Sie helfen, den Klimawandel zu mindern und Algenblüten zu verhindern – und sie können laut neuesten Forschungsergebnissen auch die Konzentrationen potenziell gesundheitsschädlicher Bakterien im Meerwasser senken: Seegraswiesen erbringen einer jetzt veröffentlichten Studie von Kieler Forschenden zufolge eine weitere Ökosystemleistung für uns Menschen. Die Ergebnisse liefern einen weiteren Anreiz für den Schutz und die Wiederherstellung dieser lange unterschätzen Ökosysteme in der deutschen Ostsee.
Schon länger ist bekannt, dass Seegraswiesen Nährstoffe aufnehmen und so die Überdüngung der Meere und damit Algenblüten verhindern können. Außerdem wird auch zunehmend ihre wichtige Rolle als mariner Kohlenstoffspeicher wahrgenommen, wodurch sie dem Treibhauseffekt entgegenwirken können. Ein Team aus Forschenden des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel hat in einer jetzt in der Fachzeitschrift Marine Biology veröffentlichten Studie nachgewiesen, dass heimische Seegraswiesen auch die Wasserqualität in Bezug auf potenziell gefährliche Bakterien verbessern können: Wasser aus den dicht bewachsenen untermeerischen Flächen enthält weniger Vibrionen – natürlich vorkommende Bakterien, die in hohen Konzentrationen gesundheitsschädlich sein können.
An fünf Standorten der Kieler Bucht nahmen Taucher gezielt Wasserproben aus bewachsenen und vegetationsfreiem Sandgrund. Im Labor wurden diese auf einer mit Nährlösung bestrichenen Platte aufgebracht. Nach einigen Tagen wurden die sich bildenden Vibrio-Kolonien gezählt. Die Analysen zeigten, dass Wasser aus Seegraswiesen im Vergleich zu unbewachsenen Flächen durchschnittlich von 39 Prozent weniger Vibrionen und 63 Prozent weniger des potenziell gesundheitsschädlichen Typs Vibrio vulnificus/cholerae enthielt.
Der zugrundeliegende Wirkmechanismus soll zukünftig genauer untersucht werden. „Denkbar ist sowohl, dass die erhöhte Sedimentation in der dichten Wiese zum Absetzen feiner Partikel führt, an welchen auch Vibrionen anhaften“, erklärt Professor Thorsten Reusch, Meeresbiologe am GEOMAR und Leiter der Studie. „Aber es könnte auch sein, dass chemische Substanzen aus den Seegrasblättern das Wachstum der Bakterien hemmen.“
„Unsere Pilotstudie war motiviert von einer Science-Veröffentlichung aus dem Jahr 2017, die für tropische Wiesen eine Reduktion von Korallen- und Humanpathogenen überall dort gezeigt hat, wo dichte Seegraswiesen zwischen menschlichen Siedlungen und Riffen wachsen“, so Prof. Thorsten Reusch. „Nun konnten wir ähnliche Funktionen erstmals für unsere heimischen Gewässer nachweisen.“
Die neuen Ergebnisse sind von besonderer Bedeutung, weil alle Klimamodelle für die Zukunft eine überdurchschnittliche Erwärmung in Verbindung mit einer Aussüßung der Ostsee vorhersagen. „Dies sind exakt die Umweltbedingungen, die zur weiteren Ausbreitung von Vibrionen auch an Badestränden im Sommer führen werden“, so Professorin Ute Hentschel Humeida, Mikrobiologin am GEOMAR und Koautorin der Publikation. Die Studie unterstreicht außerdem die entscheidende Bedeutung von Seegraswiesen als naturbasierte Lösung für die Gesundheit von Flachwasser-Ökosystemen und ihrer Wasserqualität. Damit liefert sie weitere Anreize für den Schutz und die Wiederherstellung dieser lange unterschätzten Küstenökosysteme.
Prof. Dr. Thorsten Reusch treusch@geomar.de
Reusch, T.B.H., Schubert, P.R., Marten, S.M. Gill, D., Karez, R., Busch, K., Hentschel, U, (2021): Lower Vibrio spp. abundances in Zostera marina leaf canopies suggest a novel ecosystem function for temperate seagrass beds. Marine Biology, doi: https://doi.org/10.1007/s00227-021-03963-3
Taucher nehmen Wasserproben in einer Seegraswiese
Christian Howe
Christian Howe
Mikroskopaufnahme von Vibrio-Bakterein (aka Vibrionen)
Angela Marulanda
GEOMAR
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).