idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
25.06.2021 13:41

RNA-basierte Impfstoffe und Wirkstoffe preiswert herstellen

Sandra Sieraad Medien und News
Universität Bielefeld

    Wissenschaftler*innen des Centrums für Biotechnologie (CeBiTec) der Universität Bielefeld arbeiten in den kommenden drei Jahren an kostengünstigen und flexiblen Produktionssystemen für RNA-basierte Wirkstoffe. Die Substanzen werden zum Beispiel für Impfstoffe und für Pflanzenschutzmittel benötigt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt das Projekt mit mehr als 1,3 Millionen Euro. Die Förderung teilt sich das CeBiTec mit dem am Forschungszentrum Jülich angesiedelten Start-up-Unternehmen SenseUP.

    Ribonukleinsäure, kurz RNA, ist eine biologische Substanz und überträgt genetische Informationen im Körper. Wirkstoffe, die auf RNA aufbauen, etablieren sich derzeit als neue Impfstoffklasse zur Eindämmung der Corona-Pandemie. „Die Impfstoffe von Biontech und Moderna sind beispielsweise RNA-basierte Wirkstoffe. Hier wird kein virales Antigen verabreicht, sondern lediglich dessen genetischer Code. Mit dieser Information lernt das Immunsystem, wie es das Coronavirus selbst bekämpft“, sagt Professor Dr. Jörn Kalinowski. Er leitet die Forschungsgruppe „Mikrobielle Genomik und Biotechnologie“ am Centrum für Biotechnologie (CeBiTec) der Universität Bielefeld.

    Wirkstoffe mit RNA können ebenfalls zur biologischen Schädlingsbekämpfung in der Landwirtschaft eingesetzt werden. „Damit sind sie eine Alternative zu chemischen Pflanzenschutzmitteln, die Böden und Grundwasser belasten und auch Nützlinge angreifen“, sagt Kalinowski. „RNA-basierte Bio-Pflanzenschutzmittel bekämpfen nur solche Pilze, Unkräuter und Insekten, die den Pflanzen schaden. Das ist möglich, weil sie einen sehr genauen Code bereitstellen. Dadurch wirken sie gezielt auf einzelne Schädlinge, während sie verwandte Gattungen schonen.“

    Derzeitige Produktion von RNA teuer und anspruchsvoll

    Bisher wird RNA für Impfstoffe und Pestizide mithilfe von Enzymen aus lebenden Zellen hergestellt. „Die zellulären Komponenten müssen zurzeit aufwendig präpariert werden“, sagt Kalinowski. „Daher ist die Produktion von großen Mengen RNA-basierter Wirkstoffe technisch anspruchsvoll und teuer.“

    Kalinowski und seine Mitarbeiter*innen erforschen und entwickeln gemeinsam mit dem Unternehmen SenseUp neue Verfahren für die Herstellung von RNA. SenseUP GmbH entstand vor fünf Jahren aus dem Forschungszentrum Jülich und ist auf moderne Produktionsentwicklung spezialisiert. Das gemeinsame Projekt verfolgt den Ansatz, die Produktion von RNA direkt in die lebende Zelle zu verlegen. „Bakterien sind kleine Zellfabriken, die die benötigte RNA selbst herstellen sollen. Das hat den großen Vorteil, dass wir nur eine beliebige Menge an Bakterien produzieren müssten“, erläutert CeBiTec-Projektleiter Jörn Kalinowski. „So wären wir nicht darauf angewiesen, alle Teile für die Produktion von RNA zur Verfügung zu haben und wir könnten trotzdem eine ähnlich präzise RNA herstellen.“

    Mit derselben Technologie sollen sowohl wenige Gramm für Spezialanwendungen produziert werden können wie auch mehrere Tonnen – das wäre besonders für die ökologische Landwirtschaft gewinnbringend. „Insektizide müssen flächendeckend gesprüht werden“, so Kalinowski. „Chemische Insektizide sind aktuell sehr viel günstiger als Biopestizide. Wenn das so bleiben würde, hätte der ökologische Landbau kaum eine wirtschaftliche Chance.“

    Bakterium dazu bringen, eine bestimmte RNA selbst herzustellen

    Neu bei dem Verfahren der Bielefelder und Jülicher Biotechnolog*innen ist insbesondere, dass sie sogenannte sichere Mikroorganismen für die Produktion verwenden wollen. In den herkömmlichen Verfahren wird mit dem Kolibakterium gearbeitet, das für medizinische Produkte sauber aufbereitet werden muss. Sichere Mikroorganismen sind dagegen Organismen, die zum Beispiel über die Nahrung aufgenommen werden können, wie die Bäckerhefe. „Wir verwenden für unsere Forschung und Entwicklung ein Bakterium, das im Boden vorkommt und bereits als Produktionsmittel für Tierfutter verwendet wird“, sagt Kalinowski. „Über eine mögliche Verunreinigung müssten wir uns dann keine Sorgen machen.“

    Das Team steht im Projekt biologischen Herausforderungen gegenüber: Wie kann eine Zelle dazu gebracht werden, eine bestimmte RNA zu produzieren? „Es handelt sich zwar um natürliche Prozesse, aber Zellen stellen normalweise Tausende und nicht bevorzugt eine RNA her. Außerdem bauen Zellen RNA ab, wenn sie sie nicht mehr benötigen“, sagt Kalinowski. „Wie Ingenieur*innen müssen wir in die Zellen eingreifen und das Bakterium dazu bringen, eine bestimmte RNA herzustellen, auch wenn es das vielleicht nicht will.“ Durch die Corona-Pandemie habe das Forschungsfeld einen entscheidenden Schub bekommen: „Wir sind in den Anfängen unserer Forschung und auch, wenn wir das aktuelle Projekt in drei Jahren abgeschlossen haben, werden wir weiterer Entwicklungsarbeit gegenüberstehen, bis das Produktionssystem auf den Markt gebracht werden kann.“

    Das Projekt RNAferm ist im April 2021 gestartet. Finanziert wird es mit mehr als 1,3 Millionen Euro für drei Jahre vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (Förderziffer 031B1114B).


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Jörn Kalinowski, Universität Bielefeld
    Centrum für Biotechnologie (CeBiTec)
    Tel: 0521-106 8756
    E-Mail: joern@cebitec.uni-bielefeld.de


    Weitere Informationen:

    https://www.cebitec.uni-bielefeld.de/research-groups/249-microbial-genomics-and-... Website der Forschungsgruppe „Mikrobielle Genomik und Biotechnologie“
    https://www.senseup-biotech.com/ Website des Biotechnologie-Unternehmens SenseUp
    https://www.fz-juelich.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/UK/DE/2021/2021-06-07-se... Pressemitteilung des Forschungszentrums Jülich


    Bilder

    Der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel (r.) übergab den Förderbescheid an Georg Schaumann (li.) von SenseUp und Prof. Dr. Jörn Kalinowski (Mitte) vom CeBiTec.
    Der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel (r.) übergab den Förderbescheid an Georg Schaumann ...

    Forschungszentrum Jülich


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Medizin, Tier / Land / Forst
    überregional
    Forschungsprojekte, Kooperationen
    Deutsch


     

    Der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel (r.) übergab den Förderbescheid an Georg Schaumann (li.) von SenseUp und Prof. Dr. Jörn Kalinowski (Mitte) vom CeBiTec.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).