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14.09.2021 09:45

Die Viren der Nordsee

Dr. Fanni Aspetsberger Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

    Eine neue Studie im ISME Journal liefert spannende Einblicke in das Leben von Meeresviren während der Frühjahrsblüte in der Nordsee. Vor der Hochseeinsel Helgoland fanden Forschende um Nina Bartlau vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie eine dynamische Virengemeinschaft, die die Sterblichkeit der Bakterien der Nordsee und dadurch den Kohlenstoffkreislauf dieses Lebensraumes stark beeinflussen kann. Sie entdeckten außerdem zahlreiche neue Virenarten, die im Labor isoliert werden konnten.

    In jedem Liter Nordseewasser leben im Durchschnitt Hunderttausende kleine Algen und eine Milliarde Bakterien. Als ob es damit nicht schon voll genug wäre, stecken in jedem Liter auch noch 10 Milliarden Viren. Sie befallen vorrangig Bakterien und haben einen großen und vielfältigen Einfluss auf ihr Umfeld, indem sie beispielsweise infizierte Zellen abtöten und zerfallen lassen oder deren Genexpression oder Erbgut verändern. Nun liefert eine im ISME Journal veröffentlichten Studie neue Einblicke in das Leben dieser Viren.

    „Trotz ihrer Bedeutung sind Viren eher selten ein Schwerpunkt der Meeresforschung“, sagt Erstautorin Nina Bartlau vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie. „Meines Wissens liefern wir hiermit die erste Studie, die sich mit Viren an Flavobakterien, den häufigsten Bakterien in Frühjahrsblüten, in der Nordsee beschäftigt.“

    Viele neue Viren entdeckt

    Die Forschenden fanden viele neue und sehr vielfältige Phagen in der Nordsee. Als Phagen bezeichnet man Viren, die Bakterien befallen. Entsprechend heißen die hier untersuchten Viren, die sich auf Flavobakterien spezialisiert haben, Flavophagen. „Anzahl und Arten der Phagen veränderten sich im Laufe der Frühjahrsblüte. Beispielsweise fanden wir am Anfang der Blüte nur wenige Phagen, die über die Zeit immer mehr wurden. Auch konnten wir zeigen, dass eine bestimmte Phagenart nur über einen kurzen Zeitraum vorhanden ist und danach nur noch ihre Verwandten“, erklärt Mitautorin Cristina Moraru vom Institut für Chemie und Biologie der Meeresumwelt (ICBM) der Universität Oldenburg. Über die Jahre war die Gemeinschaft der Viren aber recht stabil, verschiedene Phagen konnten in zwei aufeinanderfolgenden Jahren gefunden und isoliert werden.

    Bartlau und ihren Kolleginnen und Kollegen haben also zahlreiche Indizien gesammelt, die deutlich belegen: Viren haben großen Einfluss auf die Sterblichkeit der Bakterien in der Frühjahrsblüte. Die Bakterien wiederum sind dafür verantwortlich, die Reste abgestorbener Algen im Verlauf der Blüte abzubauen, wodurch das von den Algen aus der Atmosphäre aufgenommene Kohlendioxid großteils wieder frei wird. „Hier besteht eine mögliche Verbindung zwischen den Viren und dem globalen Kohlenstoffkreislauf, deren weitere Erforschung sicher sehr spannend wird“, so Bartlau.

    Nun auch im Labor

    Den Bremer Forschenden gelang es zudem, zahlreiche verschiedene und bisher unbekannte Viren im Labor in Bremen zu kultivieren. „Wir identifizierten 10 neue Gattungen und auch 10 neue Familien“, so Bartlau. Viele davon – um genau zu sein 9 der 10 Gattungen und 4 der 10 Familien – gab es bisher gar nicht in Kultur. „Diese neuen Isolate erlauben nun spannende Versuche im Labor, um unser Wissen über Flavophagen und die Rolle von Viren im Meer weiter zu vertiefen“, betont Bartlau. Und dieses Wissen geht dann weit über den Lebensraum Meer hinaus, denn einige der hier isolierten Virenfamilien haben auch Mitglieder, die im Süßwasser-, Abwasser- und Boden leben.

    Beteiligte Institutionen:

    Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen
    Institut für Chemie und Biologie des Meeres, Universität Oldenburg
    Imaging Core Facility, Biozentrum, Universität Würzburg
    Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven
    Quadram Institute Bioscience, Norwich Research Park, Norwich, UK


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Rudolf Amann
    Abteilung Molekulare Ökologie
    Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen
    Telefon: +49 421 2028-9300
    E-Mail: ramann@mpi-bremen.de

    Dr. Fanni Aspetsberger
    Pressereferentin
    Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen
    Telefon: +49 421 2028-9470
    E-Mail: faspetsb@mpi-bremen.de


    Originalpublikation:

    Nina Bartlau, Antje Wichels, Georg Krohne, Evelien M. Adriaenssens, Anneke Heins, Bernhard M. Fuchs, Rudolf Amann, Cristina Moraru (2021): Highly diverse flavobacterial phages isolated from North Sea spring blooms. ISME Journal.
    DOI: 10.1038/s41396-021-01097-4


    Weitere Informationen:

    https://www.mpi-bremen.de/Die-Viren-der-Nordsee.html


    Bilder

    In der Überzahl: Die winzigen Viren drängen sich dicht um die ihre deutlich größeren Wirte, die Bakterien. Etwa 10 bis 45 Prozent der Bakterien im Meerwasser sind von Viren befallen.
    In der Überzahl: Die winzigen Viren drängen sich dicht um die ihre deutlich größeren Wirte, die Bakt ...
    Georg Krohne
    Georg Krohne

    Helgoland ist Deutschlands einzige echte Hochseeinsel, bekannt eher für Seevögel, Robben und zollfreies Einkaufen als für Viren. Genau die standen jedoch im Fokus der MPI-Forschenden.
    Helgoland ist Deutschlands einzige echte Hochseeinsel, bekannt eher für Seevögel, Robben und zollfre ...
    Naomi Esken
    Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie


    Anhang
    attachment icon Bakteriophagen – also Viren, die Bakterien befallen – haben üblicherweise einen sogenannten Kopf und einen Schwanz, von dem wie Beinchen kleine Spikes abstehen.

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    In der Überzahl: Die winzigen Viren drängen sich dicht um die ihre deutlich größeren Wirte, die Bakterien. Etwa 10 bis 45 Prozent der Bakterien im Meerwasser sind von Viren befallen.


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    Helgoland ist Deutschlands einzige echte Hochseeinsel, bekannt eher für Seevögel, Robben und zollfreies Einkaufen als für Viren. Genau die standen jedoch im Fokus der MPI-Forschenden.


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