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09.08.2021 08:40

SAFARI auf Sansibar: Forschungsprojekt stärkt Selbstfinanzierung von Entwicklungsländern

Florian Klebs Hochschulkommunikation
Universität Hohenheim

    1,1 Mio. € Gesamtförderung: Kooperation der Universität Hohenheim und des norwegischen Chr. Michelsen Institut begleitet steuerpolitische Maßnahmen auf Sansibar

    Sansibar – türkisblaues Meer, Palmen und lange Sandstrände machen die Insel für viele zum Traumreiseziel. Steuern und Steuerbehörden zählen dagegen kaum zu den typischen Assoziationen. Diese Themen jedoch beschäftigen Prof. Dr. Nadja Dwenger von der Universität Hohenheim in Stuttgart im Hinblick auf Sansibar. Die Expertin für Finanzpolitik begleitet mit einer Studie die dortige Einführung einer Grundsteuer. Das Projekt SAFARI (Successful Advances in Fiscal ARchITecture) soll neue Ansätze für eine nachhaltige Verbesserung der Finanzeinkünfte von Entwicklungsländern aufzeigen. Das Projekt startete am 1. April und wird mit einer Gesamtfördersumme von 1,1 Millionen Euro vom Research Council of Norway gefördert. Kooperationspartner ist das Chr. Michelsen Institut in Norwegen.

    Steuererhebung und Steuereinnahmen sind fundamentale Bausteine bei der Finanzierung eines Staates. Ihre Bedeutung für eine stabile und erfolgreiche Volkswirtschaft untersucht Prof Dr. Nadja Dwenger, Leiterin des Fachgebiets Volkswirtschaftslehre, insb. Finanzwissenschaften an der Universität Hohenheim, in unterschiedlichen Zusammenhängen bereits seit mehreren Jahren.

    Auch ihr neuestes Projekt auf der Insel Sansibar beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Steuerpolitik. „Steuern und die Möglichkeit, Steuern einzunehmen, gehören zu den wichtigsten Einnahmequellen eines Staates, um die ihm übertragenen Aufgaben zu finanzieren“, erklärt sie ihr großes Interesse an diesem Forschungsfeld. Und während viele bei Sansibar vermutlich eher an Steuerparadies als an Steuererhebung denken, bietet die dortige Neueinführung einer Grundsteuer der Volkswirtin eine einzigartige Möglichkeit, diese wissenschaftlich zu begleiten und auszuwerten.

    Dabei geht es um die Fähigkeit des Staates, Steuern überhaupt einzunehmen, aber auch um Gerechtigkeitsüberlegungen von Steuerzahlern. „Wie bei allen meinen Forschungen ist mir auf Sansibar ein praxisbezogener Ansatz wichtig“, erläutert die gebürtige Reutlingerin. „Die Ergebnisse unserer Forschung werden z.B. den Entscheidungsträgern vor Ort zur Verfügung gestellt als Basis für zukünftige finanzpolitische Entscheidungen“, so Prof. Dr. Nadja Dwenger.

    Pandemie verschärft die Situation

    Bereits seit Längerem wächst der Druck auf die afrikanischen Regierungen, ihre inländischen Einnahmen durch die Erhöhung von Steuern oder die Einführung neuer Steuern zu steigern. In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara ist das Verhältnis von Steuereinnahmen zum Bruttoinlandsprodukt mit 10 bis 20% im Vergleich zu europäischen Ländern mit über 30% sehr niedrig. Hinzu kommt, dass die anhaltende Covid19-Pandemie die Finanzsituation der Subsahara-Staaten verschärft hat. Das Wirtschaftswachstum ist eingebrochen und die Steuereinnahmen sind gesunken bei gleichzeitig steigenden Staatsausgaben für Gesundheitssystem und Armutslinderung.

    Lösungsansatz für Entwicklungsländer

    Die Grundsteuer könnte ein besonders wichtiges Element sein, um die staatlichen Einnahmen zu erhöhen. Denn Immobilien sind als sichtbare Werte oft leichter als Steuerobjekt zu identifizieren als z.B. Vermögen oder Einkommen. Auf der zu Tansania gehörenden Insel Sansibar, wo das Verhältnis Steuereinnahmen zu BIP mit 11,8% besonders niedrig ist, begleitet das Forschungsprojekt deshalb die Einführung einer Grundsteuer.

    Dabei arbeiten Nadja Dwenger und ihr Team eng mit den Behörden vor Ort zusammen. Die schrittweise Implementierung einer neuen elementaren Steuer bietet ideale Voraussetzungen dafür, u.a. die Auswirkungen auf andere, bereits bestehende Steuern zu erkennen und messbar zu machen. Im Blickfeld der Untersuchung steht auch, welchen Einfluss die Einführung der neuen Steuer auf die allgemeine Wirtschaftsentwicklung der Insel nimmt. Weitere Umfragen und Feldexperimente dienen als Grundlage, um die Akzeptanz der Steuer und die Ehrlichkeit der Steuerpflichtigen zu analysieren.

    Die Forschungsergebnisse sollen neue Perspektiven für Entwicklungsländer eröffnen, die Finanzierung ihrer nationalen Anliegen eigenständig zu verbessern und somit die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen zu erfüllen. Die Erkenntnisse sollen außerdem bei zukünftigen Entscheidungen in der Entwicklungspolitik der Industrienationen Beachtung finden.

    Unterstützung aus Skandinavien

    Die Studie wird in Kooperation mit dem renommierten Chr. Michaelsen Institut aus dem norwegischen Bergen durchgeführt. Die Frage, warum gerade die Skandinavier aus dem kühlen Norden so großes Interesse an Steuern auf einer Urlaubsinsel im Indischen Ozean haben, bringt Nadja Dwenger zum Schmunzeln: „Im ersten Moment ist das Forschungsinteresse der Norweger an Sansibar vielleicht überraschend. Aber das Chr. Michelsen Institut ist derzeit das größte Zentrum für Entwicklungsforschung in Skandinavien und forscht weltweit.“ Norwegen unterhalte außerdem eine langjährige Länderpartnerschaft mit dem Festland Tansania. Deshalb wird dieses Engagement durch den Research Council of Norway mit einer Fördersumme von über einer Millionen Euro unterstützt.

    Zur Person

    Nadja Dwenger ist seit 2015 Professorin für Finanzwissenschaft an der Universität Hohenheim. Sie promovierte 2010 in Volkswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin. Von 2010 bis 2015 war sie als wissenschaftliche Referentin am Max-Planck-Institut für Steuerrecht und öffentliche Finanzen in München tätig. Die Expertin für Finanzpolitik berät regelmäßig öffentliche Institutionen, z.B das Bundesministerium für Finanzen und die Europäische Kommission. Als Gastwissenschaftlerin forschte sie an der University of California in Berkeley und an der Harvard University.

    Text: Christl


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Nadja Dwenger, Universität Hohenheim, Institut für VWL,
    T +49 711 459 22990, E fiwi@uni-hohenheim.de


    Weitere Informationen:

    https://www.uni-hohenheim.de/presse


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter
    Wirtschaft
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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