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28.06.2021 08:38

Ein Atlas des Hummelgehirns

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Vom Gehirn der Erdhummel gibt es jetzt einen dreidimensionalen Atlas. Mit ihm lässt sich künftig noch besser erforschen, wie Nervenzellen miteinander verschaltet sind und wie sie Informationen verarbeiten.

    Die Erdhummel Bombus terrestris gehört zu den häufigsten Hummelarten in Europa. Sie ist nicht nur in der Natur als Bestäuberin aktiv – der Mensch setzt sie auch in Gewächshäusern und Folientunneln ein, um gute Ernten bei Tomaten oder Erdbeeren zu bekommen.

    In der Wissenschaft wird die Erdhummel ebenfalls genutzt: „Der Grundlagenforschung dient sie zunehmend als Modellorganismus, um Lernen und Gedächtnis, das Sehsystem, Flugkontrolle und Navigationsfähigkeiten zu analysieren“, sagt Professor Keram Pfeiffer, Neurobiologe vom Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg.

    Pfeiffer erforscht die neuronalen Grundlagen der räumlichen Orientierung von Insekten. Zusammen mit seiner Doktorandin Lisa Rother und einem internationalen Team stellt er im Fachjournal Cell and Tissue Research jetzt den ersten Atlas eines Erdhummelgehirns vor, der auf computertomographischen (CT) Daten basiert.

    Beteiligt an der Arbeit waren auch Nadine Kraft und Emmy-Noether Gruppenleiter Dr. Basil el Jundi (beide JMU) sowie die Forscher Dr. Richard J. Gill und Dr. Dylan Smith vom Imperial College in London.

    Daten von zehn Hummelgehirnen gemittelt

    Zur Erstellung des Atlas nahm das Forschungsteam zehn Köpfe von Erdhummeln mittels Mikro-CT auf. Daraus extrahierte es zunächst die Bilddaten, die die Gehirne zeigen. In jedem dieser Bilddatenstapel wurden manuell 30 Gehirnregionen der Hummel dreidimensional rekonstruiert. Auf dem Hochleistungsrechner-Cluster Julia der JMU wurde dann aus den zehn Datensätzen eine Art „Standardgehirn“ berechnet, das auf den Mittelwerten basiert.

    Das Ergebnis kann man in der öffentlich zugänglichen Datenbank insectbraindb ansehen: https://hdl.handle.net/20.500.12158/SIN-0000010.3

    „Der Atlas dient Forschungsarbeiten, bei denen neuronale Schaltkreise analysiert werden. Die Funktionsprinzipien solcher Schaltkreise sind oft allgemeingültig, sie treten also zum Beispiel auch beim Menschen auf“, erklärt Pfeiffer.

    Mikro-CT bietet Vorteile

    Ähnliche Gehirnatlanten gibt es bereits von einer Reihe anderer Insektenarten. Sie alle haben aber nicht Mikro-CT-Aufnahmen als Datenbasis, sondern eine Kombination aus Immunfärbungen von Synapsenregionen und Konfokalmikroskopie.

    Gegenüber der Mikro-CT hat diese Technik zwei Nachteile: Erstens ist die Auflösung in der z-Richtung (von vorne nach hinten) viel geringer als die seitliche Auflösung. Zweitens muss ein Gehirn für Immunfärbungen präpariert werden. Dabei können vor allem die äußeren Hirnregionen beschädigt werden und sich in ihrer Lage verschieben.

    Die Mikro-CT erlaubt es, das Gehirn im Tier zu lassen. Dadurch bleiben alle Teile intakt und in ihrer natürlichen Lage. Zudem ist die Auflösung von Mikro-CT-Aufnahmen in allen Richtungen gleich. Das vereinfacht das spätere Einfügen neuronaler Daten und bietet mehr Details bei seitlicher Betrachtung.

    Ziel: Beide Methoden vereinen

    „Wir arbeiten zurzeit auch an einem Atlas des Hummelgehirns, der mit der herkömmlichen Methode der Konfokalmikroskopie erstellt wird“, sagt Pfeiffer. Diese Methode habe – jedenfalls im Moment noch – den Vorteil, dass der Kontrast und die Auflösung der Daten besser sind.

    Um die Vorteile aus beiden Methoden zu vereinen, wird der herkömmlich erstellte Atlas am Ende in den Mikro-CT-Atlas „hineingerechnet“. Das Ergebnis wird ein Atlas sein, der sowohl eine hohe Auflösung und einen hohen Kontrast als auch eine wirklichkeitsgetreue räumliche Lage der einzelnen Gehirngebiete zueinander bietet.

    Zur Färbung einzelner Nervenzellen stehen im Moment nur mikroskopische Standardmethoden zur Verfügung. Die hiermit erhobenen Daten können nur mit Einschränkungen in das Standardgehirn eingefügt werden. „Wir wollen daher Färbeprotokolle entwickeln, die es erlauben, neuronale Strukturen direkt mit Mikro-CT aufzunehmen“, kündigt der JMU-Neurobiologe an.

    Förderung

    Die beschriebenen Arbeiten wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem Imperial College London und dem Natural Environment Research Council NERC (UK) finanziell gefördert. Die Publikation als Open Access wurde im Rahmen des Projekts DEAL der Hochschulrektorenkonferenz ermöglicht.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Keram Pfeiffer, Professor für Neurobiologie am Lehrstuhl für Zoologie II (Verhaltensphysiologie und Soziobiologie), Biozentrum, Universität Würzburg, T +49 931 31-88510, keram.pfeiffer@uni-wuerzburg.de


    Originalpublikation:

    A micro-CT-based standard brain atlas of the bumblebee. Lisa Rother, Nadine Kraft, Dylan B. Smith, Basil el Jundi, Richard J. Gill, Keram Pfeiffer. Cell and Tissue Research, 28. Juni 2021, Open Access: https://doi.org/10.1007/s00441-021-03482-z


    Bilder

    3D-Modell des Hummelgehirns, basierend auf Mikro-CT.
    3D-Modell des Hummelgehirns, basierend auf Mikro-CT.
    Lisa Rother
    Universität Würzburg


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Biologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    3D-Modell des Hummelgehirns, basierend auf Mikro-CT.


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