idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
14.07.2021 09:53

Kühlung einzelner Ionen über gekoppelte Schwingkreise

Dr. Bernold Feuerstein Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Kernphysik

    Mitglieder der Gruppe um Sven Sturm in der Abteilung von Klaus Blaum am MPIK präsentieren eine neuartige Technik, mit der man beliebige Ionen durch Kopplung an ein direkt lasergekühltes Ion in einer separaten Penningfalle effizient kühlen kann. Die Ergebnisse zeigen, wie ein gemeinsamer Schwingkreis die Kopplung drastisch verbessern kann und eröffnen die Perspektive, beliebige Ionen in Penningfallen auf einige Millikelvin zu kühlen.

    In Penningfallen können Ionen mittels magnetischer und elektrischer Felder im freien Raum prinzipiell unendlich lang gespeichert werden. Dies ist eine ideale Umgebung für Präzisionsmessungen fundamentaler Eigenschaften wie der Massen von Protonen und Elektronen oder ihrer magnetischen Momente. Sogar ein einzelnes gefangenes Ion kann entweder durch Wechselwirkung mit einem Laserstrahl „gesehen“ oder durch Aufzeichen der winzigen Ströme, die seine Bewegung in den Fallenelektroden induziert, ähnlich einem Mikrofon „gehört“ werden.

    Obwohl das Ion im Inneren einer Falle gut von äußeren Störeinflüssen isoliert ist, begrenzt die thermische Bewegung des Ions die Genauigkeit der Messungen. Daher ist es für weitere Fortschritte in der Präzision unerlässlich, das Ion so weit wie möglich abzukühlen. Eine leistungsfähige Methode dafür ist Laserkühlung, die jedoch auf nur wenige Ionenspezies beschränkt ist, die geeignete elektronische Übergänge aufweisen, die vom Laserlicht angesprochen werden können. Aber dieses Problem lässt sich umgehen: man kann ein beliebiges Ion durch Wechselwirkung mit einem anderen Ion, das für Laserkühlung geeignet ist, sympathetisch kühlen. Die sympathetische Kühlung beruht auf der natürlichen Coulombkraft. Leider beeinträchtigt das die Präzision, da die starke elektrostatische Abstoßung zwischen den Ionen deren Bewegung verändert.

    Schon vor Jahrzehnten schlugen die Wissenschaftler Heinzen und Wineland vor, alternativ die Ionen über die winzigen Ströme zu koppeln, die sie in den Fallenelektroden induzieren. Gruppenleiter Sven Sturm nennt ein anschauliches Beispiel: „Es ist so, wie wenn zwei Kinderschaukeln durch eine Feder lose gekoppelt sind; die Energie pendelt in diesem Aufbau langsam zwischen den Ionen. Wird die eine Schaukel verlangsamt, wird nach einiger Zeit auch die andere langsamer und kommt schließlich zum Stillstand“. Während die Abkühlung eines Ions auch die Temperatur seines Partners verringert, können die präzisionseinschränkenden Nebenwirkungen einer starken Abstoßung vermieden werden. Allerdings sorgen die von den Ionen induzierten winzigen Spannungen für eine sehr schwache Kopplung und damit für eine sehr langsame sympathische Kühlung.

    Über Schwungmasse gekoppelte Schaukeln

    Die von dem MPIK-Team vorgeschlagene neue Methode basiert auf der Idee, die Kopplungsstärke über einen zusätzlichen Schwingkreis resonant zu verstärken. Sven Sturm erklärt den Effekt anhand des obigen Bildes: „Es ist so, als würde man in der Mitte der Feder, die die beiden Kinderschaukeln verbindet, ein schwingendes Gewicht anbringen. Wenn die Schwingungsfrequenzen der Ionen (Kinder) ähnlich wie die des Resonators sind, beginnt der Resonator (die Schwungmasse) ebenfalls zu schwingen und verstärkt so die Kopplung drastisch. Sobald die Ionen jedoch kälter werden als der Resonator, beginnt dieser zu heizen und begrenzt die erreichbare Temperatur.“

    Die Physikerinnen und Physiker wählten eine optimierte Verstimmung der Frequenz der Ionen gegenüber dem Resonator, um das Heizen zu kontrollieren und gleichzeitig eine starke Kopplung zu erhalten. Sie koppelten zwei hochgeladene Ionen über einen gemeinsamen Resonator und maßen ihre Kopplungsstärke. Im Vergleich zu einer gewöhnlichen Penningfalle gewannen sie durch den Einsatz des zusätzlichen gekoppelten Resonators einen Faktor 760 an Kopplungsstärke. „Genauso wie man eine der gekoppelten Schaukeln nicht durch plötzliches Anhalten der anderen mit festem Griff abbremsen kann, sondern durch kontinuierliches Abbremsen, sollte man den stark kühlenden Laser nur alle paar Millisekunden kurzzeitig einschalten“, folgert Erstautor Bingsheng Tu. „So lässt sich effiziente sympathische Kühlung für fast jedes beliebige Ion erreichen.“

    In Zukunft könnte diese neue Technik den Weg zu neuen und faszinierenden Messungen ebnen, die es den Wissenschaftlern erlauben, das Bild von neuen Phänomenen in der Physik zu schärfen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Sven Sturm
    Tel.: +49 6221 516-447
    E-Mail: sven.sturm@mpi-hd.mpg.de

    Dr. Bingsheng Tu
    Tel.: +49 6221 516-289
    E-Mail: bingsheng.tu@mpi-hd.mpg.de


    Originalpublikation:

    Tank-Circuit Assisted Coupling Method for Sympathetic Laser Cooling
    Bingsheng Tu, Felix Hahne, Ioanna Arapoglou, Alexander Egl, Fabian Heiße, Martin Höcker, Charlotte König, Jonathan Morgner, Tim Sailer, Andreas Weigel, Robert Wolf, and Sven Sturm
    Adv. Quantum Technol. 2021, 2100029, DOI: 10.1002/qute.202100029


    Bilder

    Resonante Kopplung eines einzelnen Ions (rechts) und eines laser-gekühlten Ensembles von Ionen (links) in Penningfallen über einen leicht verstimmten Resonator.
    Resonante Kopplung eines einzelnen Ions (rechts) und eines laser-gekühlten Ensembles von Ionen (link ...

    MPIK


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Resonante Kopplung eines einzelnen Ions (rechts) und eines laser-gekühlten Ensembles von Ionen (links) in Penningfallen über einen leicht verstimmten Resonator.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).