idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
17.08.2021 13:23

Wie Mikroben ein Klinikzimmer erobern

Dr. Uta von der Gönna Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universitätsklinikum Jena

    Ein Forschungsteam aus Jena und Berlin untersuchte über ein halbes Jahr lang, wie Bakterien Stationszimmer in einem Klinikneubau besiedeln. An der Türklinke, im Waschbecken und am Boden entwickeln die von den Menschen in den Raum getragenen Keime ein jeweils charakteristisches Artenspektrum. Darunter sind auch Krankheitserreger, deren Menge jedoch relativ konstant bleibt. In der jetzt im Fachblatt Microbiome erschienenen Studie untersuchten die Autoren die vorhandenen Bakterien auch auf Gensequenzen, die die Resistenz gegen Antibiotika vermitteln.

    Zu Beginn des Jahres 2017 nahm die Charité - Universitätsmedizin Berlin das Bettenhochhaus im Zentrum der Stadt nach einem kompletten Umbau wieder in Betrieb. Ein Forschungsteam des Universitätsklinikums Jena und der Charité nutzte die Gelegenheit, die Keimbesiedlung in Patientenzimmern einer neurologischen Station über 30 Wochen hinweg zu beobachten. Die Studie wurde im Rahmen des InfectControl-Verbundes vom Bundesforschungsministerium gefördert. „Wir stehen im ständigen Austausch mit dem uns umgebenden Mikrobiom. Im speziellen Fall von Krankenhäusern können die Umweltmikroorganismen die Genesung wesentlich beeinflussen. Deshalb ist das Verständnis dieser bakteriellen Gemeinschaftsstruktur von entscheidender Bedeutung für die Prävention von Krankenhausinfektionen und die Verbreitung von Antibiotikaresistenzgenen“, beschreibt Prof. Dr. Petra Gastmeier, Direktorin des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin an der Charité, die Studienmotivation.

    Beginnend vor der ersten Belegung der Stationszimmer und dann im Wochenrhythmus nahm das Projektteam an fest definierten Stellen auf dem Fußboden, im Waschbecken und an der Türklinke bakteriologische Proben. Ebenso wurden von den Patientinnen und Patienten Nasen-, Rektal-, Hand- und Ellenbeugenabstriche genommen, sowie Luftfeuchtigkeit und Raumtemperatur gemessen. Mit Hilfe von Sequenzierungsverfahren und PCR-Analysen bestimmte das Projektteam die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaften und deren Menge. Es erfasste auch Gensequenzen, die bekanntermaßen eine Resistenz gegen Antibiotika vermitteln. Im Anschluss erfolgte eine aufwändige bioinformatische Auswertung.

    Charakteristische stabile Keimspektren

    Deren Ergebnisse: Während der ersten zwei Monate des Patientenbetriebs änderte sich die Besiedlung der drei Untersuchungsorte entscheidend. Bakterienarten, die auf der Haut oder im Darm vorkommen, verdrängten einige Umweltkeime. Dabei nahmen sowohl die Artenvielfalt, als auch die bakterielle Biomasse zu. Es bildeten sich in den untersuchten Zimmern schnell stabile Keimspektren aus, die jeweils für die Türklinke, das Waschbecken bzw. den Fußboden charakteristisch sind. „Diese Veränderung in den vorhandenen Keimarten liegt klar im Austausch mit dem Mikrobiom der Patienten begründet“, so Erstautor Dr. Tilman Klassert von der Arbeitsgruppe Host Septomics am Jenaer Uniklinikum. „Erstaunlich war dabei, wie schnell etwa Keime des Hautmikrobioms den Boden und die Türklinke, bzw. Bakterien der Mundflora das Waschbecken besiedelten. Auf den verschiedenen Oberflächen der Patientenzimmer konnten stabile und standortspezifische Bakteriengemeinschaften schon fünf bis sieben Wochen nach Eröffnung der Station beobachtet werden.“

    Resistenzgene auf dem Boden nehmen zu

    Unter den Bakterienarten fanden die Wissenschaftler auch Krankheitserreger. „Im Beobachtungszeitraum stellten wir jedoch keine Zunahme der pathogenen Keime fest“, betont PD Dr. Rasmus Leistner vom Institut für Hygiene und Umweltmedizin an der Charité. Weniger beruhigend fiel die Analyse der Gensequenzen aus, die Bakterien resistent gegen Antibiotika werden lässt. Auf zwölf bekannte Resistenzgenesequenzen untersuchte das Studienteam die Proben. Während es auf Türklinken und in Waschbecken bei einzelnen positiven Befunden blieb, häuften sich mit der Zeit die auf dem Boden gefundenen Resistenzgene.

    „Wir müssen davon ausgehen, dass diese den Weg in Krankheitserreger finden könnten“, so Prof. Dr. Hortense Slevogt, die Leiterin der Arbeitsgruppe in Jena. „Deshalb sollten wir dringend die Frage klären, warum diese Gene auf dem Boden immer mehr werden können und welche Übertragungsmechanismen für Resistenzgene vorhanden sind.“ Mit dem Test verschiedener Reinigungsregimes hat sich das Studienteam schon auf die Antwortsuche gemacht.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Hortense Slevogt
    Arbeitsgruppe Host Septomics, Universitätsklinikum Jena,
    E-Mail: Hortense.Slevogt@med.uni-jena.de
    https://www.septomics.de/de/host-septomics.html


    Originalpublikation:

    Klassert T.E., et al: Bacterial colonization dynamics and antibiotic resistance gene dissemination in the hospital environment after first patient occupancy: a longitudinal metagenetic study Microbiome 9, 169 (2021). https://doi.org/10.1186/s40168-021-01109-7


    Weitere Informationen:

    Video abstract


    Bilder

    Schon nach wenigen Wochen besiedeln stabile und standortspezifische Bakteriengemeinschaften Türklinke, Waschbecken und Fußboden eines neuen Klinikzimmers.
    Schon nach wenigen Wochen besiedeln stabile und standortspezifische Bakteriengemeinschaften Türklink ...
    AG Host Septomics
    Universitätsklinikum Jena


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Schon nach wenigen Wochen besiedeln stabile und standortspezifische Bakteriengemeinschaften Türklinke, Waschbecken und Fußboden eines neuen Klinikzimmers.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).