idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
26.10.2021 13:09

Systemanalyse: Fraunhofer UMSICHT untersucht Nachhaltigkeit von Kunstrasenplätzen

Dipl.-Chem. Iris Kumpmann Abteilung Public Relations
Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT

    Hart-, Asche- und Naturrasenplätze sind witterungsbedingt nicht immer be-spielbar. Kunstrasen hingegen ermöglicht eine ganzjährige Nutzung – entspre-chend beliebt und verbreitet ist dieser Belag. Damit einher gehen jedoch nega-tive Umweltwirkungen. Das zeigt eine Systemanalyse zu Kunstrasenplätzen, die das Fraunhofer UMSICHT jetzt in einem Bericht veröffentlicht hat. Der Bericht benennt Themen wie Freisetzung von Mikroplastik, Recycling oder Standort-wahl und liefert gleichzeitig Empfehlungen, wie die Verantwortlichen gegen-steuern und Kunstrasenplätze nachhaltiger gestalten können.

    Vom 26. bis 29. Oktober 2021 findet die Fachmesse für Freiraum, Sport und Bewe-gungseinrichtungen FSB in Köln statt. Einen wichtigen Part werden dort Sportplätze und somit auch Kunstrasenplätze einnehmen. Denn besonders letztere besitzen hierzulande eine enorme Relevanz, indem sie es ermöglichen, Sport ganzjährig draußen zu betrei-ben. Das spiegelt auch die von verschiedenen Kommunen und Unternehmen beauftrag-te Systemanalyse des Fraunhofer UMSICHT wider, indem sie eine durchschnittliche Nut-zungsdauer von 1882 Stunden pro Platz und Jahr benennt. Tennenplätze, d. h. Hart- oder Ascheplätze, hingegen werden laut der Analyse sowohl von den Vereinen als auch den Spieler*innen als nicht mehr zeitgemäß angesehen. Sie werden in den letzten Jah-ren vermehrt umgewandelt – zumeist in Kunstrasenplätze.

    »Gängige Kunstrasenplätze sind allerdings mit negativen Umweltwirkungen verbunden. Die Emissionen dieser Plätze sind im Kontext der Debatte um Mikroplastik in den Fokus von Gesellschaft, Politik und Medien geraten«, erklärt Jürgen Bertling vom Fraunhofer UMSICHT, Leiter der Studie zur Systemanalyse. Ein Wissenschaftler*innenteam hat insgesamt 19 Kunstrasenplätze in Deutschland und der Schweiz untersucht. Auf Basis von Analysen, Datenerhebungen und Befragungen beschreibt und bewertet der veröf-fentlichte Bericht den Ist-Status und gibt Empfehlungen für einen nachhaltigeren Sport-platzbau. Adressiert wird sowohl die Seite der Planer und Hersteller als auch die der Betreiber und Nutzenden.

    Fast 3 Tonnen Materialverlust pro Platz und Jahr

    Um die Spielperformance positiv zu beeinflussen, wird auf Kunstrasenplätzen ein soge-nanntes Infill aufgebracht. Es setzt sich bei der Mehrzahl der betrachteten Plätze aus Sand und einem Gummigranulat zusammen. Unverfüllte Plätze und solche, auf denen sich der Naturstoff Kork befindet, bilden aktuell die Ausnahme.

    Beobachtungen zeigen, dass das Infill gerade bei starkem Regen oder Wind in die Um-gebung gelangt, wo es sich sammelt oder auch z. B. in Gewässern landet. Neben den wetterbedingten Emissionen haben auch Reinigungsmaßnahmen wie z. B. Schneeschie-ben und die Spieler*innen selbst einen großen Einfluss auf den Materialaustrag: Sie nehmen das Material mit ihren Schuhen und an ihrer Kleidung mit. Im Durchschnitt lässt sich der experimentell bestimmte jährliche Verlust der untersuchten Kunstrasenplätze auf 2,98 Tonnen Infill pro Jahr beziffern. »Kunststofffasern, die während der Beanspruchung eines Platzes ebenfalls abnutzen, sind hier noch nicht berücksichtigt«, ergänzt Jürgen Bertling. Hier seien detailliertere Untersuchungen notwendig, um zu klären, ob die Ver-luste tatsächlich relevante Mengen erreichen. Unklar bleibt auch nach der Studie, über welche Pfade und in welcher Menge die Verluste von Infill und Fasern in die Böden und Gewässer gelangen.

    Ein weiterer wichtiger Aspekt der Systemanalyse ist die Betrachtung der CO2-Fußabdrücke von Kunstrasenplätzen. Je nach Platztyp liegen diese bei 9,4 bis 29,8 kg Kohlendioxidäquivalent[1] pro Nutzungsstunde. Zum Vergleich: Dies ist umgelegt auf die Spieler*innenzahl deutlich weniger, als beispielsweise eine Stunde Auto zu fahren oder in einem Hallen- oder Freibad zu schwimmen.

    Großes Potenzial für verbesserten Umweltschutz

    Die Systemanalyse zeigt, dass die Umweltwirkungen eines Kunstrasenplatzes in hohem Maße von der Materialauswahl, der baulichen Integration und dem Recycling am Ende ihres Lebenszyklus abhängen. Hier sehen die Expert*innen großes Potenzial – angefan-gen bei der Verwendung eines nachhaltigeren Materials bei Unterbau und Infill über die Nutzung des Niederschlagswassers zur Bewässerung bis hin zur Filterung von Feinstoffen. Den Platz umfriedende Barrieren würden zusätzlich die Mikroplastikemissionen in die Umwelt reduzieren. »Wir sprechen auch das Thema Standort an. Denn es macht einen großen Unterschied, ob sich ein Kunstrasenplatz im urbanen Umfeld oder etwa in einem Tal, umgeben von Natur, befindet. Hier sollte künftig mehr auf eine geschickte Stand-ortwahl hinsichtlich Naturschutz, aber auch hinsichtlich der Frequentierung durch die Spieler*innen und somit den Bedarf eines Platzes geachtet werden«, so Jürgen Bertling. Und nicht zuletzt müsse auch die regulatorische Seite als Lenkungsinstrument betrachtet werden, indem beispielsweise Normen überarbeitet oder neue Standards geschaffen werden.

    Mehrheit der Spieler*innen möchte umweltfreundlichere Kunstrasenplätze

    Sowohl aktive als auch ehemalige Spieler*innen sind in der Debatte um Relevanz und Umweltwirkungen von Kunstrasenplätzen übrigens sehr engagiert. Die Mehrheit der im Rahmen der Systemanalyse befragten Personen unterstützt die Aussage, dass die Plätze nachhaltiger werden müssen. Noch werden zwar Gummigranulate als Infilltyp bevor-zugt, man steht jedoch umweltfreundlicheren Alternativen durchaus offen gegenüber.

    Das sind gute Voraussetzungen, um einen für Sport und Umwelt zielführenden Kom-promiss zwischen intensiver Platznutzung und minimaler negativer Umweltwirkung zu realisieren, heißt es aus dem Kreis der Wissenschaftler*innen.

    Pressegespräch am 2. November 2021

    Das Fraunhofer UMSICHT lädt Vertreter*innen der Presse am 2. November 2021, von 11 bis 12 Uhr, zu einem Pressegespräch über die Systemanalyse ein. Die Autoren der Studie beantworten Fragen rund um das Thema Nachhaltigkeit von Kunstrasenplätzen.

    Das Gespräch findet virtuell via Microsoft Teams statt, bitte melden Sie sich bis zum 2. November 2021, um 9 Uhr, per E-Mail an (presse@umsicht.fraunhofer.de). Sie erhalten im Anschluss die Zugangsdaten.


    Originalpublikation:

    https://doi.org/10.24406/umsicht-n-640390


    Weitere Informationen:

    https://doi.org/10.24406/umsicht-n-640390 Download Systemanalyse Kunstrasenplätze
    https://s.fhg.de/systemanalyse-kunstrasenplaetze Pressemitteilung


    Bilder

    Kunstrasenplätze – Systemanalyse unter Berücksichtigung von Mikroplastik- und Treibhausgasemissionen, Recycling, Standorten und Standards, Kosten sowie Meinung der Spieler*innen.
    Kunstrasenplätze – Systemanalyse unter Berücksichtigung von Mikroplastik- und Treibhausgasemissionen ...

    Fraunhofer UMSICHT

    Nach dem Spiel: Faseranhaftungen an Schuhen.
    Nach dem Spiel: Faseranhaftungen an Schuhen.

    Oekopol GmbH


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Bauwesen / Architektur, Meer / Klima, Sportwissenschaft, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Kunstrasenplätze – Systemanalyse unter Berücksichtigung von Mikroplastik- und Treibhausgasemissionen, Recycling, Standorten und Standards, Kosten sowie Meinung der Spieler*innen.


    Zum Download

    x

    Nach dem Spiel: Faseranhaftungen an Schuhen.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).