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12.10.2021 14:55

Entwicklung nachhaltiger und energieautonomer Kühlcontainersysteme für afrikanische Krankenhäuser

Holger Gust M. A. Presse und Kommunikation
Hochschule Karlsruhe

    Internationales Forschungskonsortium unter Federführung der Hochschule Karlsruhe (Die HKA) wird von der EU über vier Jahre mit 8 Mio. Euro gefördert

    Am heutigen Dienstag, 12. Oktober 2021, trafen sich an der Hochschule
    Karlsruhe (Die HKA) Vertreter der 13 Projektpartner zum offiziellen Start
    des internationalen Forschungsprojekts "SophiA", die aus diesem Anlass von
    Dr. Frank Mentrup, Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe, und Prof. Dr.-
    Ing. Franz Quint, Prorektor für Forschung, Kooperationen und
    Qualitätsmanagement der HKA, begrüßt wurden. Neben der federführenden HKA
    sind aus Deutschland das Steinbeis-Europa-Zentrum, die
    Nichtregierungsorganisation Operieren in Afrika sowie die Unternehmen
    MARTIN Systems GmbH, Simply Solar GbR und RAACH Solar beteiligt, das
    französische International Institute of Refrigeration, die Hochschule für
    Angewandte Wissenschaften der Ostschweiz, die Makerere University in
    Uganda, das Institut International d'Ingénierie de l'Eau et de
    l'Environnement in Burkina Faso, das Ministerium für Öffentliche Gesundheit
    in Kamerun sowie die südafrikanischen Unternehmen Everflo und Kovco.

    Unterstützt wird das Projekt zudem von weiteren nationalen Ministerien,
    Gesundheitsbehörden und Krankenhäusern sowie von namhaften
    Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen.

    Als eines von zwei Leuchtturmprojekten, die in der Ausschreibung
    Accelerating the green transition and energy access Partnership with Africa
    (TOPIC ID: LC-GD-2-3-2020) bei der Evaluation die volle Punktzahl
    erreichten, zählt das Projekt unter 150 Einreichungen zu den vier
    ausgewählten Projekten und wird von der EU für eine Laufzeit von vier
    Jahren mit 8 Mio. Euro gefördert.

    "SophiA steht für "Sustainable off-grid solutions for pharmacies and
    hospitals in Africa" (,Nachhaltige netzunabhängige Lösungen für Apotheken
    und Krankenhäuser in Afrika'), so Projektleiter Prof. Dr.-Ing. habil.
    Michael Kauffeld, der an der HKA das Institut für Kälte-, Klima- und
    Umwelttechnik leitet und an der Fakultät für Maschinenbau und Mechatronik
    lehrt. "Ziel unseres Projekts ist die Entwicklung nachhaltiger und
    energieautonomer Kühl- und Wasseraufbereitungscontainersysteme für
    afrikanische Krankenhäuser, die diesen eine stabile Kühlung von Wasser,
    Medikamenten, Blutplasma, Seren und Impfstoffen im Temperaturbereich von +6
    °C bis -70 °C erlauben, und diese vor Ort in vier unterschiedlichen
    afrikanischen Klimazonen im realen Einsatz zu testen."

    Obwohl das globale Phänomen der Verstädterung auch in Afrika zu beobachten
    ist, leben die meisten Menschen dort nach wie vor in ländlichen und
    abgelegenen Gebieten mit schlechter Infrastruktur und geringen
    Wachstumsmöglichkeiten. Ländliche Gemeinden in Afrika leiden unter einem
    schlechten Zugang zu Gesundheitsversorgung, Schulen und Infrastruktur, was
    auch zu Armut und Krankheiten führt. Schlechte und unzuverlässige
    Stromversorgung sowie der fehlende Zugang zu sicherem und sauberem
    Trinkwasser sind häufig anzutreffen und die Hälfte der Menschen südlich der
    Sahara hat keinen Zugang zu Elektrizität.

    In den afrikanischen Subsaharagebieten gibt es etwa 98.700 bis 120.000
    (öffentliche) Gesundheitseinrichtungen (22.000 Krankenhäuser und 98.000
    Gesundheitsstationen), von denen etwa ein Viertel keinen Zugang zu
    Elektrizität haben und nur knapp mehr über eine zuverlässige
    Stromversorgung verfügen. Außerdem haben in vielen Regionen bis zur Hälfte
    dieser Einrichtungen keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser. Auf dem
    afrikanischen Kontinent wird zwischen 2015 und 2050 mehr als die Hälfte des
    weltweiten Bevölkerungswachstums erwartet, was verdeutlicht, wie wichtig es
    ist, sich mit der Gesundheit der Bevölkerung zu befassen - auch als
    Voraussetzung für eine gute sozio-ökonomische Entwicklung. Dabei muss die
    medizinische Versorgung gerade in den abgelegenen ländlichen Gebieten mit
    schlechter Strom- und Wasserversorgung zurechtkommen, also insbesondere
    kleine lokale medizinische Versorgungszentren oft mit verunreinigtem
    Wasser, ohne Kühlung (von Medikamenten), ohne Klimaanlage und mit
    mangelhaften sanitären Einrichtungen.

    Ein oft vernachlässigter und häufig unterschätzter Bereich ist die Kühlung
    in abgelegenen ländlichen Gesundheitseinrichtungen (Krankenhäuser,
    Gesundheitsposten und Apotheken), da sie auf mehreren Niveaus benötigt
    wird. Krankenhäuser benötigen typischerweise für den Operationssaal und die
    Intensivstation (z. B. gekühltes Wasser bei +6 °C), zur Kühlung von
    Medikamenten (+5 °C), von Blutplasma (-30 °C) und Impfstoffen (für einige
    bis zu -70 °C, z. B. einzelne Covid-19 oder Ebola Impfstoffe). Viele
    Medikamente und Salben sowie Erythrozytenkonzentrate (aus roten Blutkörpern
    bestehende Konserve zur Bluttransfusion) müssen um +5 °C gekühlt werden und
    verderben ansonsten schnell. Bei -30 °C lässt sich Blutplasma zwei Jahre
    lang aufbewahren. Ist es nicht im entscheidenden Moment verfügbar, kann
    dies zu weiteren Erkrankungen oder sogar zum Tod führen. Als Reaktion auf
    die Ebolavirus-Epidemie 2014-2015 in Westafrika hatten Forscher die
    Entwicklung von Ebola-Impfstoffen beschleunigt. Aufgrund des frühen
    Entwicklungsstadiums und der begrenzten, kritischen Stabilitätsdaten musste
    der Impfstoff bei -60 °C oder kälter gelagert werden. Geeignete Kühlzentren
    bzw. -ketten waren während der Ebola-Krise nicht verfügbar und sind es auch
    jetzt während der Covid-19-Pandemie nicht.

    Neben der Bereitstellung von sicherem und sauberem Trinkwasser ist der
    Zugang zu Energie ist eine entscheidende Voraussetzung für den Einsatz
    zeitgemäßer medizinischer Technologie und damit auch ein zentraler Faktor,
    damit grundlegende Gesundheitsdienste erbracht werden können. Der
    afrikanische Kontinent verfügt über ein enormes Potenzial an erneuerbaren
    Energien, aber beispielsweise Photovoltaik (PV) wird bis heute nur in
    geringem Umfang genutzt. Sie wird jedoch in naher Zukunft eine praktikable
    Option darstellen, da die Brennstoffkosten steigen und die Kosten für PV-
    Paneele drastisch gesunken sind. Darüber hinaus können mit PV betriebene
    Systeme erheblich zur Verringerung der CO2-Emissionen beitragen.
    Eigenständige dieselbetriebene Generatoren erzeugen mehr als 1 kg CO2/kWh,
    während PV-Solarsysteme im Durchschnitt weniger als 250 g CO2 erzeugen.

    Über SophiA soll nun eine nachhaltige, netzunabhängige Versorgung für
    ländliche und abgelegene Gesundheitseinrichtungen in Afrika bereitgestellt
    werden und den Zugang zu Energie und Gesundheitsleistungen für alle
    ermöglichen. SophiA wird vor Ort innovative, erschwingliche und effiziente
    solarbetriebene Geräte entwickeln um folgende Aspekte sicherzustellen:

    - Stromversorgung bei Netzausfällen
    - Sicheres und sauberes Trinkwasser
    - Heißes Wasser; bei Bedarf Dampf
    - Kühlung von Operationssälen oder Intensivstationen
    - Kühlung von Medikamenten bei +5 °C; eventuell Kühlung von Lebensmitteln
    - Tieftemperaturlagerung von Blutplasma bei -30 °C
    - Ultratieftemperatur-Lagerung von empfindlichen Medikamenten (z. B. einige
    Covid-19- oder Ebola-Impfstoffe) bei -70 °C

    Dazu werden PV-Paneele, solarthermische Module, Ultrafiltration in
    Kombination mit UV-Lampen und kapazitiver De-Ionisierung sowie natürlichen
    Kältemitteln mit niedrigem Treibhauspotenzial (low GWP) in einem
    dreistufigen Kaskadenkältesystem mit hocheffizienter thermischer
    Energiespeicherung eingesetzt. Darüber hinaus werden PV MedPorts, eine
    einfache und zu 100 % solarbetriebene Lösung, entwickelt und in kleinen
    abgelegenen Gesundheitsstationen in vier verschiedenen afrikanischen
    Klimazonen in Burkina Faso, Kamerun, Uganda und Malawi getestet und
    demonstriert.

    Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Feldtestinstallationen wird nach
    Abschluss des Projekts eine modulare Containerversion verfügbar sein. Dazu
    wird ein Leitfaden erstellt, der es lokalen Unternehmen ermöglicht,
    ähnliche Systeme vor Ort zu bauen.

    "Langfristig soll SophiA immer mehr Menschen in Afrika den Zugang zu
    solarer Energie für Strom, Heizung und Kühlung von Lebensmitteln und
    Medikamenten sowie zu sicherem und sauberem Trinkwasser ermöglichen und so
    die Lebensqualität auf nachhaltige Weise verbessern", so Prof. Dr.-Ing.
    habil. Michael Kauffeld, der gemeinsam mit Prof. Dr.-Ing. Jan Hoinkis das
    Projekt leitet. "Eine breite Einführung von SophiA-Systemen wird
    ökologische, wirtschaftliche, soziale und insbesondere gesundheitliche
    Vorteile mit sich bringen, um vor Ort nachhaltige, dem afrikanischen
    Kontext angemessene Lösungen zu bieten. SophiA wird in Afrika so einen
    Beitrag zu einem nachhaltigen Entwicklungswachstum leisten können."


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr.-Ing. habil. Michael Kauffeld
    Institut für Kälte-, Klima- und Umwelttechnik
    Hochschule Karlsruhe
    Moltkestraße 30, 76133 Karlsruhe
    Tel. +49 (0)721 925-1843
    E-Mail: michael.kauffeld(at)h-ka.de


    Bilder

    Konzeptionelle Abbildung der geplanten nachhaltigen und energieautonomen Kühl- und Wasseraufbereitungscontainersysteme
    Konzeptionelle Abbildung der geplanten nachhaltigen und energieautonomen Kühl- und Wasseraufbereitun ...
    Grafik: Oliver Schmid


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Energie, Maschinenbau, Medizin, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Konzeptionelle Abbildung der geplanten nachhaltigen und energieautonomen Kühl- und Wasseraufbereitungscontainersysteme


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