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04.09.2021 12:05

Kurt Biedenkopf - Ausnahmepolitiker, begnadeter Wissenschaftler und Beförderer der HHL

Eva Echterhoff Media Relations
HHL Leipzig Graduate School of Management

    Nachruf der Handelshochschule Leipzig (HHL) auf ihren Ehrensenator und Ehrendoktor

    „Wir haben die HHL erweckt aus einem ‘Verkümmert-Sein‘. Und das, was dabei herausgekommen ist, ist großartig. Es war eine gute Entscheidung, die HHL wieder zum Leben zu erwecken und ihr die Chance ihrer Erneuerung zu bieten.“

    Kurt Biedenkopf 2012 in einem Interview für die HHL

    Ohne Kurt Biedenkopf gäbe es die HHL nicht. Der erste Ministerpräsident des wieder neu gegründeten Sachsens, hatte sich Anfang der 1990er Jahre dafür entschieden, der HHL Graduate School of Management in ihrer heutigen Form das Leben einzuhauchen. Der Ausnahmepolitiker Biedenkopf war aus der Wissenschaft gekommen und sein Weg führte immer wieder in die Academia hinein.

    Von der Academia in die Politik, von der Politik in die Academia und zurück
    Prof. Dr. jur. Biedenkopf hatte schon in jungen Jahren eine steile akademische Karriere vorzuweisen. Nach seinem Jurastudium an der Georgetown University, wo er promovierte und habilitierte, wurde Kurt Biedenkopf an der Ruhr-Universität Bochum als 37-Jähriger der jüngste Hochschulrektor der Bundesrepublik. In den 70er Jahren eroberte er rasant die politische Bühne, wurde CDU-Generalsekretär. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl hatte die Brillanz Biedenkopfs und die visionäre Tragweite seiner Ideen erkannt. Doch in den achtziger Jahren zog sich Kurt Biedenkopf aus der Politik zurück.

    Der erste deutsche Gastprofessor nach der Wende
    Es war nicht die Politik, sondern die Academia, die Kurt Biedenkopf nach Sachsen führte. Die Mauer in Deutschland war gerade erst gefallen, da kam er als erster deutscher Gastprofessor nach Leipzig, um eine Antrittsvorlesung zu halten. 1990 übernahm er eine Professur für Volkswirtschaftslehre an der Universität Leipzig und kurz darauf regierte er den Freistaat Sachsen.
    Von 1990 bis 2002 war Kurt Biedenkopf Ministerpräsident in Sachsen. Mit ihm als Spitzenkandidat hatte die CDU hier die absolute Mehrheit erhalten. Die Sachsen nennen ihn: „König Kurt“. Obwohl er aus dem Westen des über 50 Jahre lang geteilten Deutschlands kam, schaffte er es, die Herzen der Menschen im Freistaat zu erobern. Für die Wissenschaft in Sachsen war Prof. Biedenkopf ein Glücksfall – und
    besonders für die HHL.

    In seinen Tagebüchern schreibt Biedenkopf im Dezember 1992 über ein Treffen mit dem Wirtschaftsprofessor Günter Nötzold:

    „Günter arbeitet an der Gründung der Handelshochschule in Leipzig mit. Er will, wie ich, dass diese private Einrichtung nicht zu einer Schule für Betriebswirte degeneriert, sondern eine Eliteausbildung anbietet.“
    (K. Biedenkopf: „Ringen um die innere Einheit“, S.98)

    Vor Freunden und Förderern der Handelshochschule stellte Biedenkopf im Juni 1993 heraus „(…), dass die Universitäten eine kaum zu überschätzende Bedeutung für die Qualität und Leistungsfähigkeit des Landes als Ganzes haben“. Er setzte sich dafür ein, die sächsische Hochschullandschaft zu reformieren, ohne die Fehler der alten Bundesrepublik zu wiederholen.

    „Wir möchten die Möglichkeit haben, die Universitäten so aufzubauen, dass sie nicht all die Ursachen für die Probleme in sich tragen, die in Westdeutschland jetzt sichtbar geworden sind. Das heißt: wir wollen den Neuaufbau zugleich als eine Chance für die Entwicklung von Alternativen verstanden wissen“.
    Biedenkopf, Juni 1993, Rede in der alten Handelsbörse vor Freunden und Förderern der HHL

    In diesem Zusammenhang sagte er, er sei sicher, „dass wir mit der neuen Handelshochschule nicht nur viele gute Gelehrte und exzellente Studenten, sondern auch Frauen und Männer und Institutionen finden, die mit uns die Überzeugung teilen, dass die Handelshochschule unverzichtbar ist“.

    „Als erster Ministerpräsident nach der Wiedergründung des Freistaats Sachsen hat Kurt Biedenkopf den Grundstein für die Neuausrichtung der sächsischen Hochschulen gelegt. Seine Vision war es, Sachsen auch auf dem Gebiet der Wissenschaft wieder an die Spitze zu führen. Er hat frühzeitig erkannt, welche Bedeutung Forschung und Entwicklung für eine erfolgreiche Landesentwicklung, wirtschaftlichen Aufschwung, Wohlstand und Arbeit haben.“
    Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Leipzig im April 2021

    Beförderer der HHL
    Dem Ministerpräsidenten Biedenkopf war es ein echtes Anliegen, die traditionsreichste betriebswirtschaftliche Hochschule Deutschlands zu erhalten und neu aufzustellen. In einem Interview 2012 sprach er über seine Verbindung zur HHL:

    „Ich denke da zuerst einmal an die große Vergangenheit der HHL. Sie ist auf die Initiative von Kaufleuten und der Industrie- und Handelskammer bis ans Ende des 19. Jahrhunderts zurückzuführen. Wir haben die HHL erweckt aus einem ‘Verkümmert-Sein‘. Und das, was dabei herausgekommen ist, ist großartig. Wenn man heute die vielen Studenten, die Fakultät und den neuen Rektor dieser Schule sieht. Oder wenn man die breite Anerkennung der Hochschule durch zahlreiche Beurteilungen sieht, bedeutet das – es war eine gute Entscheidung, die HHL wieder zum Leben zu erwecken und ihr die Chance ihrer Erneuerung zu bieten.“

    Biedenkopf wollte, dass die neu entstehende HHL Generalisten ausbildet. Das war das Ergebnis eines Brainstormings in seiner Dresdner Wohnung zum inhaltlichen Konzept der neuen HHL. Im Februar 1993 formulierte der Ministerpräsident in einem Schreiben an den Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig, dass ihm an der Wiederherstellung der Handelshochschule sehr viel liege, weil sie als eine Institution in freier Trägerschaft äußerst effektiv zur Ausbildung von Führungseliten beitragen könne.

    Zeit ihres Lebens erfuhr die HHL die Unterstützung Biedenkopfs auf unterschiedlichste Weise: Biedenkopf hielt nicht nur Reden bei Veranstaltungen der HHL, er trat auch als Dozent vor HHL-Studierenden auf, beispielweise zum Thema „Leadership, Business, Ethics and Technology“ auf und wirkte aktiv bei studentischen Initiativen wie der Weltmeisterschaft in Verhandlungsführung mit. 2008 wurde Prof. Biedenkopf wegen seiner großen Verdienste für Wissenschaft und Kultur im Allgemeinen und für die Handelshochschule Leipzig im Besonderen mit der Ehrendoktorwürde der HHL ausgezeichnet. Biedenkopf sagte damals: „Der Freistaat Sachsen kann sich sehr glücklich schätzen, Standort der HHL zu sein." Später verlieh ihm die HHL auch ihre höchste akademische Auszeichnung als Ehrensenator der HHL.

    HHL-Rektor Prof. Dr. Stephan Stubner:
    „Professor Biedenkopf war wegweisender Initiator für die Wiedergründung unserer universitären Hochschule im Jahre 1992 in der Tradition der 1898 errichteten Handelshochschule Leipzig. Er war begeisternder Dozent und Mentor, Redner und Unterstützer unserer Studierenden. Er hat die Entwicklung der HHL maßgeblich geprägt.“

    Die politische Laufbahn endet, die Wissenschaft bleibt

    Kurt Biedenkopf prägte den Freistaat nachhaltig. Innerhalb von nur acht Jahren schaffte er es, Sachsen aus einer desolaten Wirtschaftslage herauszuführen an die Spitze der neuen Länder. Dank seiner Kontakte und durch kluge Ansiedlungspolitik kamen Großkonzerne der Chip- und Autoindustrie in den Freistaat.
    Auch nach seiner Amtszeit war sein Rat als Politiker und Wissenschaftler gefragt. Seine Leidenschaft für die Academia lebte er Zeit seines Lebens aus. In Dresden gründete er eine eigene Universität, hatte eine Forschungsprofessur in Berlin inne und war bis zum Schluss gern gesehener Gast auf vielen Veranstaltungen.
    Sein letzter großer öffentlicher Auftritt fand in Leipzig statt und galt folgerichtig der Academia. Im April 2021 wurde Kurt Biedenkopf - mit 91 Jahren - für seine Verdienste um die ostdeutsche Hochschullandschaft mit der Ehrendoktorwürde der Universität Leipzig gewürdigt.


    Weitere Informationen:

    http://www.hhl.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, jedermann
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
    überregional
    Personalia
    Deutsch


     

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