Veränderungen in Geschäftsmodellen oder Produktionsweisen haben in den letzten 40 Jahren immer wieder Fragen nach der Zukunft der Facharbeit aufgeworfen. 'Industrie 4.0' hat diese Frage erneut auf die Agenda sozialwissenschaftlicher Debatten setzen lassen. Doch was ist dran am häufig beschworenen radikalen Wandel? Zu dieser Frage ist aktuell Volker Baethge-Kinskys (Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen) Beitrag „Zur Zukunft der Facharbeit in der digitalisierten industriellen Produktion“ erschienen. Die ihm zugrundeliegende Studie zeigt, wie Facharbeit und deren Qualifikation sich in der digitalisierten Produktion verändern und wo deren Kontinuitäten liegen.
Spätestens mit Beginn der jüngsten Digitalisierungswelle in den Jahren 2011ff. stehen Fragen nach der Zukunft industrieller Facharbeit wieder auf der Tagesordnung. Braucht man den Facharbeiter noch oder wird dieser Beschäftigtentyp zunehmend überflüssig? Und muss er dann nicht in erster Linie über informationstechnische Kenntnisse und weitreichende theoretische Grundlagen verfügen? Zahlreiche sozialwissenschaftliche Beiträge der letzten 10 Jahre kamen hier zu eher pessimistischen Einschätzungen. Sie verwiesen auf die Ersetzbarkeit praktischen Erfahrungswissens durch den Einsatz künstlicher Intelligenz oder neue Aufgabenstellungen in der Produktion, auf die eine betriebliche Ausbildung typischerweise nicht vorbereitet.
Baethge-Kinsky kommt zu einem anderen Befund. Als Ergebnis einer eingehenden Untersuchung von Digitalisierungsfällen in der Produktion hält er fest: „Die jüngste Welle hat keinen radikalen Wandel von Aufgabenprofilen, Arbeitsbedingungen und Kompetenzanforderungen von Facharbeit hervorgebracht. Deren traditioneller Qualifikationskern von beruflich strukturiertem Theorie- und Praxiswissen bleibt unverzichtbar, muss fachlich aber um eine IT-Komponente ergänzt werden.“
Dabei unterstreicht der Göttinger Soziologe einen wichtigen Aspekt: „Nicht zu übersehen ist, dass wichtige Bestandsvoraussetzungen industrieller Facharbeit erodieren, denen bislang weder arbeitsorganisatorisch noch ausbildungssystematisch ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Es fehlt vielfach an betrieblichen Konzepten lernförderlicher Arbeit, die in der digitalisierten Produktion die zunehmenden Schwierigkeiten 'automatischen' Erwerbs von Erfahrungswissen überwinden helfen könnten.“ Erforderlich sei aber auch die systematische Vermittlung eines für die Optimierung digitalisierter Produktionssysteme benötigten, stärker wissensorientierten Denk- und Lernhabitus im Rahmen eines verbindlichen Aus- und Weiterbildungscurriculums, das insbesondere Hochschulbildung einschließt.
Weitere Ergebnisse der Studie sind jüngst in einem Sammelband des SOFI zu „Digitalisierung und Arbeit“ im Campus Verlag erschienen. Der Band stellt Ergebnisse unterschiedlicher SOFI-Studien zum Thema Digitalisierung zusammen.
Veröffentlichung: Baethge-Kinsky, Volker: Zur Zukunft der Facharbeit in der digitalisierten industriellen Produktion. In: Buss, Klaus-Peter; Kuhlmann, Martin; Weißmann, Marliese; Wolf, Harald; Apitzsch, Birgit (Hrsg.) (2021): Digitalisierung und Arbeit. Triebkräfte – Arbeitsfolgen – Regulierung. Frankfurt a. M. und New York: Campus, S. 209-234.
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37085 Göttingen
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