Das Kolleg für Mitteleuropastudien der Viadrina ist am 13. November feierlich mit der Festrede von György Konrad, Präsident der Akademie der Künste, zum Thema "Ethnische Säuberung in Europa" sowie einer Ansprache von Rektor Hans N. Weiler und Prof. Karl Schlögel eröffnet worden. Ermöglicht wurde die Einrichtung des Kollegs durch das großzügige Engagement der Otto-Wolff-Stiftung, Köln.
Rektor Weiler betonte die Rolle der Europa-Universität Viadrina, die ausdrücklich mit dem Mandat wiedergegründet wurde, den Blick in Europa von Westen nach Osten zu lenken. In der Herausforderung dieses Brückenbaus, in dieser Wiederentdeckung einer anderen Form des Europäisch-Seins liege der eigentliche Auftrag dieser Universität an der Oder. An der Erfüllung dieses Auftrages, an dem hier erbrachten Beitrag zu einem neuen Verständnis Mittel- und Osteuropas werde diese Universität gemessen und gewogen. Prof. Schlögel stellte heraus, daß das 20. Jahrhundert auch das Jahrhundert der Flüchtlinge genannt wird. "Das gilt für die Region des mittleren und östlichen Europa in ganz besonderer Weise. Kaum eine Nation, die nicht ihre Flüchtlinge, ihre Umsiedler, Vertriebenen und Deportierten hat", erklärte Schlögel in seinem Vortrag. Schlögel selbst hat sich bereits mehrfach mit der russischen Flüchtlingsbewegung beschäftigt, vor allem mit den urbanen Zentren der mittel- und ostmitteleuropäischen Mischzonen. Die Viadrina bietet durch die große Nähe zum Tat- und Handlungsort des Geschehens, um das es geht, eine gute Basis für die Erforschung dieses Themas - ein Thema dessen Erforschung erst jetzt wirklich beginnt.
"Der Festredner der Eröffnung, der ungarische Romancier György Konrad, ehemaliger Präsident des Internationalen PEN-Clubs, Preisträger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels und derzeitiger Präsident der Akademie der Künste in Berlin ist deshalb so geeignet für das Thema der Ethnischen Säuberung in Europa, da er, wie kaum ein anderer europäischer Intellektueller und Schriftsteller um den Zauber, aber auch den Horror der mittel-, und osteuropäischen Geschichtsregion, die der Hauptschauplatz der großen Säuberungsbewegungen in Europa des 20. Jahrhunderts geworden ist, weiß", so Prof. Schlögel. Konrad sagte in seiner Festrede, das Recht des Menschen auf jenes Territorium, jene Siedlung, wo er lebt, wo er gelebt hat, wo seine Vorfahren gelebt haben, sei ein elementares und grundlegendes Menschenrecht. Die gewaltsame Trennung von seinem Wohnort sei halber Mord. "Mittel- und Osteuropa, inklusive des Balkans, ist das Land nationaler, ethnischer und religiöser Vermischung. Eine jede Grenzverschiebung verursacht hier Wunden und schneidet in etwas lebendiges, hier können die Grenzen nur als Schadensbegrenzung ein vernünftiges Ziel sein", sagte Konrad. "Daß der Mensch mit Gewalt vertrieben, von dort weggebracht werden kann, wo er lebt, dieser Brauch entspringt jenem politischen Wahnsinn, der mit den Etatismen des 20. Jahrhunderts einhergegangen ist, namentlich jener Vorstellung, daß der Staat über den einzelnen, über ein Volk verfügt, daß er Menschen umsetzen, zum Militärdienst, Mord und Ermordetwerden verpflichten darf", so Konrad.
Das CACES hat bereits seit dem 1. Oktober seine Arbeit aufgenommen. Acht junge Wissenschaftler aus Rumänien, der Ukraine, Litauen, Polen und Deutschland arbeiten für ein Jahr gemeinsam an dem Thema "Unmixing Europe - Ethnic Cleansing in the Memory of European Nations". In den nächsten Monaten werden die Mitglieder des Kollegs ihre Arbeiten diskutieren und an der Universität vorstellen. Für das erste Jahr ist Leiter des Kollegs Prof. Dr. Karl Schlögel, der an der Viadrina Geschichte Osteuropas lehrt. Die acht ausgewählten jungen Forscher - sogenannte Fellows - sind Postgraduierte, die im Internationalen Begegnungszentrum der Universität wohnen und arbeiten.
Innerhalb der Arbeit des Kollegs soll dem Umstand Rechnung getragen werden, daß 40 bis 50 Millionen Menschen in der Weltkriegsepoche ihre Heimat verlassen mußten. Das Ziel ist, ethnische Säuberung als Gesamterscheinung in Europa zu begreifen, nicht nur als Rahmen von Nationalgeschichten. Prof. Schlögel selbst bietet in diesem Semester an der Viadrina eine Vorlesung zum Thema: "Das Jahrhundert der Flüchtlinge - Ethnische Säuberung in Europa im 20. Jahrhundert" an. Mit dem Kolleg sollen die Grundlagen zur Erforschung dieser Thematik gegeben werden. Ein internes Seminar, ein öffentliches Kolloquium und eine Abschlußkonferenz am Ende des akademischen Jahres sind geplant. Das Kolleg soll eng mit dem neuen Studiengang "Vergleichende Mitteleuropastudien" am Collegium Polonicum zusammenarbeiten.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Sprache / Literatur, fachunabhängig
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Personalia, Wissenschaftspolitik
Deutsch
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