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18.11.1998 08:49

Archäologie ohne Ausgrabungen

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Jeder Türkei-Reisende kennt antike Städte und Heiligtümer wie Pergamon und Ephesos, die durch Ausgrabungen und Restaurierungen gut erforscht sind und für Besucher erfahrbar gemacht wurden. Jedoch repräsentieren diese Orte nur einen kleinen Ausschnitt, denn über die meisten anderen antiken Städte Kleinasiens ist bis heute kaum etwas bekannt.

    Das Wissen über antike Siedlungen kann mit Hilfe eines sogenannten archäologischen Surveys auf eine breitere Basis gestellt werden. Diese Methode habe sich in den vergangenen Jahren als zunehmend erfolgreich erwiesen, sagt Dr. Winfried Held vom Lehrstuhl für klassische Archäologie der Universität Würzburg. Im Gegensatz zur Ausgrabung beschränkt sich ein Survey auf Befunde und Funde, die an der Oberfläche des Geländes sichtbar sind.

    Dr. Held und seine Mitarbeiter erforschen mit der Survey-Methode die antike Stadt Loryma in der heutigen Türkei: Systematisch begehen sie das Areal, führen Vermessungen der sichtbaren Mauern durch und dokumentieren die an der Oberfläche vorhandene Keramik. Damit gehe man zwar - im engsten Sinn - nicht so sehr in die Tiefe wie bei einer Ausgrabung, doch erlaube der vergleichsweise geringe Aufwand eine größere Breite der Untersuchung: Auf diese Weise lasse sich auch in einem größeren Gebiet Siedlungsarchäologie betreiben.

    Loryma eignet sich laut Dr. Held besonders gut für einen Survey. Die Stadt liegt an der Spitze einer Halbinsel im äußersten Südwesten der Türkei, der sogenannten karischen Chersones, unmittelbar gegenüber von Rhodos. In der Bucht von Loryma, einem geräumigen Naturhafen, liegen außer der ummauerten Stadt auch zwei Heiligtümer sowie eine große Festung an der Hafeneinfahrt. Die Ruinen von Loryma sind so gut erhalten, daß es möglich ist, ohne jede Ausgrabung einen fast vollständigen Plan der Stadt zu zeichnen.

    Wie Dr. Held aus der Oberflächenkeramik ersehen konnte, stammen die antiken Mauern aus dem 6. bis 2. Jahrhundert vor Christi Geburt. Danach wurde Loryma verlassen. Hinzu kommt eine kurzfristige Nutzung als Arsenal in frühbyzantinischer Zeit. Weil die Bauten damals neben den antiken Ruinen errichtet wurden, ist eine Trennung dieser beiden Phasen schon ohne Ausgrabung möglich.

    Der Würzburger Archäologe, dessen Untersuchungen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert werden, hat die antiken Strukturen vermessen und einen genauen Plan erstellt. Gleichzeitig wurden Keramik und Kleinfunde gesammelt und dokumentiert. Erschwert wird die Arbeit dadurch, daß die Ruinen sich sehr abgelegen in einer fast unbewohnten Bucht befinden und nur mit dem Boot zu erreichen sind. Strom, Telefon und andere Dinge des modernen Lebens gibt es dort nicht.

    Doch all das bedeutet auch wieder einen Vorteil: "Loryma ist vor Raubgräbern geschützt, vor allem aber auch vor der Tourismusindustrie, der schon viele antike Stätten zum Opfer gefallen sind", wie Dr. Held sagt. Vor Ort behelfen sich die Wissenschaftler mit einem Zeltlager als Unterkunft und mit einem Sonnenmodul als Stromquelle für die Elektronik der Vermessungsgeräte.

    Ihre Dokumentation soll neue Erkenntnisse über die kaum bekannte Geschichte und Kultur von Loryma und der karischen Chersones liefern. Dort hatte sich die einheimische Bevölkerung einst zu einem Städtebund zusammengeschlossen, der bis zum 5. Jahrhundert v. Chr. selbständig gewesen sein dürfte. 408 v. Chr. wurde auf der gegenüberliegenden Insel die griechische Stadt Rhodos gegründet, die sich dann die karische Chersones unterwarf. Davon zeugt in Loryma beispielsweise die große Hafenfestung: Zu ihr gehört ein Felsaltar des in Rhodos verehrten Gottes Zeus Atabyrios - dies weist die Rhodier als Bauherren aus.

    Mit der Förderung durch die DFG konnten frühere, vom Deutschen Archäologischen Institut, Abteilung Istanbul, unterstützte Aktivitäten in Loryma fortgesetzt werden. Dr. Held wird den Survey in Zusammenarbeit mit den Berliner Forschern PD Dr. Albrecht Berger (byzantinische Phase) und Dr. Alexander Herda (Hafenfestung, Keramik und Kleinfunde) auswerten. An den Arbeiten vor Ort sind außerdem Studierende der klassichen Archäologie, Architektur und Geodäsie beteiligt.

    Weitere Informationen: Dr. Winfried Held, T (0931) 31-2593, Fax (0931) 13037, E-Mail:
    winfried.held@mail.uni-wuerzburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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