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02.07.2021 10:00

Neue Ergebnisse: Salzwassereinbrüche können den Überdüngungsgrad der Ostsee nur wenig und nur vorübergehend verbessern

Dr. Barbara Hentzsch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde

    Mithilfe von Detailanalysen an Wasser- und Sedimentproben aus dem Gotlandbecken gelang es Warnemünder Geowissenschaftler:innen, die geochemischen Prozesse nachzuverfolgen, die nach dem Jahrhundert-Salzwassereinbruch von 2014/2015 abliefen. Ihr Fazit: Selbst sehr große Mengen an sauerstoffhaltigem Wasser bringen nur geringe und vorübergehende Verbesserungen für die Nährstoffsituation in der zentralen Ostsee. Bereits 1,5 Jahre nach dem Ereignis waren die Sauerstoffreserven im Gotland-Becken wieder verbraucht und absedimentiertes Phosphat ging wieder in Lösung. Im Sediment verblieben allerdings Anreicherungen von Spurenmetallen, die im Zusammenhang mit Salzwassereinbrüchen noch unbekannt waren.

    Sporadisch auftretende Einströme großer Mengen an salzhaltigem Nordsee-Wasser gelten als Hoffnungsträger, wenn es um die “toten Zonen” am Boden der zentralen Ostsee geht. Die sogenannten Salzwassereinbrüche bringen sauerstoffhaltiges Oberflächenwasser der Nordsee in die Ostsee, wo es aufgrund seiner - im Vergleich zum Brackwasser der Ostsee - höheren Dichte absinkt und am Boden bis in die zentrale Ostsee fließen kann. Dies ist der einzige Prozess, der innerhalb kurzer Zeit für eine Sauerstoffversorgung des Tiefenwassers sorgen und die Ausbreitung der “toten Zonen” eindämmen kann. Entsprechend groß war die Hoffnung, als im Dezember 2014 der drittgrößte Salzwassereinbruch seit 1880 sehr große Mengen an Salz und Sauerstoff in die Ostsee brachte.

    Sauerstoffzufuhr ermöglicht nicht nur eine erneute Belebung des Meeresbodens, sie löst auch eine Kette von Oxidationsprozessen aus, in deren Verlauf es zur Ausfällung von Phosphat-Verbindungen kommen kann. Dem Wasser wird auf diese Weise Phosphor entzogen, ein entscheidender Nährstoff, der neben Stickstoff für die Überdüngung und die daran gekoppelten sommerlichen Cyanobakterien-Blüten („Blaualgen“) in der Ostsee verantwortlich ist.

    Die Warnemünder Geowissenschaftler:innen Olaf Dellwig, Antje Wegwerth und Helge Arz nahmen diesen doppelt positiven Effekt der Salzwassereinbrüche zum Anlass, um ausgehend vom Ereignis im Dezember 2014 bis zum Herbst 2019 im Tiefenwasser und Sediment des Gotlandbeckens nach den Teilprozessen dieses Dominoeffektes zu forschen. Daten aus der Zeit vor der Belüftung standen zu Vergleichszwecken ebenfalls zur Verfügung.

    Drei Fragen trieben sie vorrangig um: (1) Wie effektiv ist die Phosphatfällung und damit die Abnahme dieses Nährstoffs im Tiefenwasser nach einem Salzwassereinbruch? (2) Gibt es im Laufe der Tiefenwasser-Belüftung Mineralneubildungen und bleiben sie beim Wiedereinsetzen von Sauerstoffmangel stabil? (3) Lassen sich solche Minerale in älteren Ablagerungen als Indikatoren für frühere Salzwassereinbrüche nutzen? Ihre Ergebnisse haben sie vor kurzem in der Fachzeitschrift Continental Shelf Research veröffentlicht.

     Innerhalb der gesamten Beobachtungszeit von mehr als 4,5 Jahren sank der Phosphat-Gehalt in der Wassersäule unterhalb einer Wassertiefe von 80 m verglichen mit den Werten vor dem Salzwassereinbruch nur um maximal 30%. Bereits 1,5 Jahre nach dem großen Belüftungsereignis 2014/2015 stellten sich wieder Bedingungen ähnlich der ursprünglichen Situation ein.
     Im Gegensatz zu den Salzwassereinbrüchen in den Jahren 1960 bis 1970 führte dieser Salzwassereinbruch im Tiefenwasser zu keiner nennenswerten Bildung von Mangan-Karbonat (Rhodochrosit), einem Mineral, das in älteren Ablagerungen als Zeuge für Salzwassereinbrüche genutzt wurde.
     Während Spurenmetalle wie Molybdän und Uran durch die Belüftung kurzfristig ins Wasser freigesetzt wurden, gelangten erhebliche Mengen an Kobalt in die Ablagerungen am Meeresboden.

    „Wir haben in datierten Sedimenten der letzten 70 Jahre gezielt nach diesem Muster aus Kobalt-Anreicherung bei gleichzeitiger Verarmung an Molybdän und Uran gesucht und fanden bestätigt, dass es seit den 1980er Jahren immer parallel zu den Salzwassereinbrüchen auftauchte“, erläutert Olaf Dellwig, Geochemiker am IOW. Seine Kolleg:innen und er freuen sich, mit dieser Kombination an Spurenmetallen nun auch vergangene Salzwassereinbrüche identifizieren zu können, die nicht durch den unsicheren Indikator der Mangan-Karbonat-Lagen aufgezeichnet wurden. Für das Ökosystem Ostsee ist das Ergebnis weniger erfreulich: Von sporadischen Salzwassereinbrüchen ist auch in Zukunft keine nachhaltige Verkleinerung der „toten Zonen“ und keine Reduzierung des Nährstoffinventars zu erwarten.

    Das IOW ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, zu der zurzeit 93 Forschungsinstitute und wissenschaftliche Infrastruktureinrichtungen für die Forschung gehören. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Bund und Länder fördern die Institute gemeinsam. Insgesamt beschäftigen die Leibniz-Institute etwa 19.100 MitarbeiterInnen, davon sind ca. 9.900 WissenschaftlerInnen. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Mrd. Euro. www.leibniz-gemeinschaft.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Olaf Dellwig | Tel.: 0381 – 5197 437 | olaf.dellwig@io-warnemuende.de
    Sektion Marine Geologie, Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde
    Kontakt IOW-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit:


    Originalpublikation:

    Dellwig, O., Wegwerth, A. and Arz, H.W., 2021. Anatomy of the Major Baltic Inflow in 2014: Impact of manganese and iron shuttling on phosphorus and trace metals in the Gotland Basin, Baltic Sea. Continental Shelf Research, 223: 104449. https://doi.org/10.1016/j.csr.2021.104449


    Bilder

    Olaf Dellwig und Helge Arz bei der Entnahme von Sedimentproben mithilfe eines Multicorer
    Olaf Dellwig und Helge Arz bei der Entnahme von Sedimentproben mithilfe eines Multicorer
    Laura Epp, Uni Konstanz


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Geowissenschaften, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Olaf Dellwig und Helge Arz bei der Entnahme von Sedimentproben mithilfe eines Multicorer


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