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24.03.2004 10:44

Rechtschreibprobleme durch Low-Level-Training abbauen

Dr. Hans Otto Reuss Öffentlichkeitsarbeit
MediTECH Electronic GmbH

    Ein neuartiges Training, dass nicht die Symptome, sondern die Ursachen von Legasthenie bekämpft, wurde wissenschaftlich untersucht und für erfolgreich befunden.

    Nach einer Veröffentlichung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus sind 4 % jedes Geburtsjahrgangs von Legasthenie Abb. 1
    und weitere 7-10 % von Lese-/ Recht-schreibschwäche (LRS) betroffen.
    Diese eigenwillige Unterscheidung definiert Legasthenie als ein teilweise hirnorganisch bedingtes Leiden mit gravierenden Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsstörungen, während LRS nur in mehr oder minder starker Ausprägung eine Verzögerung im individuellen Lese- und Schreiblernprozess darstellt.
    Demzufolge wäre Legasthenie eine nur schwer therapierbare Krankheit, die zu teilweise erheblichen Störungen bei der zentralen Aufnahme, Verarbeitung und Wiedergabe von Laut- und Schriftsprache führt. Im Gegensatz zu dieser pathologisch-anhaltenden Lese- und Rechtschreibstörung können Schüler auch ein vorübergehendes legasthenes Erscheinungsbild aufweisen, das auf unterschiedliche Ursachen durch unterschiedliche Kombinationen von Teilleistungsschwächen (z. B. der Wahrnehmung, der Motorik und der sensorischen Integration) zurückzuführen ist.
    Diese eher vagen Ursachenvermutungen spiegeln die erhebliche Unsicherheit auch der deutschen Wissenschaft über die "wirklichen" Ursachen dieser Erscheinung wider. Dabei gibt es bereits seit 1995 ein in Großbritannien weitestgehend akzeptiertes Erklärungsmodell, das sich besten durch ein Zitat von A. Fawcett und R.Nicolson aus "Dyslexia in Children" kennzeichnen lässt:
    "We propose, on the contrary, that the reading-related deficits are merely the tip of an iceberg, and that almost all primitive skills (such as speed of processing and motor skill) are likely to be impaired. The reason, we argue, for the apparent specificity of skill deficits is that dyslexic children succeed in masking the deficit for many skills and for many situations, consciously compensating for their incomplete automatization by trying harder."
    Was NICOLSON hier als "primitive skills" bezeichnet und mit den beiden Beispielen der Verarbeitungsgeschwindigkeit und der motorischen Geschicklichkeit verdeutlicht, wurde in Deutschland unter dem Terminus "Low-Level-Funktionen" erstmals durch einen Beitrag von PTOK eingeführt , allerdings reduziert allein auf den auditiven Bereich (siehe Abb. 1). PTOK zeigt darin den hierarchischen Aufbau des Spracherwerbs von der Low-Level-Stufe über die phonetische, die phonologische, die lexikalisch-semantische und die morphologisch-syntaktische Stufe bis zur Rechtschreibebene auf. Er gibt zu erkennen, dass diese hierarchische Gliederung zugleich eine Abhängigkeit der Kompetenz in jeder Stufe von allen darunter angesiedelten Stufen bedeutet. Erste Hinweise auf eine derartige Abhängigkeit innerhalb der unteren drei Stufen finden sich in einer Studie von BULLER: Hier wurde erstmalig der Zusammenhang zwischen Low-Level-Störungen und der phonologischen Ebene verdeutlicht. BULLER führt hierzu aus: "Die hier vorgestellten Ergebnisse deuten darauf hin, dass bereits im Vorschulalter eine für den Schrift-spracherwerb relevante schlechte phonologische Bewusstheit mit einer gestörten basalen auditiven Verarbeitung korreliert."
    Bei ihrem Bezug auf die "....für den Schriftspracherwerb relevante phonologische Bewusstheit...."(ebenda) bezieht sich Buller offenbar auf SCHNEIDER, der in Längsschnittstudien die Bedeutung der phonologischen Bewusstheit für das Lesenlernen und ihre Trainierbarkeit nachgewiesen und somit den zugehörigen Zusammenhang zwischen den Stufen 3 und 5 des obigen PTOK-Modells belegt hat .
    Von diesem Wissensstand ausgehend, haben die Autoren in eigener Arbeit an LRS-Kindern sieben (in Weiterverfolgung der Gedanken von NICOLSON und FAWCETT) erweiterte Low-Level-Funktionen im visuellen, auditiven und motorischen Bereich ermittelt, die bei LRS-Schülern besonders häufig und markant auftreten:
    * Visuelle Ordnungsschwelle: Wichtig für die Zeitauflösung kontinuierlicher Seheindrücke
    * Auditive Ordnungsschwelle: Wichtig für die Zeitauflösung kontinuierlicher Höreindrücke
    * Richtungshören: Wichtig für das Filtern der Lehrerstimme aus den Klassengeräuschen
    * Tonhöhendiskrimination: Wichtig für das Erkennen von Vokalen und Sprechmelodie
    * Synchrones Finger-Tapping: Wichtiges Indiz für die Koordination zwischen den Hirnhälften
    * Choice-Reaction-Test: Wichtig für die rasche Entscheidung zwischen Hör-Alternativen
    * Frequency-Pattern-Test: Wichtig für das kritische Erfassen strukturierter Höreindrücke
    In mehreren Dissertationen an der Medizinischen Hochschule Hannover wurden für diese sieben Low-Level-Funktionen zunächst die Normwerte an 382 Kindern im Altern von 5 bis 12 Jahren ermittelt. Sie zeigen einen eindeutigen Altersverlauf bei ungestörter Entwicklung. TEWES hat danach an 28 LRS-Drittklässlern im Vergleich zu 28 genau parallelisierten Kontrollkindern aus der Normstudie hochsignifikante Abweichungen bei sechs aus diesen sieben Low-Level-Funktionen nachgewiesen.
    Als nächsten Schritt hat MICHALSKI in einer Studie mit 51 auffälligen Kindern die Trainierbarkeit dieser sieben Low-Level-Defizite innerhalb von fünf Wochen mit insgesamt 25 Trainingseinheiten festgestellt. Die Ergebnisse dieser Arbeit standen zunächst im Widerspruch zu einer vorangegangenen Studie, mit der die Nicht-Trainierbarkeit einer besonders wichtigen Low-Level-Funktion, nämlich der auditiven Ordnungsschwelle, aufgezeigt worden war . Nach Überprüfung der Untersuchungsmethodik stellte sich jedoch heraus, dass die bei der ersten Studie verwendeten Mess- und Trainingsgeräte nicht für diesen Zweck geeignet gewesen waren.
    TEWES hat schließlich den Transfer eines erfolgreichen Low-Level-Trainings bis zur Rechtschreibebene empirisch nachgewiesen . In dieser Arbeit, die auf einer kontrollierten Studie an drei Grundschulen im Bundesland Thüringen basiert, wurden die Auswirkungen des Trainings dieser sieben Low-Level-Funktionen selbst unter den - im Vergleich zur Einzelförderung - erschwerten Bedingungen des Unterrichts in Kleingruppen aufgezeigt: Die abschließenden Ergebnisse hier in Kürze:
    Die Kontrollgruppe A, die herkömmlichen lerntheoretisch begründeten LRS-Unterricht zur Förderung erhielt, verbesserte sich um 6,3%; die Trainingsgruppe B verbesserte sich allein unter Zuhilfenahme des Low-Level-Trainings um 18,9%; die Trainingsgruppe C, die neben dem Low-Level-Training ein zusätzliches Lateraltraining durchführte gar um 42,6 %.
    Was ist Lateraltraining ? Hier hören die LRS-Schüler eine zwischen den beiden Ohren hin- und herwandernde Modellstimme im Kopfhörer. Sie lesen synchron dazu den wortgleichen Text, den sie stets von der gegenüberliegenden Seite hören. Das verhilft offenbar zu einem noch besseren Transfer über die nächsten vier Ebenen des eingangs beschriebenen PTOK-Modells der Stufen sprachlicher Kompetenz.
    Damit ist erstmals der empirische Nachweis erbracht, dass vor allem das kombinierte Training der Low-Level-Funktionen in Verbindung mit dem Lateraltraining die Leistungen in der zentralen Verarbeitung verbessert und so zudem einen bedeutsamen Transfer auf die Ebene der Rechtschreibleistungen bewirkt. Es wurde parallel dazu in mehreren tausend Einzelfällen durch Familien, Therapeuten und Pädagogen erfolgreich erprobt.
    Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich daraus für unsere Leser? Es dürfte eine Überlegung wert sein, den oftmals über Jahre andauernden Leidensweg von vielen LRS-Schülern durch neue eigene Aktivitäten zu verkürzen oder zu beenden: Es gibt bereits eine Anzahl von Praxen, die entweder völlig in eigener Regie oder in Kooperation mit einem vorhandenen Anwender dieses Verfahrens bei jedem LRS-Schüler, der dort vorgestellt wird, diese sieben Low-Level-Funktionen mit einem industriell angebotenen Testgerät erheben und mit den Normwerten vergleichen, die dieses Gerät ebenfalls bereithält. Bei mäßigen Abweichungen wird ein häusliches Low-Level-Training mit einem einfacheren Gerät, dem Brain-Boy-Universal, empfohlen. Bei starken Abweichungen wird zusätzlich die Verwendung des Lateraltrainings, entsprechend eines individuellen Trainingsplanes angeregt.
    Eine detaillierte Darstellung dieses Verfahrens kann im Internet unter www.forschung/meditech.de herunter geladen werden. Wer sich zunächst lediglich selbst mit vier der sieben Low-Level-Funktionen vertraut machen möchte, findet diese unter www.brainboy.de im Internet.


    Bilder

    Abb. 1
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Pädagogik / Bildung
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Abb. 1


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