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27.09.2021 10:22

Präzisionsmassenmessungen von Indiumisotopen ermöglichen Rückschlüsse auf die Masse des Atomkerns von Zinn-100

Jan Meßerschmidt Hochschulkommunikation
Universität Greifswald

    Aus physikalischer Sicht ist der Atomkern Zinn-100 magisch, da er zwei stabile Schalenabschlüsse hat. Dennoch ist es sehr schwer seine Masse experimentell zu bestimmen. Einer internationalen Forschungskollaboration am europäischen Forschungszentrum CERN (Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire) mit Beteiligung von Greifswalder Physikern ist es nun gelungen, mittels Präzisionsmassenmessungen an den Indium-Isotopen In-99, In-100 und In-101 Rückschlüsse auf die Masse von Zinn-100 zu ermöglichen. Die Ergebnisse sind in „Nature Physics“ (DOI: 10.1038/s41567-021-01326-9) veröffentlicht.

    Ähnlich wie Elektronen in Atomhüllen gruppieren sich auch die Kernbausteine, die Protonen und Neutronen, zu quantenmechanischen Schalen. Sind diese Schalen gefüllt, dann haben die Kerne hohe Bindungsenergien und sind besonders stabil. Daher werden die Schalenabschlusszahlen 8, 20, 28, 50, 82 und 126 auch „magisch“ genannt. Von ganz besonderem Interesse sind die doppelt magischen Kerne. In diesen Kernen erreichen sowohl die Protonenzahl Z als auch die Neutronenzahl N einen stabilen Schalenabschluss. Unter diesen doppeltmagischen Kernen sticht der Kern des Zinn-Isotops Sn-100 hervor. Er ist der schwerste Kern, bei dem Z und N den gleichen Wert besitzen, nämlich 50. Wissenschaftler*innen konnten die Masse dieses Kernes bisher nicht direkt bestimmen. Die Gründe liegen in den Schwierigkeiten bei der Herstellung von Sn-100 sowie in dessen kurzer Halbwertszeit von nur etwa einer Sekunde.

    In unmittelbarer Nachbarschaft zum doppeltmagischen Sn-100 liegen die Kerne des Elements Indium. Diese haben ein Proton weniger als die Zinnkerne. Am CERN konnten nun mit dem Präzisionsmassenspektrometer ISOLTRAP die Massen der Indium-Isotope In-99, In-100 und In-101 bestimmt werden. Dabei wurde die Masse von Indium-99 erstmalig gemessen, jene von Indium-100 und Indium-101 konnten nun wesentlich genauer als bisher bestimmt werden.

    Die Messung am In-99 wurde ermöglicht durch eine Greifswalder Komponente des Massenspektrometers ISOLTRAP. Die Komponente beruht auf der Messung der Multireflexions-Flugzeit (MR-ToF). Zusätzlich kommt sie auch als Massenseparator zum Einsatz, zur Vorbereitung von Messungen mit den noch höher auflösenden und präziseren Penningfallen (http://idw-online.de/de/). Diese Kombination von MR-ToF-Massenseparation und Penningfallen- Massenmessung wurde bei In-100 und In-101 eingesetzt.

    Für die Bestimmung der Masse des doppeltmagischen Zinnkerns Sn-100 ist die Massenmessung an In-100 entscheidend. „Auf die Masse des Zinn-100-Kerns können wir nun von der gemessenen Masse des Indium-100-Kerns und der Energie, die im Betazerfall von Sn-100 nach In-100 frei wird, zurückschließen. Aufgrund der hohen Genauigkeit unserer Messung konnte nun ein Widerspruch zwischen Sn-100-Massenwerten aufgelöst werden, der sich aus den zwei neuesten Betazerfalls-Untersuchungen ergeben hatte“, erläutert Frank Wienholtz, ehemaliger Doktorand in Greifswald, der inzwischen an der TU Darmstadt (http://www.tu-darmstadt.de) arbeitet. „Die Vergleiche mit theoretischen Werten der Arbeitsgruppe von Prof. Schwenk in Darmstadt und die systematische Betrachtung der Bindungsenergien der benachbarten Kerne ergaben eindeutige Rückschlüsse auf den Zinnkern Sn-100“, ergänzt Prof. Dr. Lutz Schweikhard vom Institut für Physik der Universität Greifswald.

    Die Forschungsarbeiten wurden gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (http://www.bmbf.de) und von der Max-Planck-Gesellschaft (http://www.mpg.de).

    Weitere Informationen
    M Mougeot et al. (2021): Mass measurements of 99-101In challenge ab initio nuclear theory of the nuclide 100Sn, Nature Physics. DOI: https://doi.org/10.1038/s41567-021-01326-9

    Beteiligte deutsche Forschungseinrichtungen
    Institut für Physik (http://physik.uni-greifswald.de) der Universität Greifswald
    Max-Planck-Institut für Kernphysik (http://www.mpi-hd.mpg.de/blaum) in Heidelberg
    Institut für Kernphysik (http://www.ikp.tu-darmstadt.de/dasinstitut) der Technischen Universität Darmstadt
    Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH (http://www.gsi.de) in Darmstadt
    Institut für Kern- und Teilchenphysik (http://tu-dresden.de/mn/physik/iktp/arbeitsgruppen/kernphysik/) der Technischen Universität Dresden

    Pressemitteilung des CERN
    Grabbing magic tin by the tail (http://home.cern/news/news/physics/grabbing-magic-tin-tail)

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    Ansprechpartner an der Universität Greifswald
    Prof. Dr. Lutz Schweikhard
    Institut für Physik der Universität Greifswald
    Felix-Hausdorff-Straße 6, 17487 Greifswald
    Telefon +49 3834 86 4700
    lschweik@physik.uni-greifswald.de

    Sprecher der ISOLTRAP-Kollaboration
    Prof. Dr. Klaus Blaum
    Max-Planck-Institut für Kernphysik
    Saupfercheckweg 1, 69117 Heidelberg
    Telefon +49 6221 516850
    klaus.blaum@mpi-hd.mpg.de

    Ansprechpartner zu den theoretischen Untersuchungen
    Prof. Dr. Achim Schwenk
    Institut für Kernphysik, Theoriezentrum
    Technische Universität Darmstadt
    Schlossgartenstraße 2, 64289 Darmstadt
    Telefon +49 6151 16 21550
    schwenk@physik.tu-darmstadt.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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