Neue Analysenverfahren bieten höhere Lebensmittelqualität und mehr Sicherheit.
Ob Salmonellen oder Gentechnologie, Allergien oder BSE - Lebensmittel und ihre Inhaltsstoffe beherrschen die Schlagzeilen. Wie stellt die Industrie die Qualität von Lebensmitteln sicher? Können moderne Analysenmethoden dem Verbraucher Sicherheit vor Krankheitserregern geben? Wie lassen sich gentechnische Veränderungen in Lebensmitteln nachweisen? Erlaubt die Analytik die Erkennung von allergieauslösen-den Komponenten? Diese und weitere Fragen rund um das Thema Nahrung standen im Mittelpunkt des Infotages "Molekulare Analytik von Lebensmitteln" am 11. November 1998 bei der DECHEMA in Frankfurt mit mehr als 150 Teilnehmern aus Wissenschaft, Industrie und Behörden.
Mit den molekularbiologischen Methoden der Lebensmittelanalytik ist eine neue Ära für den Lebensmittelmarkt angebrochen, sagte Professor Ulf Stahl vom Fachgebiet Mikrobiologie und Genetik der TU Berlin und Vorsitzender des DECHEMA-Arbeitsausschusses Lebensmittelbiotech-nologie. Für mindere Qualität und Fälscher auf dem Rohstoffmarkt, die in dieser Branche das schnelle Geschäft machen wollen, ist da kein Platz mehr. Vor allem wird das Qualitätsbewußtsein beim Hersteller geschärft und die Sicherheit für den Verbraucher gesteigert.
Neue Analyseverfahren garantieren höhere Lebensmittelqualität und Produktsicherheit
Die molekularbiologischen Methoden basieren auf dem spezifischen Nachweis der genetischen Information von DNA und RNA, die für die entsprechenden Mikroorganismen und Viren, für Hefen und Schimmel-pilze oder gentechnisch veränderten Inhaltsstoffe typisch sind. Kennt man deren spezifische DNA-Abschnitte, so kann der Nachweis zur Rou-tinesache werden, so Dr. Kornelia Berghof, die diese Technik als Geschäftsidee für ihre 1990 gegründete Firma BIOTECON Gesellschaft für Biotechnologische Entwicklung und Consulting mbH in Berlin umsetzte.
Mit zwei Methoden, dem Gensondennachweis oder der PCR-Technik spüren sie Salmonellen, Listeria oder E. Coli auf, damit diese nicht durch Lebensmittelrohstoffe in die Nahrung eingeschleust und zu Krankheitsauslösern werden. Mit den bisherigen Tests dauert der Nachweis bis zu sechs Tagen. Cornelia Berghof ist zuversichtlich, daß die neue Technologie in ein bis zwei Jahren so weit sein wird, auch quantitative Untersuchungen routinemäßig in weniger als einem Tag zu bewältigen, was in der Lebensmittelverarbeitung zu deutlich frischeren Endprodukten führen würde. Für den qualitativen PCR-Nachweis gibt es zwar auch schon heute komplett entwickelte Systeme, Entwicklungsarbeit ist jedoch noch nötig, um zu verhindern, daß die DNA von toten Zellen die Ergebnisse verfälscht. Auch die Standardisierung solcher Testmethoden wird derzeit enorm vorangetrieben und soll europaweit vereinheitlicht werden.
Mit der PCR-Methode kann man jedoch auch ganz genau die Rohstoffqualität bei der Nahrungsmittelherstellung beurteilen - ein wichtiger Gesichtspunkt im Qualitätssicherungssystems von Nahrungsmittelherstellern, sagte Dr. Rolf Meyer vom Nestle Research Center in der Schweiz. So will der Verbraucher wissen, ob dem Schweinegehackten nicht auch Rindergehacktes beigemischt oder ob die teure Kaffeesorte mit minderwertigen Kaffeebohnen gestreckt wurde. Natürlich lassen sich mit der PCR-Technik auch Spuren gentechnisch modifizierter Inhaltsstoffe, z.B. in Soja oder Mais nachweisen. Das sei zum einen notwendig für die Beurteilung der eingekauften Rohstoffqualität, aber dann auch für den Einsatzbereich oder die damit erforderliche Kennzeichnungspflicht. Die aufwendigen molekularen Analysenmethoden würden derzeit allerdings erst in Forschungslaboren angewendet, "Viel Arbeit" verlange es noch, diese Verfahren praxistauglich zu machen.
In Deutschland seien derzeit drei Produkte mit gentechnisch modifizierten Inhalten in den Supermärkten, die selbstverständlich gekennzeichnet sind, so Professor Klaus-Dieter Jany von der Bundesforschungsanstalt für Ernährung in Karlsruhe. Dazu gehören der bereits durch die Medien ausgereizte aber gutschmeckende "Butterfinger", der Spuren von gentechnisch veränderten Soja enthalte, und zwei Tiefkühlgerichte asiatischer Geschmacksrichtung. In Großbritannien, den USA oder Japan seien bereits eine Vielzahl derartiger Produkte im Handel. Daß durch die Kennzeichnungspflicht dem Verbraucherwunsch nachgekommen werden müsse, darüber bestehe in Deutschland kein Zweifel und auch die EU-Verordnung schreibe dies vor. Daher würden auch neue Analyseverfahren immer wichtiger. Auf jeden Fall könne die molekulare Lebensmittelanalytik dank moderner biotechnologischer Entwicklungen diese Anforderungen erfüllen.
Durch neues Analyseverfahren gelangten BSE-Rinder nicht bis zum Verbraucher
Auch für die Verbreitung von infektiösen Prionerkrankungen durch die Nahrungskette , wie Rinderwahnsinn (BSE),) Creutzfeldt-Jacob Erkrankung (beim Menschen) oder Scrapie (bei Schafen) könnte bald Entwarnung angesagt werden. In der Prionics-AG in Zürich wurden diagnosti-sche Verfahren für das krankmachende Prionprotein entwickelt. Interessanterweise gibt es jedoch auch eine Normalform des Prionproteins, das bei allen Menschen wie auch bei Rindern vorkommt und analytisch differenziert werden kann.
In der aus der Universität Zürich ausgegründeten Gruppe um Dr. Bruno Oesch wurden neue Antikörper hergestellt, die im Westernblot-Antikörpertest zur Diagnose von BSE verwendet werden können. In einer Studie zusammen mit den schweizerischen Veterinärbehörden wurden kürzlich 3000 Schlachttiere innerhalb 6-7 Stunden getestet. Eines dieser Rinder wurde mit der neuen Methode als BSE-positiv identifiziert. Dank der hohen Schnelligkeit des Verfahrens gelang es, das Tier noch im Schlachthof auszusondern. Ohne diesen Test wäre das Fleisch verarbeitet und in die Nahrungskette gekommen.
Noch laufen diese Tests nicht flächendeckend und die Kosten belaufen sich auf ca. 50 Schweizer Franken pro Test, das entspricht etwa 1% des Gesamtpreises eines Schlachttieres. Man arbeite daran, die Analytik zu optimieren und zu automatisieren, sagte Oesch. Testpreise von 20 bis 30 DM strebe man dabei als realistisches Ziel an.
Wenn auch in Deutschland oder der Schweiz BSE eine Seltenheit sei, so identifiziere man in Großbritannien noch immer an die 200 an BSE erkrankte Rinder pro Monat. Die Krankheit sei stark rückläufig, das Maximum lag in den Jahren 1991 bis 1993 bei etwa 3000 Erkrankungen pro Monat. Nicht absehbar ist, ob in wenigen Jahren die Krankheit ausgerottet ist oder ob die Zahlen auf konstantem Niveau verharren. In vielen Ländern steigt derzeit die BSE-Rate noch, dies könnte aber auch daran liegen, daß moderne Tests dort erst seit kurzem verfügbar sind. Aber auch bei anderen Tierarten wie Hirschen, Elchen oder Schafen sind diese Probleme noch längst nicht ausgestanden.
Durch Gentechnik Lebensmittelallergien verhindern?
In den letzten Jahren wurde eine Zunahme von Lebensmittelallergien beobachtet, von denen in Deutschland nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen 1 bis 10% der Bevölkerung betroffen sind. Hinsichtlich der Allergene, die diese Krankheiten auslösen, bestehen noch Wissenslücken, jedoch handelt es sich bei den bisher identifizierten fast ausschließlich um Proteine oder Glycoproteine und somit um natürliche Bestandteile der Lebensmittel.
Je mehr man über die Allergene und die jeweils allergieauslösenden Abschnitte der entsprechenden Aminosäureketten weiß, um so größere Chancen bestehen, diese Allergene mit Hilfe der Gentechnik wegzuzüchten, sagte Professor Hans Steinhart vom Institut für Biochemie und Lebensmittelchemie der Universität Hamburg. In Deutschland wollen mehrere Forschergruppen das Problem angehen, solche Allergene auszuschalten, in Japan ist das bereits beim Reis gelungen.
Allerdings liegt ein Problem in der regional deutlich unterschiedlichen Allergieanfälligkeit. So belegen Studien, daß zum Beispiel in der Schweiz mit 43 % eine überaus hohe Allergieanfälligkeit gegenüber Sellerie besteht, gefolgt von Milch (16,4%) und Karotten (13,2%). Erdnußallergien liegen hier mit 1,5% relativ niedrig, während sie in Großbritannien eine außerordentlich große Rolle spielen. Bei den Amerikanern häufen sich Soja-Allergien und für die Deutschen sind u.a Kiwi, Äpfel, Kuhmilch und Hühnerei als häufigste Allergieauslöser unter den Lebensmitteln bekannt. Was die starken regionalen Unterschiede verursacht und wie man diesen beikommen könne, dafür gebe es weder eindeutige Erklärungen noch Patentrezepte.
Weitere Informationen:
Dr. Volker Rosenbaum
DECHEMA e.V., Referat Biotechnologie
Tel. 069/7564 262, Fax 069/7564 299
E-Mail: rosenbaum@dechema.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Informationstechnik
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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