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19.10.2021 10:23

„Rauschen“ im Gehirn kann Wirksamkeit psychiatrischer Behandlung prognostizieren

Elena Hungerland Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung

    Schwankungen der Hirnaktivität können anzeigen, ob Menschen mit sozialer Angststörung von einer Therapie profitieren werden.

    Es ist nach wie vor eine zentrale Herausforderung in der Psychiatrie, zuverlässig zu beurteilen, ob ein*e Patient*in auf eine Behandlung anspricht oder nicht. In einer neuen Studie, die in der Zeitschrift Biological Psychiatry veröffentlicht wurde, zeigen Forscher des Karolinska Institutet und des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, dass Moment-zu-Moment-Fluktuationen der Gehirnaktivität zuverlässig vorhersagen können, ob Patient*innen mit sozialer Angststörung für eine kognitive Verhaltenstherapie (CBT) empfänglich sind.

    Brauchbare Vorhersagen über das Ansprechen auf eine psychiatrische Behandlung werden oft gesucht, sind aber schwer zu finden. Bildgebende Verfahren des Gehirns wie die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRI) haben sich als vielversprechend erwiesen, aber ihre geringe Zuverlässigkeit hat den Nutzen typischer fMRI-Messungen als Vorhersagefaktoren des Behandlungserfolgs eingeschränkt. Sich ändernde Hirnsignale von einem Moment zum anderen wurden lange Zeit als Zeichen für unerwünschtes „Rauschen“ angesehen. Mittlerweile gewinnt eben diese zeitliche Variabilität zunehmend Einfluss als Marker für individuelle Unterschiede effizienter neuronaler Funktion. Neuronale Variabilität wurde jedoch bislang noch nicht im Zusammenhang mit psychiatrischen Behandlungsergebnissen untersucht.

    Zu diesem Zweck konzipierte das Forscherteam eine einzigartige Studie: Bei 45 Patient*innen mit sozialer Angststörung wurden die Gehirne in zwei Sitzungen (im Abstand von elf Wochen) in Ruhe und bei der Betrachtung emotionaler Gesichter (eine für soziale Angst relevante Aufgabe) gemessen, um die neuronale Variabilität von einem Moment zum anderen zu erfassen. Anschließend nahmen die Patient*innen an einer neunwöchigen kognitiven Verhaltenstherapie teil, die über das Internet durchgeführt wurde. Die Forscher zeigten, dass die während der emotionalen Aufgabe gemessene Variabilität des Hirnsignals das Behandlungsergebnis am besten vorhersagte, obwohl die Patienten nur drei Minuten für die Aufgabe benötigten.

    „Die Variabilität von Hirnsignalen wird oft als Mess-'Rauschen' betrachtet, das vor einer weiteren Analyse eliminiert werden muss. Wir finden jedoch erste Hinweise darauf, dass die neuronale Variabilität ein zuverlässiger und effizienter Prädiktor für psychiatrische Behandlungsergebnisse sein kann, insbesondere wenn störungsrelevante Aufgabenstellungen verwendet werden. Wir müssen einfach unsere Standardansätze auf diesem Gebiet überdenken, um die klinische Wirkung zu maximieren“, sagt Erstautor Kristoffer Månsson, klinischer Psychologe und Forscher in der Abteilung für klinische Neurowissenschaften am Karolinska Institutet in Schweden.

    In der nächsten Phase ihrer Forschung werden die Autoren größere Stichproben analysieren, um zu untersuchen, ob die Variabilität der Gehirnsignale vorhersagen kann, welcher spezifischen Behandlung sich ein*e Patient*in unterziehen sollte. „Wenn die neuronale Variabilität von einem Moment zum anderen als klinisch nützlicher Prädiktor für den Behandlungserfolg taugen soll, muss sie den Ärzt*innen nicht nur sagen, wie stark ein Patient oder eine Patientin auf eine bestimmte Behandlung ansprechen wird, sondern auch, ob Behandlung A oder B für ihn oder sie besser geeignet ist. Dies herauszufinden ist unser langfristiges Ziel. In der Zwischenzeit stehen unsere Methoden allen Forscher*innen, die sich für den klinischen Nutzen der neuronalen Variabilität bei Patient*innen mit sozialer Angststörung und darüber hinaus interessieren, direkt und frei zur Verfügung“, sagt Douglas Garrett, Senior-Autor der Studie und Leiter der Lifespan Neural Dynamics Group am Max Planck UCL Centre for Computational Psychiatry and Ageing Research und am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin.

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    Das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung wurde 1963 in Berlin gegründet und ist als interdisziplinäre Forschungseinrichtung dem Studium der menschlichen Entwicklung und Bildung gewidmet. Das Institut gehört zur Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V., einer der führenden Organisationen für Grundlagenforschung in Europa.


    Originalpublikation:

    Månsson, K.N.T., Waschke, L., Manzouri, A., Furmark, T., Fischer, H., & Garrett, D.D. (2021). Moment-to-moment brain signal variability reliably predicts psychiatric treatment outcome. Biological Psychiatry. https://doi.org/10.1016/j.biopsych.2021.09.026


    Weitere Informationen:

    https://www.mpib-berlin.mpg.de/pressemeldungen-rauschen-im-gehirn-kann-wirksamke...


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Biologie, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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