Durch die Wiedervernässung von Mooren entstehen hydrologisch, geochemisch und auch in der Vegetation neuartige Ökosysteme. Diese müssen funktional anders bewertet werden, d.h. das Übertragung von Wissen über die Funktionsweise aus naturnahen Mooren nur eingeschränkt möglich ist. Das ist das Schlussfolgerung aus den Ergebnissen einer Studie, die in dem Artikel „Rewetting does not return drained fen peatlands to their old selves“ in der aktuellen Ausgabe (September 2021) der Zeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht wurde.
Unter Federführung von Wissenschaftler*innen der Universitäten Greifswald und Rostock hat eine große Gruppe von Moorkundigen aus Europa Daten von hunderten naturnahen und wiedervernässten Niedermooren in gemäßigten Zonen Europas miteinander verglichen.
Moore speichern doppelt so viel Kohlenstoff wie die gesamte Biomasse der Wälder der Welt. Viele Moorflächen weltweit wurden jedoch für Land- und Forstwirtschaft oder Torfabbau entwässert und dadurch in CO2-Quellen verwandelt. Ihre Wiedervernässung ist für die Verringerung der CO2-Emissionen unerlässlich. Dieser Zusammenhang ist seit einigen Jahren klar erkannt und mit vielen Messdaten untersetzt. Wie allerdings die wiedervernässten Moore konkret aussehen, welche Vegetation sich einstellt und ob sie funktionell wieder ihrem natürlichen Zustand ähneln, ist bisher wenig erforscht. Eine zentrale Frage war: Ob und nach welcher Zeit die wiedervernässten Flächen ihrem ursprünglichen Zustand wieder ähnlich werden. Die Studie liefert nun die bisher umfassendsten Erkenntnisse zu wiedervernässten Niedermooren in den gemäßigten Breiten.
Das Forschungsteam hat den Erfolg der Wiedervernässung durch den Vergleich von 320 wiedervernässten mit 243 naturnahen Niedermoorstandorten mit vergleichbarer Entstehungsgeschichte in den gemäßigten Breiten Europas zwischen Wales im Westen und Belarus im Osten untersucht. Ein besonderer „Datenschatz“ waren dabei die Daten aus Mecklenburg-Vorpommern, wo mehr als 30.000 ha der insgesamt in Deutschland bisher wiedervernässten Moorfläche von ca. 70.000 ha liegen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Wiedervernässung von entwässerten Niedermooren die Etablierung von hohen, grasartigen Feuchtgebietspflanzen wie Schilf und Rohrkolben begünstigt. Neben der veränderten Biodiversität zeigen die wiedervernässten Moore im Vergleich zu naturnahen Mooren stärkere Schwankungen im Wasserstand und verdichtete Torfe. Überraschenderweise bleiben die Unterschiede zwischen wiedervernässten und naturnahen Mooren hinsichtlich Biodiversität (Vegetation) und Ökosystemfunktionen (charakterisiert durch z.B. geochemische und hydrologische Parameter) lange erhalten. Bis zu drei Jahrzehnte nach Wiedervernässung konnte im Mittel kein Trend hin zu den Bedingungen in naturnahen Mooren nachgewiesen werden. Stattdessen entstehen lokal neuartige Ökosysteme.
Die Mitte 2021 gestartete UN-Dekade für die Restaurierung von Ökosystemen https://www.international-climate-initiative.com/de/un-dekade-oekosysteme ist der entscheidende Zeitraum für die Erfüllung unserer Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutz-Abkommen, auch in Bezug auf Moore und für die Moorforschung. Das Pariser Abkommen impliziert die Wiedervernässung von 500.000 km2 entwässerter Moore weltweit bis zum Zeitraum zwischen 2050 und 2070. In Deutschland müssten zur Erreichung dieses Zieles ca. 50.000 ha pro Jahr, in Mecklenburg-Vorpommern ca. 8.500 ha pro Jahr wiedervernässt werden. Um die Planung und Durchführung der Wiedervernässung von Mooren und die anschließende nachhaltige Bewirtschaftung optimal zu gestalten, ist ein besseres Verständnis der daraus resultierenden lokal neuartigen Ökosysteme erforderlich. Daher rufen die Autoren des Artikels zu einer konzertierten Verstärkung der Forschungsaktivitäten zu wiedervernässten Mooren auf, um gemeinsam und koordiniert Daten über die ökologische Funktionsweise eines möglichst breiten Spektrums von wiedervernässten Mooren zusammenzustellen und wo diese fehlen, zu erarbeiten.
Weitere Informationen:
Publikation in Nature Communications: https://www.nature.com/articles/s41467-021-25619-y
Beitrag in Nature Portfolio Ecology and Evolution: https://natureecoevocommunity.nature.com
Arbeitsgruppe Experimentelle Pflanzenökologie, Universität Greifswald: https://botanik.uni-greifswald.de/experimentelle-pflanzenoekologie/
Greifswald Moor Centrum: www.greifswaldmoor.de
Arbeitsgruppe Landschaftsökologie und Standortkunde, Universität Rostock: https://www.auf.uni-rostock.de/le0/
Ansprechpartner*innen an der Universität Greifswald:
Prof. Dr. Jürgen Kreyling/Dr. Franziska Tanneberger
Institut für Botanik und Landschaftsökologie
Soldmannstr. 15, 17487 Greifswald
Telefon +49 3834 420-4131 oder -4137
kreyling@uni-greifswald.de
tanne@uni-greifswald.de
Ansprechpartner*innen an der Universität Rostock
Dr. Gerald Jurasinski, Prof. Dr. Florian Jansen
Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät
Justus-von-Liebig-Weg 6, 18059 Rostock
Telefon +49 381 498 3225
gerald.jurasinski@uni-rostock.de
florian.jansen@uni-rostock.de
Wiedervernässte Moore im Peenetal in Mecklenburg-Vorpommern
Stephan Busse
Stephan Busse
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Biologie, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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