Wie gut Menschen Emotionen in der Stimme wahrnehmen und ob dies mit Musikalität in Verbindung steht, das erforscht Christine Nussbaum vom Institut für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität. In einem Systematic Literature Review hat sie zunächst die Forschungslage dazu erfasst. In einer ergänzenden Laborstudie untersucht die Psychologin, was bei der Wahrnehmung von vokalen Emotionen im Gehirn passiert.
Die Stimme kann zittern, gefrieren, barsch oder säuselnd sein. Ihr reiner Klang transportiert Emotionen. Aber wie gut erkennen Menschen diese Emotionen in der Stimme? Und wird diese Fähigkeit von der Schulung des Gehörs beeinflusst? Das erforscht Christine Nussbaum vom Institut für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena. In einer aktuellen „Überblicksstudie“, einem sogenannten Systematic Literature Review, hat sie zunächst die Forschungslage zur Wahrnehmung von Emotionen in der Stimme im Zusammenhang mit Musikalität erfasst und darüber hinaus Forschungslücken herausgearbeitet. Ihre Forschungsergebnisse präsentiert Nussbaum im Fachjournal „Emotion Review“.
Musizierende nehmen Emotionen besser wahr
Frühere Studien belegen bereits einen Zusammenhang zwischen Musikalität und der Emotionswahrnehmung in der Stimme. Parallelen zwischen der Stimme und Musik – etwa die Tonhöhe, Klangfarbe, Geschwindigkeit und Lautstärke – könnten ein Grund dafür sein, dass Musizierende Emotionen in der Stimme besser wahrnehmen als unmusikalische Menschen. Ob musikalische Tätigkeiten und damit verbundenes Training die Wahrnehmung der Emotionen sogar verbessern, das ist noch unklar. „Möglicherweise haben Personen, die sich als musikalisch erweisen, eine bessere angeborene Sensitivität für akustische Nuancen und profitieren davon sowohl in der Musik als auch bei der Emotionswahrnehmung“, benennt Christine Nussbaum ihre Arbeitshypothese.
Wenig erforscht ist die vokale Emotionswahrnehmung bei Gesunden
Herauszufinden, warum es diesen Zusammenhang zwischen Musikalität und vokaler Emotionswahrnehmung gibt und wie dieser geartet ist, das war Ziel des systematischen Überblickartikels von Christine Nussbaum und ihrem Kollegen Prof. Dr. Stefan R. Schweinberger. Die beiden Jenaer Forschenden fanden zahlreiche Studien, die sich mit der Emotionswahrnehmung in der Stimme von Personen mit beeinträchtigtem Hörsinn auseinandersetzen. Dazu gehören etwa Personen mit Amusie, die zwar Töne wahrnehmen, jedoch keine Tonhöhen oder Rhythmen erkennen. Die Wahrnehmung der vokalen Emotionen bei uneingeschränkt Hörenden ist dabei noch teilweise unerforscht.
Weitere Forschungslücken identifizierte die Psychologin etwa bei der Frage, worin der Zusammenhang zwischen Musikalität und verbesserter Emotionswahrnehmung besteht. Denn auch unter Musizierenden bestehen wiederum Unterschiede. Instrumente-Spielende haben laut der analysierten Studien eine unterschiedliche Emotionswahrnehmung als Sängerinnen und Sänger. Erschwert wird die Interpretation der Ergebnisse zu diesem Themenfeld auch dadurch, dass nicht alle der überprüften Studien die beschriebenen Zusammenhänge konsistent belegen konnten und dass teilweise kontroverse Resultate weitere Forschung erforderlich machen.
Forschungslücke bei neurowissenschaftlichen Daten
Die Forschungsergebnisse wurden bislang überwiegend durch Verhaltensstudien erfasst. Neurowissenschaftliche Daten zu den Studien gibt es hingegen kaum. Darin sieht Nussbaum die größte Forschungslücke und setzt an dieser Stelle mit einer eigenen Forschung im Rahmen ihrer Promotion zu Emotionen in der Stimme an. „Wir wollen wissen, was zwischen dem Hören von akustischen Signalen und dem Treffen einer Aussage dazu im Gehirn passiert“, erklärt Nussbaum. „Liegt der Unterschied zwischen Musizierenden und Nicht-Musizierenden etwa in der akustischen Verarbeitung oder in der Extraktion der Emotionen? Und werden die Emotionen über die Tonhöhe oder über die Klangfarbe ausgedrückt?“ Um dies herausfinden, führt die Wissenschaftlerin eine Laborstudie durch. Mit Hilfe eines Elektroenzephalogramms (EEG) werden Gehirnströme der Testpersonen bei der Wahrnehmung von vokalen Emotionen gemessen und in zeitlicher Auflösung dargestellt. „So können wir verfolgen, zu welchem Zeitpunkt der Verarbeitung der gehörten Emotionen Veränderungen auftreten“, erläutert Nussbaum ihr Vorgehen. Um diese Unterschiede festzustellen, arbeitet sie mit zwei Testgruppen. Einerseits untersucht sie die neuronalen Abläufe bei professionellen Musizierenden. Andererseits werden Menschen, die außerhalb der Musik kreativ sind, z. B. im visuellen und grafischen Bereich, als Kontrollgruppe herangezogen.
Testpersonen gesucht
Für ihre Studie ist Christine Nussbaum auf die Teilnahme von Testpersonen angewiesen. Vor allem für die Vergleichsgruppe mit kreativ-aktiven Menschen werden noch Teilnehmende gesucht. Kriterien für die Aufnahme in die Testgruppe sind die kreative Arbeit mit bildenden oder visuellen Künsten oder mit visuellen Medien. Zeitgleich sollen die Testpersonen noch nie musikalisch aktiv gewesen sein.
Auch Musikerinnen und Musiker werden noch gesucht, die mindestens acht Jahre lang ein Instrument gespielt oder Gesang geübt haben. Die professionelle Auseinandersetzung mit Musik, etwa durch ein Studium der Musik oder Musikpädagogik oder durch regelmäßiges Spielen/Singen von Musik bieten ebenfalls die Möglichkeit zur Teilnahme an der Studie.
Für die Vergleichbarkeit der Daten ist für Testpersonen beider Forschungsgruppen ein Alter unter 40 Jahren sowie die Muttersprache Deutsch Voraussetzung. Die EEG-Studie findet in Jena am Institut für Psychologie statt (Am Steiger 3, Haus 1). Interessierte melden sich bitte bei Christine Nussbaum unter Telefon 03641/945939 oder per E-Mail an: christine.nussbaum@uni-jena.de.
Christine Nussbaum
Institut für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Leutragraben 1
07743 Jena
Tel.: 03641 / 945939 (Mo – Fr, 14 – 16 Uhr)
E-Mail: christine.nussbaum[at]uni-jena.de
Nussbaum C, Schweinberger Stefan R (2021): Links between musicality and vocal emotion perception. Emotion Review. https://doi.org/10.1177/17540739211022803
Christine Nussbaum misst die Gehirnströme von Testpersonen bei der Wahrnehmung von Emotionen.
Foto: Anne Günther / Uni Jena
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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Psychologie
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