Neues Forschungsprojekt von Musik- und Geschichtswissenschaft untersucht Medien, Netzwerke, Akteure und Inhalte der U-Musik im Dritten Reich
Radio und Tonfilm haben der Musik während der Weimarer Republik zu einer enormen Verbreitung verholfen und die Begeisterung für die neuen Medien und für neue Klänge war auch nach der Machtergreifung ungebrochen. Die Nationalsozialisten verfolgten zwar keine klar konzipierte Musikpolitik, Unterhaltungsmusik spielte während ihrer Herrschaft als Kommunikationsmittel jedoch eine wichtige Rolle. Die Sparte genoss unter Joseph Goebbels, der den Kulturbetrieb beaufsichtigte, mehr Freiraum als andere gesellschaftliche Bereiche. „Insgesamt war die Gemengelage jedoch recht kompliziert“, sagt Prof. Dr. Peter Niedermüller von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Der Musikwissenschaftler leitet das Forschungsprojekt „Deutsche Unterhaltungsmusik im 20. Jahrhundert“, das in Zusammenarbeit mit dem Historischen Seminar das Musikgeschehen während der NS-Zeit ab Ende der Weimarer Republik bis zum Jahr 1945 untersucht. Das Projekt wird von der GEMA-Stiftung und von der Franz Grothe-Stiftung finanziell unterstützt.
Handeln der einzelnen Personen angesichts politischer Repression betrachten
Im Fokus des Forschungsprojekts steht auf der einen Seite die Frage nach der politischen Einflussnahme und Repression durch die NS-Verantwortlichen. Auf der anderen Seite sieht Niedermüller auch das Handeln des Einzelnen vor diesem politischen Hintergrund als wichtiges Themenfeld an. Das Forschungsteam wird dazu die Lebenswege von Musikerinnen und Musikern im NS-Staat nachzeichnen, zum Beispiel auch von Franz Grothe, Komponist und Dirigent des Deutschen Tanz- und Unterhaltungsorchesters. „Für ausländische und jüdische Musikerinnen und Musiker wurde die Situation ab 1933 immer schwieriger. Deutsche Künstler haben allerdings versucht, an ihrer Musik, mit der sie in der Weimarer Zeit erfolgreich waren und die oft Anleihen bei Jazz und Swing genommen hatte, auch anschließend festzuhalten“, so Niedermüller. „Die Biographien sind sehr unterschiedlich und wir müssen das konkrete Handeln der einzelnen Personen betrachten.“
Ein weiteres Arbeitsthema befasst sich mit der Einbettung von Unterhaltungsmusik in Spielfilmen und ihrer jeweiligen Funktion. Musikalische Analysen werfen einen Blick auf die Rolle von Marschrhythmik im Gegensatz zu Swing- und Jazz-Elementen. „Hollywood war ein großes Vorbild für Goebbels“, erklärt Niedermüller. „Wir sehen an der deutschen Unterhaltungsmusik der damaligen Zeit, wie Revue- und Operettenmusik, Jazzelemente und Volksmusik verschmelzen.“ Offenbar wurde die Notwendigkeit einer starken Unterhaltungskultur als wichtig erachtet, nicht nur, weil die Gesellschaft danach verlangt hat, sondern auch um Normalität zu suggerieren.
Erster Workshop mit Beteiligung von Musik-, Geschichts- und Medienwissenschaft geplant
Die neue Forschungsgruppe ist stark interdisziplinär angelegt, insbesondere bestehen zwischen der Musikwissenschaft und der Zeitgeschichte an der JGU enge Verbindungen. Bei dem ersten Workshop der Gruppe werden außerdem Vertreter der Film- und Medienwissenschaft vertreten sein. Der Workshop „Deutsche Unterhaltungsmusik der 1920er bis 1940er Jahre. Bestandsaufnahme, Perspektiven, Desiderate“ findet vom 7. bis 9. Oktober 2021 an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz statt. Interessierte können als Gast via Video-Konferenz an der Veranstaltung teilnehmen. Eine Anmeldung unter unterhaltungsmusik@uni-mainz.de ist erforderlich.
Weiterführende Links:
https://unterhaltungsmusik.uni-mainz.de/das-forschungsprojekt/ - Forschungsprojekt „Deutsche Unterhaltungsmusik im 20. Jahrhundert“
https://unterhaltungsmusik.uni-mainz.de/programm-workshop/ - Programm Workshop „Deutsche Unterhaltungsmusik“
http://www.musikwissenschaft.uni-mainz.de – Homepage Abteilung Musikwissenschaft der JGU
http://www.facebook.com/MusikwissenschaftUniMainz - Abteilung Musikwissenschaft auf Facebook
Prof. Dr. Peter Niedermüller
Abteilung Musikwissenschaft
Institut für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-22184
E-Mail: niedermu@uni-mainz.de
https://www.musikwissenschaft.uni-mainz.de/personen/pd-dr-peter-niedermueller-m-...
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Geschichte / Archäologie, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Musik / Theater
überregional
Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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