idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
01.09.2021 11:31

Alarmierend: Resistenzen gegen eine neue Wirkstoffkombination schon vor dem Einsatz in Deutschland nachweisbar

Karola Neubert Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Zentrum für Infektionsforschung

    Enterobakterien wie Escherichia coli sind gefürchtete Krankenhauskeime, die schwere Infektionen verursachen können. Die Infektionsgefahr wächst, denn sie werden zunehmend resistent gegen eine Gruppe von Antibiotika, die eigentlich die entscheidende Reserve für den Notfall ist: die Carbapeneme. Eine neue Kombination von zwei antimikrobiellen Substanzen galt als Hoffnungsträger – doch eine Studie an der Justus-Liebig-Universität (JLU) und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) machte diese Hoffnung nun zunichte. Schon vor dem Einsatz der Substanzen in Deutschland konnten die Wissenschaftler:innen Bakterien finden, denen diese neue Kombination nichts mehr anhaben kann.

    2017 gab die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Liste von zwölf multiresistenten Krankheitserregern heraus, für die dringend neue Wirkstoffe benötigt werden. Höchste Priorität haben Acinetobacter baumannii und Pseudomonas aeruginosa sowie die genannten Enterobakterien, die gegen Carbapeneme resistent sind. Für sie gilt eine neue Kombination aus zwei antimikrobiellen Substanzen – Aztreonam und Avibactam – als Hoffnungsträger.

    Hoffungsträger gegen spezifische Resistenzen
    „Aztreonam-Avibactam ist eine Kombination aus einem älteren Antibiotikum – Aztreonam – mit einem neueren Hemmstoff – Avibactam –, der die Wirksamkeit der Resistenz gegen Carbapeneme aufheben kann und so die Bakterien wieder angreifbar macht“, erklärt Dr. Can Imirzalioglu, DZIF-Wissenschaftler am Institut für Medizinische Mikrobiologie der JLU und Mitautor der Studie. Eine gute Wirksamkeit wird besonders bei Enterobakterien erwartet, deren Resistenzmechanismus auf einem bestimmten Typ von Carbapenemase-Enzymen beruht. Bisher sind Infektionen mit solchen Carbapenem-resistenten Erregern oftmals nur sehr schwer zu behandeln, da die Therapieoptionen mit vorhandenen Antibiotika stark eingeschränkt oder sogar gar nicht mehr gegeben sind“, ergänzt der Forscher.

    Derzeit ist die fixe Kombination dieser beiden Substanzen als Therapie noch nicht frei verfügbar und wird nur in klinischen Studien eingesetzt. In Europa gehören unter anderem Griechenland und Italien zu Ländern, die ihre Hoffnungen auf die Kombination von Aztreonam und Avibactam setzen, da dieser Carbapenemase Typ dort weiter verbreitet ist als in Deutschland. Das Vorkommen Carbapenem-resistenter Erreger steigt aber weltweit stetig an. Vor diesem Hintergrund konnte das Team um den Resistenzforscher Prof. Dr. Patrice Nordmann an der Universität Fribourg (Schweiz) Mechanismen identifizieren, die zu Resistenzen gegen Aztreonam-Avibactam führen und auch schon Erreger nachweisen, die diese besitzen. „Diese Resistenz entsteht durch eine spezifische Kombination aus Veränderungen in vorhandenen Strukturen der Bakterien in Verbindung mit dem Erwerb bestimmter Resistenzgene“, beschreibt Dr. Yancheng Yao, Mitautor der Studie und DZIF Wissenschaftler am Institut für Medizinische Mikrobiologie der JLU Gießen die Mechanismen.

    Studie weist frühe Resistenzen in Deutschland nach
    In einer Kooperation mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Fribourg konnten die Gießener nun mittels einer Genomanalyse von Bakterien, die im Rahmen einer Surveillance-Studie für hochresistente Erreger in Hessen (SurvCARE) durchgeführt wurde, erstmals solche Erreger auch in Deutschland nachweisen. „Das ist besorgniserregend, denn diese Wirkstoff-Kombination wird hier noch nicht klinisch eingesetzt“, erklärt Prof. Dr. Trinad Chakraborty, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie der JLU und Co-Koordinator des Forschungsbereichs Krankenhauskeime und Antibiotika-resistente Bakterien des DZIF. „Alarmierend ist hierbei auch die Tatsache, dass diese Resistenz auch bei Bakterien gefunden wurde, die in Deutschland sehr häufig vorkommende Carbapenemasen tragen. Dadurch werde das Potenzial von Aztreonam-Avibactam als Initialtherapie deutlich eingeschränkt. „Die Erwartung als Hoffnungsträger-Kombination bei Infektionen mit Carbapenem-resistenten Erregern kann möglicherweise nicht erfüllt werden“, so die Bilanz des Wissenschaftlers.

    Die nun im Fachjournal „Antimicrobial Agents and Chemotherapy“ veröffentlichte Studie zeigt aber auch die Bedeutung der Genom-basierten Surveillance solcher Erreger. „Die Genom-basierte Analyse hochresistenter Erreger ist nicht nur für die Analyse von Ausbruchssituationen oder Übertragungsereignissen wichtig, kontinuierlich angewendet, erfüllt sie eine wichtige Wächterfunktion zur frühzeitigen Entdeckung neuer Resistenzentwicklungen und neu auftretender Erreger“, betont Prof. Dr. Linda Falgenhauer, Mitautorin der Studie, DZIF-Wissenschaftlerin und Professorin für Ge-nombasierte Surveillance und Epidemiologie multiresistenter Erreger am Institut für Hygiene und Umweltmedizin der JLU. Hierbei ließen sich die erhobenen Daten in digitaler Form in Kooperationen leicht austauschen, um schnell wichtige Entwicklungen von überregionaler oder internationaler Relevanz sichtbar zu machen.

    Die Studie unterstreicht einmal mehr auch die Bedeutung der Entwicklung neuer Antibiotika, die einen Schwerpunkt im DZIF darstellt. Das DZIF ist Gründungsmitglied der jüngst gebildeten Initiative INCATE, mit der die Pipeline für neue Medikamente gefüllt werden soll.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Trinad Chakraborty
    Institut für Medizinische Mikrobiologie
    Justus-Liebig-Universität &
    Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF)
    T: +49 641 99-41250
    E-Mail: Trinad.Chakraborty(at)mikrobio.med.uni-giessen.de


    Originalpublikation:

    Nordmann P, Yancheng Y, Falgenhauer L, Sadek M, Imirzalioglu C und Chakraborty T: Recent emer-gence of aztreonam-avibactam resistance in NDM and OXA-48 carbapenemase-producing Esche-richia coli in Germany
    Antimicrobial Agents and Chemotherapy 23. August 2021:
    https://journals.asm.org/doi/10.1128/AAC.01090-21


    Bilder

    Das stäbchenförmige Escherichia coli-Bakterium kann schwere Infektionen verursachen (rasterelektronenmikroskopische Aufnahme).
    Das stäbchenförmige Escherichia coli-Bakterium kann schwere Infektionen verursachen (rasterelektrone ...

    NIAID


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Das stäbchenförmige Escherichia coli-Bakterium kann schwere Infektionen verursachen (rasterelektronenmikroskopische Aufnahme).


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).