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24.09.2021 12:29

Vom Leben und Sterben – Abschiedskultur als gesellschaftliche Herausforderung

Marietta Fuhrmann-Koch Kommunikation und Marketing
Universität Heidelberg

    Assistierter Suizid darf nicht die zwingende Antwort auf eine als aussichtslos wahrgenommene Problemlage am Lebensende sein. In dieser moralischen Konfliktlage kommt der Gesellschaft die Verpflichtung zu, mit einer fachlichen und individuellen Begleitung Menschen in die Lage zu versetzen, zu einem bewusst angenommenen Sterben zu gelangen. Die Verwirklichung einer Abschiedskultur in der letzten Phase des Lebens nicht nur als existenzielles Anliegen des Individuums und seines nahen Umfeldes, sondern ebenso auch als gesellschaftliche Aufgabe, ist das zentrale Thema des Heidelberger Alternsforschers Prof. Dr. Andreas Kruse in seiner jüngsten Veröffentlichung.

    Pressemitteilung
    Heidelberg, 24. September 2021

    Vom Leben und Sterben – Abschiedskultur als gesellschaftliche Herausforderung
    Alternsforscher Andreas Kruse: Assistierter Suizid darf nicht zwingende Antwort sein

    Assistierter Suizid darf nicht die zwingende Antwort auf eine als aussichtslos wahrgenommene Problemlage am Lebensende sein. In dieser moralischen Konfliktlage kommt der Gesellschaft die Verpflichtung zu, mit einer fachlichen und individuellen Begleitung Menschen in die Lage zu versetzen, zu einem bewusst angenommenen Sterben zu gelangen. Die Verwirklichung einer Abschiedskultur in der letzten Phase des Lebens nicht nur als existenzielles Anliegen des Individuums und seines nahen Umfeldes, sondern ebenso auch als gesellschaftliche Aufgabe, ist das zentrale Thema des Heidelberger Alternsforschers Prof. Dr. Andreas Kruse in seiner jüngsten Veröffentlichung „Vom Leben und Sterben im Alter. Wie wir das Lebensende gestalten“. Seine wissenschaftliche Expertise verbindet er dabei mit philosophischen und geistlich-spirituellen Überlegungen, um mit einem starken Praxisbezug die Frage zu klären, wie aus medizinischer, pflegewissenschaftlicher, psychologischer, soziologischer und kulturanthropologischer Sicht ein guter Abschluss des Lebens gelingen kann.

    Mit seinen Befunden aus der Alternsforschung, die verschiedene disziplinäre Ansätze versammelt, wendet sich der langjährige Direktor des Instituts für Gerontologie der Universität Heidelberg an Menschen, die an ihrem Lebensende stehen, ebenso wie an ihre persönlichen und fachlichen Bezugspersonen, die sie auf dieser Phase begleiten. Er zeigt Haltungen und Bewältigungstechniken seitens Schwerkranker oder Sterbender auf und analysiert Versorgungs- und Begleitbedingungen, die dazu beitragen, das Lebensende so gut wie möglich den eigenen Vorstellungen entsprechend gestalten zu können. Prof. Kruse: „Wir müssen Menschen darin unterstützen, eine akzeptierende Haltung gegenüber der eigenen Verletzlichkeit und der Endlichkeit des Lebens zu entwickeln.“

    In diesem Sinne sieht Prof. Kruse sein Buch auch als eine Antwort auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020, in dem das im Jahre 2015 eingeführte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung nach Paragraph 217 des Strafgesetzbuches für verfassungswidrig erklärt wurde. Der Alternsforscher greift vor allem die vom Gericht vorgenommene, an den Gesetzgeber gerichtete Empfehlung auf, Menschen am Lebensende so zu begleiten, dass soweit möglich Lebenswille und Lebensbindung gestärkt, aber auch das eigene Sterben zugelassen werden kann. Dies erfordere eine wissenschaftlich, versorgungspraktisch und ethisch fundierte Palliativversorgung. Eine gute Versorgung bedeute jedoch nicht nur, Schmerzen, körperliche Beeinträchtigungen oder emotionale Belastungen zu mindern, sondern insbesondere auch, den Menschen am Ausgang seines Lebens ernsthaft, aufrichtig und würdevoll zu begleiten. Dies gelte, so Andreas Kruse, in besonderem Maße für diejenigen, die diesen letzten Abschnitt nicht mehr bewusst gestalten können.

    Nach den Worten von Prof. Kruse kann es nicht darum gehen, die Selbsttötung eines Menschen zu verurteilen – „wer dies tut, hat vom menschlichen Leid nichts verstanden“. Es gehe vielmehr darum, sich verstehend der Situation eines alten Menschen zuzuwenden, dessen Lebensbindungen immer weiter zurückgehen. „Was können, was müssen wir tun, um diesem Menschen gegenüber jene Solidarität zu zeigen, auf die er dringend angewiesen ist?“, fragt der Alternsforscher. Mit Blick auf die wachsende Anzahl körperlich und kognitiv erkrankter Menschen ergebe sich nicht nur eine individuelle, sondern auch eine gesellschaftliche Problemsituation, auf die fachlich und ethisch verantwortlich reagiert werden müsse. „Die im Herbst 2021 anstehende gesetzliche Regelung des assistierten Suizids sollte sich auch von dieser Frage leiten lassen“, so der Heidelberger Wissenschaftler.

    Andreas Kruse war von 2003 bis 2020 Vorsitzender der Altersberichtskommission der Bundesregierung und ist seit 2016 Mitglied des Deutschen Ethikrates.

    Kontakt:
    Universität Heidelberg
    Kommunikation und Marketing
    Pressestelle, Telefon (06221) 54-2311
    presse@rektorat.uni-heidelberg.de


    Originalpublikation:

    Andreas Kruse: Vom Leben und Sterben im Alter. Wie wir das Lebensende gestalten können, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2021, 335 Seiten, ISBN 978-3-17-040586-8


    Weitere Informationen:

    http://www.gero.uni-heidelberg.de/personen/kruse.html
    http://www.gero.uni-heidelberg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Philosophie / Ethik, Psychologie
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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