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25.03.2004 14:54

Umweltschonende Energieerzeugung: Bundesweit erster Lehrstuhl für Windenergie an der Uni Stuttgart

Ursula Zitzler Stabsstelle Hochschulkommunikation
Universität Stuttgart

    Schwerpunkte in Nachwuchsförderung und Forschung

    Der bundesweit erste Lehrstuhl für Windenergie an der Universität Stuttgart hat im Januar 2004 seine Arbeit aufgenommen. Der auf Initiative von Karl Schlecht, Gründer der Putzmeister AG in Aichtal bei Stuttgart, eingerichtete Lehrstuhl ist am Institut für Flugzeugbau der Fakultät Luft- und Raumfahrttechnik und Geodäsie der Universität Stuttgart angesiedelt. Inhaber des Stiftungslehrstuhls ist Professor Dr. Martin Kühn, zuvor fünf Jahre lang Projektleiter "Offshore-Windenergie" in der Entwicklungsabteilung eines internationalen Herstellers von Windenergieanlagen.

    Akzeptanz umweltschonender Energien steigern
    "Mit dieser Professur soll die Tradition der Lehre und Forschung auf dem Gebiet der Windenergie von Professor Ulrich Hütter fortgesetzt werden", betonte der Stifter Karl Schlecht, der in den 50er Jahren an der damaligen Technischen Hochschule Stuttgart Maschinenbau studiert hat, bei der Vorstellung des Lehrstuhls vor der Presse am 25. März. "Er begeisterte mich 1957 während meines Maschinenbaustudiums für die Naturkraft Wind und die darin - wie auch im Flugzeug - enthaltenen vielfältigen und faszinierenden Technologien", erzählte der gelernte Diplomingenieur und erfolgreiche Unternehmer. Die Lehre am Stiftungslehrstuhl Windenergie dient - dem Wunsch des Stifters folgend - zunächst der Nachwuchsförderung, nicht nur in fachlicher, sondern auch in persönlicher Hinsicht. "An der Praxis ausgerichtet soll am Beispiel der Windturbinen das Bewusstsein junger Menschen geweckt werden für Probleme, Sensibilität und Freude an wissenschaftlicher Wahrheitsfindung, gepaart mit analytischem Denken", sagte Karl Schlecht. Dies sei sein Erfolgsrezept bei Putzmeister bis heute. In der Forschung sieht er neben den klassischen konstruktiven Aufgaben auch Ziele bei der Erhöhung der Anlageneffizienz, Verfügbarkeit und Lebensdauer zur Steigerung der Akzeptanz und Wettbewerbsfähigkeit einer umweltschonenden Energiegewinnung.

    Wiege der modernen Windenergienutzung in Baden-Württemberg
    "Forschung und Lehre der Windenergie haben Tradition an der Universität Stuttgart. Man darf sogar sagen, die Wiege der modernen Windenergienutzung liegt in Baden-Württemberg", betonte Heiner Dörner, der mehr als 20 Jahre das Fachgebiet als Dozent am Institut vertreten hat. 1942 erarbeitete Ulrich Hütter in seiner Dissertation die theoretischen Grundlagen zur "Freifahrenden Turbine", die er dann in den 50er Jahren als Chefkonstrukteur bei der Firma Allgaier in Uhingen in die Praxis umsetzte. Dort entwickelte er die legendäre Windkraftanlage WE 10 mit elf Metern Rotordurchmesser. Ein restauriertes Exemplar steht heute vor dem Institut. "Diese Allgaier-Hütter-Anlage gilt als das Urmodell der modernen Windanlagen zur Elektrizitätserzeugung", hob Dörner hervor. "Nach Hütters Berufung zum Direktor des Instituts für Flugzeugbau (1959 - 1980) wurden weitere Anlagen gebaut, die nicht nur größer waren, sondern - weltweit einmalig - erstmals Rotorblätter aus glasfaserverstärktem Kunststoff einsetzten", berichtete er über die Arbeiten des Windkraftpioniers. Stuttgarter Wissenschaftler aus verschiedenen Instituten arbeiteten zwischen den 70er und dem Beginn der 90er Jahre an einer Vielzahl weiterer Forschungs- und Entwicklungsprojekte in diesem Bereich.

    Rasante Entwicklung der Windenergienutzung
    "Diese Arbeiten legten die Grundlagen für die rasante industrielle Entwicklung der Windenergienutzung innerhalb der letzten 15 bis 20 Jahre", sagte Prof. Kühn und schlug damit die Brücke zur Gegenwart. Ulrich Hütter sei seiner Zeit voraus gewesen, als er in den 70er Jahren unter anderem die Rotorblätter der Forschungsanlage GROWIAN mit drei Megawatt Leistung und 100 Metern Rotordurchmesser ausgelegt hatte, sagte Kühn; er selbst habe noch 1990 bei einem Praktikum Anlagen mit 30 Kilowatt Leistung und 12 Metern Durchmesser montiert. Erst heute sehe man wieder Windenergieanlagen in der von Ulrich Hütter konzipierten Größe; jetzt als kommerzielle Produkte. Martin Kühn, der noch im letzten Jahr bei seinem früheren Arbeitgeber, der GE Wind Energy GmbH, unter anderem für den Aufbau von sieben 3.6 MW Turbinen mit 104 Metern Durchmesser in der Irischen See verantwortlich war, verwies auf die "neuen Herausforderungen in diesem Arbeitsfeld, nicht nur bei der anspruchsvollen Offshore-Technologie".

    Großer Forschungsbedarf
    Kühn sieht viel Arbeit vor sich, nicht nur bei der Reduktion der Investitions- und Betriebskosten, sondern auch bei der Erforschung von wirkungsvolleren und qualitativ besseren Rotorblättern, Überwachungstechniken für den zuverlässigen Betrieb der Anlagen oder den dynamischen Belastungen und der Regelung von Offshore Multi-Megawatt-Giganten. Wichtig ist dies auch zur Optimierung der Auslegung von Windparks. "In der Windenergiebranche gibt es seit Jahren einen starken Bedarf an wissenschaftlich geschulten, qualifizierten Fachkräften, die nicht nur Spezialisten für Teilaspekte wie Aerodynamik, Festigkeitsberechnung oder Leistungselektronik sind, sondern gerade das Zusammenspiel all dieser Aspekte im System 'Windenergieanlage' verstehen, weiterentwickeln und erfolgreich auf dem internationalen Markt vertreiben können. Hier werden wir mit einem neuen Angebot von Vorlesungen, Laborveranstaltungen, Exkursionen und Industriepraktika ansetzen und uns auch mit anderen Hochschulen beispielsweise in Deutschland, Dänemark und den Niederlanden vernetzen." Gerade die Kooperation und Koordination sei wichtig, da erfreulicherweise viele Aktivitäten an diversen Hochschulen existierten, die jedoch bisher immer unter einem anderen Fachgebiet angesiedelt waren. "Mit dem neuen Stuttgarter Lehrstuhl haben wir eine einmalige Chance, aber auch Verantwortung bekommen", betonte Prof. Kühn, der einen Schwerpunkt auch auf die Offshore Nutzung der Windenergie setzen will.

    Der Stiftungslehrstuhl Windenergie (SWE) wurde von der gemeinnützigen Stiftung KSG des Gründers der Putzmeister AG, Karl Schlecht aus Aichtal bei Stuttgart, für zunächst zehn Jahre gestiftet und mit insgesamt zweieinhalb Millionen Euro ausgestattet. Die Universität und das Land Baden-Württemberg steuern nochmals über eine Million Euro bei.

    Stiftungsprofessuren an der Universität Stuttgart
    Mit der neuen Professur Windenergie sind an der Universität Stuttgart zur Zeit neun Stiftungsprofessuren angesiedelt. Dies demonstriert auch die hohe Akzeptanz Stuttgarter Forschungsleistungen in der Industrie. Die Themengebiete reichen von Architektur über Bildschirmtechnik, Heiz- und Raumlufttechnik oder Produktionstechnische Softwaresysteme bis zu Verkehrsplanung und Verkehrsleittechnik sowie Verbrennungsmotoren. In Baden-Württemberg werden Stiftungsprofessuren in der Regel für zehn Jahre finanziert und anschließend vom Land beziehungsweise der Universität übernommen.

    KONTAKT
    Prof. Dr. Martin Kühn, Institut für Flugzeugbau, Stiftungslehrstuhl Windenergie (SWE), Universität Stuttgart, Allmandring 5B, 70550 Stuttgart,
    Tel. 0711/685-8258, Fax 0711/685-8293
    e-mail: kuehn@ifb.uni-stuttgart.de
    URL: www.ifb.uni-stuttgart.de

    Informationen zur Person

    Prof. Dr. Martin Kühn
    Prof. Dr. Dipl.-Ing. Martin Kühn (40) ist mit dem Thema Windenergie und speziell deren Offshore Nutzung seit seinem Studium an der Universität Hannover (Maschinenbau), der TU Berlin (Physikalische Ingenieurwissenschaft) und der TU Delft in den Niederlanden vertraut. Während seiner wissenschaftlichen Tätigkeit in Delft von 1993 bis 1999 führte Martin Kühn grundlegende Arbeiten zur Dynamik und wirtschaftlichen Optimierung von Offshore Windparks unter anderem in einem großen europäischen Forschungsprojekt durch. Neben speziellen Arbeiten zum strukturdynamischen Verhalten bei Wind- und Wellenbelastung stand die Integration von unterschiedlichen Kenntnissen und Verfahren aus den Bereichen Windenergie, Offshore Öl- und Gastechnologie sowie Energiewirtschaft im Vordergrund.
    Der Wechsel zum internationalen Hersteller von Windenergieanlagen GE Wind Energy in Salzbergen, Niedersachsen im Jahre 1999 ermöglichte eine industrielle Umsetzung der wissenschaftlichen Arbeiten und weitere Anregungen für die anschließende Promotion an der TU Delft. Im Jahre 2000 und 2003 war Professor Kühn technischer Projektleiter für zwei Offshore Windprojekte in Schweden und Irland.

    Dipl.-Ing. Karl Schlecht
    Karl Schlecht (71), Aufsichtsratsvorsitzender der Putzmeister AG, absolvierte in den 50er Jahren an der früheren Technischen Hochschule Stuttgart ein Ingenieurstudium. In seiner Diplomarbeit beschrieb er 1957 die erste, von ihm selbst gebaute Verputzmaschine für das väterliche Gipsergeschäft in Filderstadt-Bernhausen bei Stuttgart und vergab dafür schon während des Studiums Lizenzen aus seinem Ingenieurbüro. 1958 gründete er sein eigenes Unternehmen, dem er 1961 den Namen "Putzmeister Werk" gab. Binnen weniger Jahre wurde das Unternehmen in Aichtal bei Stuttgart einer der Marktführer und Pionier bei der Entwicklung zukunftsweisender Verputzsysteme. 1967 entwickelte Karl Schlecht neuartige Betonpumpen für Transportbeton. Heute ist die Putzmeister AG einer der weltweit bedeutendsten Hersteller von Betonpumpen mit dreizehn Tochterfirmen in allen wichtigen Industrieländern sowie seit 1997 auch einem Werk in Shanghai.
    1998 übertrug Karl Schlecht alle Anteile der Putzmeister AG in die gemeinnützige Karl-Schlecht-Stiftung (KSG) Neben dem neuen Stiftungslehrstuhl der Universität Stuttgart fördert die KSG unter anderem den Stiftungslehrstuhl Entrepreneurship an der Universität Hohenheim (SEH), wirtschaftsbezogene Projekte der Stiftung Weltethos in Tübingen und das gemeinnützige Projekt "Management of Business Humanity" (MBH), das für eine Unternehmenskultur eintritt, die von menschlichen Grundwerten getragen ist und Liebe zum Lernen fördert. Als Förderer der Windenergie hat Karl Schlecht weiterhin eine Firma zum Betrieb von Windkraftanlagen und zudem die WINTUS GmbH zur Unterstützung der Aktivitäten des Stiftungslehrstuhles SWE im Windbereich gegründet.
    Weitere Informationen unter www.karl-schlecht.de, www.karl-schlecht.de/stiftung/default.htm, www.wintus.org/

    Dipl.-Ing. Heiner Dörner
    Heiner Dörner (63) studierte in Stuttgart Luftfahrttechnik. Er ist seit 1968 am Institut für Flugzeugbau in Lehre und Forschung tätig. Mehr als 7.500 Studierende haben bei ihm Vorlesungen zum Vordiplom gehört. Seit 1980 betreut Heiner Dörner, Schüler des früheren Institutsleiters Professor Ulrich Hütter, im Hauptstudium Luft- und Raumfahrttechnik das Gebiet der Windenergie. Über 1.000 Studentinnen und Studenten besuchten bei ihm im Hauptstudium die Wahlvorlesungen: "Freifahrende Turbinen, Windenergie" und "Nutzung regenerativer Energien" mit anschließender Prüfungsklausur. Daneben betreute er auf diesen Gebieten über 100 Studien- und Diplomarbeiten.
    Heiner Dörner hat zahlreiche weitere Aufgaben für die Universität Stuttgart übernommen. Seit 1968 ist er Leiter des Praktikantenamtes der Fakultät Luft- und Raumfahrttechnik, die inzwischen um die Geodäsie erweitert wurde. 1971 bis 2002 war er Mittelbauvertreter im Fakultätsrat Luft- und Raumfahrttechnik. Und er wirkte über 18 Jahre hinweg als Ausbilder für den Lehrberuf "Technischer Zeichner"; 15 Lehrlinge haben die Ausbildung unter seiner Obhut erfolgreich abgeschlossen.
    Als "Anwalt" der Windenergie hält er Vorträge über dieses Themenfeld in Österreich, Schweden, USA, Argentinien, Ägypten, Brasilien, Indien, Venezuela sowie bei vielen Tagungen und vor zahlreichen Institutionen in Deutschland. Darüber hinaus ist er seit 1971 als parteifreier Stadtrat in Heilbronn kommunalpolitisch tätig. Für sein Engagement erhielt er 2001 das Bundesverdienstkreuz.
    e-mail: doerner@ifb.uni-stuttgart.de
    URL: www.ifb.uni-stuttgart.de/~doerner/doerner.html


    Weitere Informationen:

    http://www.ifb.uni-stuttgart.de
    http://www.karl-schlecht.de
    http://www.karl-schlecht.de/stiftung/default.htm
    http://www.wintus.org/
    htttp://www.ifb.uni-stuttgart.de/~doerner/doerner.html


    Bilder

    Der Stifter Karl Schlecht (links) mit Professor Martin Kühn, der den bundesweit ersten Lehrstuhl Windenergie an der Universität Stuttgart innehat.
    Der Stifter Karl Schlecht (links) mit Professor Martin Kühn, der den bundesweit ersten Lehrstuhl Win ...

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    Professor Martin Kühn hat den bundesweit ersten Lehrstuhl für Windenergie an der Universität Stuttgart inne.
    Professor Martin Kühn hat den bundesweit ersten Lehrstuhl für Windenergie an der Universität Stuttga ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Maschinenbau, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte, Personalia
    Deutsch


     

    Der Stifter Karl Schlecht (links) mit Professor Martin Kühn, der den bundesweit ersten Lehrstuhl Windenergie an der Universität Stuttgart innehat.


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    Professor Martin Kühn hat den bundesweit ersten Lehrstuhl für Windenergie an der Universität Stuttgart inne.


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