdienstleister Wirecard. Die EU hat auf die letzte globale Krise unter anderem mit einer Reform des Wirtschaftsprüfungsmarktes reagiert. Als eine zentrale Maßnahme führte sie eine Begrenzung der Mandatslaufzeit für Wirtschaftsprüfer ein. Wissenschaftler der Universität Trier und der Privatuniversität Schloss Seeburg (Seekirchen/Österreich) kommen in einer Studie zu dem Schluss, dass diese Maßnahme empirisch nicht hinreichend begründbar und möglicherweise nicht mehr als eine Beruhigungspille für die Medien und die Öffentlichkeit ist.

    Nach der seit 2016 in Kraft getretenen EU-Verordnung darf das Mandat eines Wirtschaftsprüfers für ein Unternehmen des öffentlichen Interesses nicht länger als zehn Jahre dauern, in begründeten Fällen war jedoch hierzulande eine Ausweitung auf 24 Jahre möglich. Als eine Konsequenz aus der Wirecard-Insolvenz wurden mit dem Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz in Deutschland diese bis dato möglichen Ausnahmeregelungen für eine solche Verlängerung abgeschafft, so dass fortan ausschließlich die generelle Höchstdauer von zehn Jahren greift. Dahinter steht die Überzeugung, eine lange Prüfungslaufzeit schade der Unabhängigkeit der Prüfer und somit der Prüfungsqualität.

    In der nun im Journal „Economies“ veröffentlichten Studie kommen die Wirtschaftswissenschaftler Dr. Markus Widmann, Prof. Dr. Matthias Wolz (Universität Trier) und Ass.-Prof. Dr. Florian Follert (Privatuniversität Schloss Seeburg) zu einer anderen Einschätzung. Sie finden keine validen Belege dafür, dass die Rotation von Prüfungsgesellschaften einen positiven Einfluss auf die Prüfungsqualität haben könnte. Die zu beachtende Höchstlaufzeit von zehn Jahren sei zudem willkürlich gewählt und wissenschaftlich nicht gestützt. „Nach unseren Erkenntnissen führt ein länger als zehn Jahre währendes Mandat nicht notwendigerweise zu weniger zuverlässigen Prüfungsergebnissen“, stellt Matthias Wolz, Professor für Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung an der Universität Trier, fest.

    Die Autoren weisen darauf hin, dass die Begrenzung der Höchstlaufzeit des Mandats aus ökonomischer Perspektive sogar nachteilige Folgen haben könnte. Da die Fehlerquote in der Anfangsphase eines neuen Prüfverhältnisses empirisch belegt am höchsten ist, könnte nun eine häufigere Rotation der Qualität schaden. Eine per Gesetz diktierte Höchstlaufzeit führt zudem auch finanziell und arbeitsorganisatorisch zu Belastungen. Sowohl für die zu prüfenden Unternehmen als auch für die Prüfer sind die Kosten zu Beginn des Prüfungsvorgangs überproportional hoch, und dies bei tendenziell höheren Fehlerquoten als bei langjährigen Prüfungsmandaten.

    Die Forscher kritisieren, dass der politischen Entscheidung für die verpflichtende Rotation augenscheinlich weder Markterfahrungen noch wissenschaftliche Befunde zugrunde liegen. Mittels Auswertung internationaler Studien fand das deutsch-österreichische Team heraus, dass die Dauer eines Mandats keinen Einfluss auf die Prüfungsqualität zu haben scheint. „Auf dieser Basis lässt sich keine optimale Prüfungsdauer festlegen. Der Zeitraum von zehn Jahren erscheint daher bloß willkürlich gewählt“, folgert Markus Widmann. Die Festlegung sei „möglicherweise eher das Ergebnis eines politischen Kompromisses, nachdem sich das EU-Parlament für eine 14-jährige Dauer des Prüfungsmandats und die EU-Kommission für sechs Jahre stark gemacht hätten“, vermutet Florian Follert.

    Einen weiteren Beleg für die Zielverfehlung durch die Mandatsbegrenzung auf zehn Jahre fanden die Wissenschaftler, als sie die Effekte der EU-Verordnung auf der Datenbasis von 11.834 Prüfungen aus 1.896 Unternehmen untersuchten. Dabei zeigte sich, dass die durchschnittliche Prüfungsdauer in den EU-Mitgliedsstaaten im Zeitraum von 2008 bis 2017 ohnehin unterhalb der neu eingeführten Maximalspanne von zehn Jahren lag. Den niedrigsten Wert hatte sie 2008 mit 8,14 Jahren, den höchsten 2014 mit 8,67. In den Jahren nach der Bekanntmachung der Verordnung sank der Durchschnittswert leicht. „Nachdem bereits die Maßnahme als solche das Ziel zu verfehlen scheint, geht auch die Festlegung auf zehn Jahre an den Marktverhältnissen vorbei“, urteilen die Forscher.
    „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich in unserer Untersuchung weder formal noch empirisch Belege finden lassen, die für eine Begrenzung der Prüfungsdauer auf zehn Jahre sprechen. Eine Verbesserung der Prüfungsqualität kann mit dieser Maßnahme nicht begründet werden, und damit fehlt die Grundlage für diesen Eingriff in den Wirtschaftsprüfungsmarkt“, so Prof. Dr. Matthias Wolz, Dr. Markus Widmann und Ass.-Prof. Dr. Florian Follert. Dass die Rotation dennoch eingeführt wurde, sehen sie als politisch motivierte Reaktion auf den in Medien und Öffentlichkeit verbreiteten Vorwurf der mangelnden Distanz von Prüfern und Unternehmen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Markus Widmann
    Betriebswirtschaftslehre/Rechnungswesen & Wirtschaftsprüfung
    Mail: widmann@uni-trier.de
    Tel: +49 651/201-3496


    Originalpublikation:

    Die Studie
    Markus Widmann, Florian Follert und Matthias Wolz: On the Political Decision of Audit Market Regulation: Empirical Evidence of Audit Firm Tenure and Maximum Durations within the European Union.
    Economies 2021, 9, 79. https://doi.org/10.3390/economies9020079


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter
    Wirtschaft
    überregional
    Kooperationen, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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