idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
04.10.2021 14:09

Unvorbereitete Ausstiege aus Entwicklungskooperationen gefährden erreichte Erfolge und Beziehungen

Jelana Vajen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit, DEval

    Die Gründe für einen Ausstieg aus einer Entwicklungskooperation sind vielfältig. Langfristige strategische Überlegungen zum wirksameren Einsatz von Ressourcen können ebenso entscheidend sein wie plötzliche Krisen in einem Partnerland wie derzeit in Afghanistan. Idealerweise wird eine Kooperation dann beendet, wenn sich die Situation im Partnerland so weit verbessert hat, dass sie nicht mehr benötigt wird. Aber selbst dann birgt ein Ausstieg Risiken. Das Deutsche Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) ist deshalb der Frage nachgegangen: „Wie kann ein Ausstieg aus Entwicklungskooperationen bestmöglich gelingen, ohne erreichte Erfolge zu gefährden?“

    Erreichte Erfolge sichern

    Unabhängig von den Gründen kann ein Ausstieg aus der Entwicklungszusammenarbeit negative Auswirkungen auf die betroffenen Länder, Sektoren oder Instrumente haben, insbesondere wenn er abrupt erfolgt. Die Beziehung zwischen Geber- und Partnerland kann Schaden nehmen und der Dialog auf Regierungsebene spürbar erschwert werden. Gleichermaßen kann die Reputation des Gebers leiden, während stark von der Entwicklungszusammenarbeit abhängige Länder sich vor die Herausforderung gestellt sehen, gegebenenfalls unter zeitlichem Druck alternative Unterstützung zu sichern.

    Das DEval hat in einer Synthesestudie untersucht, welche Erfahrungen deutsche und internationale Akteure mit Ausstiegsprozessen aus der bilateralen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit auf Ebene von Ländern, Sektoren und Instrumenten gemacht haben und welche Forschungslücken bestehen. Die Studie liefert Empfehlungen dazu, wie sogenannte Exit-Prozesse ausgestaltet werden können, damit bereits erreichte Kooperationserfolge sowie die partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Geber- und (ehemaligem) Partnerland möglichst gesichert sind.

    Die Autor*innen kommen zu dem Schluss, dass dafür zwei Aspekte besonders wichtig sind: ein planvolles Vorgehen und frühzeitige Kommunikation mit betroffenen Akteuren. Dies unterstreicht DEval-Direktor Prof. Dr. Jörg Faust: „Da Exit-Prozesse Gegenstand kurzfristiger politischer Entscheidungsprozesse oder sich schnell ändernder Kontextbedingungen sein können, werden Grenzen der Planbarkeit bestehen bleiben. Ein Leitfaden für Exit-Prozesse kann aber wesentlich dazu beitragen, die Unwägbarkeiten von Exit-Prozessen abzufedern und Erfolge besser abzusichern."

    Ausstiegsprozesse häufen sich, sind aber selten gut vorbereitet

    Anlass der Studie ist der Reformprozess „BMZ 2030“, in dessen Rahmen sich das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) aus 25 Partnerländern sowie einzelnen Sektoren oder Instrumenten der Entwicklungszusammenarbeit zurückzieht, wie dies auch andere internationale Geber etwa aufgrund von strategischen Überlegungen oder Budgetkürzungen vermehrt machen. Die vorliegende Studie zeigt aber, dass die analysierten Exit-Prozesse auf nationaler und internationaler Ebene nur ausnahmsweise systematisch geplant und durchgeführt werden. Exit-Strategien liegen nur in Einzelfällen vor.

    Empfehlungen: Leitfaden, Kommunikation und Wissensmanagement

    Das DEval empfiehlt dem BMZ, einen Leitfaden für Exit-Prozesse in der bilateralen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit zu erstellen und die Rahmenbedingungen vor Ort bei der Planung von Ausstiegsprozessen zu berücksichtigen. Bei einer politisch instabilen Lage kann das zum Beispiel bedeuten, von vornherein verschiedene Ausstiegsszenarien vorzubereiten.

    „Besonders wichtig ist bei jedem Exit der frühzeitige Einbezug der Partner und anderer Akteure vor Ort, wie der Durchführungsorganisationen oder der Nichtregierungsorganisationen“, betont Dr. Kim Lücking, Teamleiterin der Studie. „Dabei sollte zu einem möglichst frühen Zeitpunkt analysiert werden, für wen der Exit relevant sein könnte, welche potenziellen Konflikte existieren und wie die jeweiligen Akteure in den Prozess einbezogen werden sollten.“

    Zu den relevanten Akteuren gehören auch andere Geber. Die Absprache mit ihnen kann zum einen verhindern, dass sie sich zufällig zeitgleich aus demselben Sektor zurückziehen. Zum anderen kann geprüft werden, ob andere Geber einzelne Vorhaben weiterführen oder Finanzierungs- und Expertiselücken füllen können, wobei eine Übergabe an weitere Akteure vor Ort unter Umständen ebenfalls eine Option sein kann. Weiterhin wird empfohlen, die Erfahrungen des BMZ und auch anderer Geber aus vorherigen Exit-Prozessen in der bilateralen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit systematischer aufzubereiten und in zukünftigen Planungen stärker zu berücksichtigen.

    Datengrundlage

    Die Ergebnisse beruhen im Wesentlichen auf einem umfangreichen Literaturreview. Dieser wurde um Interviews mit Expert*innen der Entwicklungszusammenarbeit sowie eine Onlineumfrage unter Mitgliedern des Netzwerks für Entwicklungsevaluierung (EvalNet) des Entwicklungshilfeausschusses (DAC) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ergänzt. Vertiefungsstudien zu Exit-Prozessen in der bilateralen deutschen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit in Angola, Madagaskar, Senegal, Thailand und Tschad konnten die Ergebnisse der Synthesestudie anekdotisch erweitern.

    Über das DEval

    Das Deutsche Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) ist vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mandatiert, Maßnahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit unabhängig und nachvollziehbar zu analysieren und zu bewerten. Mit seinen strategischen und wissenschaftlich fundierten Evaluierungen trägt das Institut dazu bei, die Entscheidungsgrundlage für eine wirksame Gestaltung des Politikfeldes zu verbessern und Ergebnisse der Entwicklungszusammenarbeit transparenter zu machen. Das Institut gehört zu den Ressortforschungs-einrichtungen des Bundes und wird von Prof. Dr. Jörg Faust geleitet.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Stefan Leiderer
    Abteilungsleiter
    Staatliche EZ, Governance
    Tel.: +49 228 33 69 70-970
    E-Mail: stefan.leiderer@DEval.org


    Originalpublikation:

    Lücking, K., M. Eppler, M.S. Heinelt (2021), Exit-Prozesse in der Entwicklungszusammenarbeit, Deutsches Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval), Bonn.
    https://www.deval.org/fileadmin/Redaktion/PDF/05-Publikationen/Berichte/2021_Exi...


    Bilder

    Anhang
    attachment icon Bericht: Exitprozesse in der Entwicklungszusammenarbeit

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Politik
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).