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17.09.2021 09:47

Wer profitiert von 12 Euro Mindestlohn? Neue Studie zeigt die 50 Berufe mit der stärksten Wirkung

Rainer Jung Abt. Öffentlichkeitsarbeit
Hans-Böckler-Stiftung

    Aktuelle Auswertung von Lohnspiegel.de

    Wer profitiert von 12 Euro Mindestlohn? Neue Studie zeigt die 50 Berufe mit der stärksten Wirkung

    Ein Mindestlohn von 12 Euro würde auch jenseits von Branchen mit traditionell vielen Niedriglohnbeschäftigten wie dem Gastgewerbe oder dem Einzelhandel eine breite Wirkung entfalten.

    Mehr Geld für ihre Arbeit könnten etwa auch Beschäftigte in Arztpraxen, Anwaltskanzleien und den Büroetagen deutscher Unternehmen erwarten. Frauen würden von einem höheren Mindestlohn überdurchschnittlich profitieren, insbesondere wenn sie in Teilzeit arbeiten oder einen befristeten Arbeitsvertrag haben. Beschäftigte in kleineren Betrieben ohne Tarifbindung zählen ebenfalls zu den Hauptbegünstigten. Regional würde ein höherer Mindestlohn vor allem Beschäftigte im Osten und Norden der Republik erreichen. Dies ist das Ergebnis einer neuen Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.* Für die Untersuchung wurden Gehaltsangaben von annähernd 200.000 Beschäftigten aus dem Gehaltsportal Lohnspiegel.de ausgewertet. Lohnspiegel.de wird vom WSI wissenschaftlich betreut.

    „Niemand ist ganz davor gefeit, im Laufe seines Berufslebens für kurze oder längere Zeit für einen niedrigen Lohn zu arbeiten“, sagt Studienautor Dr. Malte Lübker, Experte für Tarif- und Einkommensanalysen am WSI. „Trotzdem gibt es eine Reihe von Faktoren, die das Risiko für einen Lohn unter 12 Euro deutlich erhöhen.“ Nach den Studienergebnissen sind dies das Geschlecht „weiblich“, eine Tätigkeit in Teilzeit, ein befristeter Arbeitsvertrag, ein Arbeitgeber ohne Tarifbindung, eine Betriebsgröße unter 100 Beschäftigen sowie Helfer- und Anlerntätigkeiten (siehe auch Abbildung 1 bis 3 in der pdf-Version dieser PM; Link unten). Nach Bundesland ist das Risiko für niedrige Löhne in Sachsen-Anhalt besonders hoch, gefolgt von den anderen ostdeutschen Flächenländern sowie Niedersachsen und Schleswig-Holstein im Westen (Abbildung 4). „Wenn mehrere dieser Faktoren zusammenkommen, nimmt das Risiko für einen Niedriglohn-Job weiter zu“, so Lübker.

    „Leider schützt auch eine abgeschlossene, mehrjährige Berufsausbildung nicht zuverlässig vor einer Niedriglohnbeschäftigung“, so Gehaltsexperte Lübker. Unter den 50 Berufen, die am häufigsten von einer Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro profitieren würden, finden sich auf den vordersten Plätzen Berufe wie Friseur/in, Bäckereifachverkäufer/in und Florist/in (Ausbildungsdauer: jeweils 3 Jahre). Auch in beliebten Ausbildungsberufen wie Kaufmann/-frau im Einzelhandel, Rechtsanwaltsfachangestellte/r, Zahnmedizinische/r Fachangestellte/r und Kfz Mechatroniker/in besteht ein erhöhtes Risiko für Löhne unter 12 Euro (Tabelle 1 in der pdf-Version). Laut Studie ist hierfür eine wichtige Erklärung, dass die Tarifbindung in Deutschland von 68 Prozent zur Jahrtausendwende auf 51 Prozent im Jahr 2020 gesunken ist. „Deshalb würden heute auch viele Menschen von einem höheren Mindestlohn profitieren, die früher aufgrund ihrer soliden Ausbildung wie selbstverständlich zur Mittelschicht gezählt hätten“, sagt Lübker. „Langfristig muss das Ziel sein, dass diese Beschäftigten wieder nach Tarifverträgen bezahlt werden, die oberhalb des geltenden Mindestlohns qualifikationsadäquate Löhne garantieren.“

    Erst kürzlich hatte eine vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) geförderte Studie** gezeigt, dass eine schrittweise Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro auch gesamtwirtschaftlich sinnvoll wäre. Langfristig würde die Wirtschaftsleistung um etwa 50 Milliarden Euro im Jahr steigen. Die Staatseinnahmen erhöhen sich um rund 20 Milliarden Euro jährlich. Die Gesamtbeschäftigung würde hingegen langfristig nicht negativ beeinflusst, zeigen die Modellrechnungen, die Prof. Dr. Tom Krebs und Dr. Moritz Drechsel-Grau von der Universität Mannheim durchgeführt haben.

    – Informationen zur Methode –

    Für die neue WSI-Studie wurden 196.713 Datensätze von Beschäftigten ausgewertet, die seit Anfang 2019 an einer kontinuierlichen Online-Erhebung des WSI-Portals Lohnspiegel.de teilgenommen haben.
    Die Umfrage ist nicht repräsentativ, erlaubt aber aufgrund der hohen Fallzahlen detaillierte Einblicke in die Zusammenhänge zwischen sozio-demographischen Variablen und der Entgelthöhe. Lohnspiegel.de ist ein nicht-kommerzielles Angebot der Hans-Böckler-Stiftung.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Malte Lübker
    WSI-Experte für Tarif- und Einkommensanalysen
    Tel.: 0211/7778-574
    E-Mail: Malte-Luebker@boeckler.de

    Rainer Jung
    Leiter Pressestelle
    Tel.: 0211/7778-150
    E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de


    Originalpublikation:

    * Malte Lübker: Wer profitiert von 12 Euro Mindestlohn? Einblicke aus der WSI Lohnspiegel-Datenbank, WSI Policy Brief Nr. 59, September 2021. Download: https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008111

    ** Tom Krebs, Moritz Drechsel-Grau: Mindestlohn von 12 Euro: Auswirkungen auf Beschäftigung, Wachstum und öffentliche Finanzen. IMK-Study Nr. 73, September 2021. Download: https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008099

    Die PM mit Abbildungen und Tabelle (pdf): https://www.boeckler.de/pdf/pm_wsi_2021_09_17.pdf


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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