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16.11.1998 00:00

Was kann die Schule von der Wirtschaft lernen?

Claudia Braczko Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut Arbeit und Technik

    IAT-Präsident Prof. Dr. Franz Lehner zu Qualität und Qualitätssicherung im Bildungssystem

    Der globale Strukturwandel, die Durchsetzung der wissensbasierten Volkswirtschaft und der Einstieg in die Informationsgesellschaft erfordern auch eine Anpassung des Bildungssystems. Von fortschrittlichen Ideen und Beispielen "bester Praxis" aus der Wirtschaft könnten die verantwortlichen Akteure lernen, neue, den Anforderungen entsprechende Konzepte für Qualität und Qualitätssicherung zu entwickeln und das Bildungssystem leistungsfähiger zu gestalten. Dafür plädierte der Präsident des Instituts Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen), Prof. Dr. Franz Lehner, auf dem GEW-Kongreß "Bildung, Qualität, Zukunft" am 11. November 1998 in Gelsenkirchen.

    Laut Lehner vertreten Bildungspolitik und Bildungsbürokratie immer noch stark hierarchisch geprägte Vorstellungen von Qualitätskontrolle, die nicht viel mehr sind, "als die alte Schulaufsicht in des Kaisers berühmten neuen Kleidern". Von neuen Strukturen und Führungsformen werde zwar immer wieder gesprochen, doch in der Praxis lebten diejenigen politischen und administrativen Verhaltens- und Interaktionsformen fort, die stark mitverantwortlich für die Qualitätsprobleme im Bildungssystem sind. Aber auch neuere Konzepte, die sich Qualitätssicherung aus der Selbstregulierung des Bildungssystemes erhoffen und stark auf Selbstevaluation und "Peer-Review" abstellen, erwiesen sich in der Praxis als wenig effektiv. Insbesondere an den Hochschulen sei die Selbstregulierung oft zur Privilegienwirtschaft verkommen, die Selbstevaluation der Bildungseinrichtungen funktioniert nur in einem extern gesetzten Ordnungsrahmen, der mangelnde Qualität letztlich spürbar sanktioniert. Qualitätssicherung nach dem Beispiel fortschrittlicher Unternehmen könnte demgegenüber einen anspruchsvollen Prozeß der Organisationsentwicklung in Gang setzen, der das Bildungssystem von innen heraus und nicht von oben verändert. Dieser Prozeß erfordert ein modernes Organisationsverständnis, hohe Führungsqualität sowie viel Partizipation und Kooperation - was für viele im Bildungssystem und in der Bildungspolitik noch viel Lernen verlangt.

    Qualität kann man gerade im Bildungssystem nicht einfach vorschreiben, sondern muß sie in den Organisations- und Umfeldstrukturen der Bildungseinrichtungen verankern. Dabei muß einerseits die Eigenverantwortung der Bildungseinrichtungen für die Qualität ihrer Leistungen organisatorisch gesichert werden; andererseits müssen aber auch wirksame Anreize zur Erreichung hoher Qualität der Leistungen der Bildungseinrichtungen und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter institutionalisiert werden. Dazu braucht man neue Regelungs- und Finanzierungsformen. Lehner plädierte dabei für marktähnliche Regelungsmechanismen als Voraussetzung für eine weitgehende Selbststeuerung der Bildungseinrichtungen und ihrer "Kunden" und verwies auf die Vorschläge zur Bildungsfinanzierung des Sachverständigenrates Bildung bei der Hans-Böckler-Stiftung.

    Von der Wirtschaft können Bildungspolitik und die Beschäftigten im Bildungssystem nicht nur viel über Qualitätssicherung lernen, sie müssen sich auch "Lektionen" über Qualitätsansprüche gefallen lassen. Schon seit Jahren wird mit der Herausbildung einer flexiblen Massenproduktion mit hohen technischen und funktionalen Qualitätsansprüchen und der Entwicklung sogenannter anthropozentrischer Produktionssysteme die stark polarisierte Qualifikationsstruktur, die lange Zeit die industrielle Produktion gekennzeichnet hat, obsolet. Im Gegensatz zur Industriegesellschaft ist Wissen in der Informationsgesellschaft nicht mehr ein externer Faktor, der den Einsatz der eigentlichen Produktionsfaktoren verbessert, sondern selbst der zentrale Produktionsfaktor. Knapp ist nicht die Ressource Wissen, sondern die Fähigkeit, Wissen kreativ und konstruktiv zu nutzen.

    Darauf muß sich das Bildungssystem einstellen. Qualität der Bildung kann nicht mehr in erster Linie an dem vermittelten Wissensstand gemessen werden, Maßstab muß die den Schülerinnen und Schülern vermittelte Fähigkeit sein, ihren Wissensbedarf in jeweils konkreten Situationen möglichst gut zu definieren, benötigtes Wissen möglichst effizient zu beschaffen und mit diesem Wissen möglichst selbständig umzugehen. "Auf Schule und Hochschule kommen hier Aufgaben zu, auf die sie strukturell schlecht oder nicht vorbereitet sind", stellt Lehner fest.

    Ein weiterer Punkt ist für Lehner ganz wichtig: Die moderne Wirtschaft des bald beginnenden 21. Jahrhunderts braucht hohe Qualifikation auf ganz breiter Basis und verträgt deshalb kein gegliedertes Schulsystem, das eine überkommene Qualifikationshierarchie perpetuiert. Auch die moderne Informationsgesellschaft kann damit wenig anfangen. Lehner: "Das heißt nicht Einheitsbrei für alle, sondern heißt bestmögliche Förderung individueller Fähigkeiten und Potentiale." Die Qualität der Schule und der Hochschule werde sich deshalb immer mehr daran messen lassen müssen, daß es gelingt, neue Bildungs- und Unterrichtskonzepte zu entwickeln, die möglichst viele Schülerinnen und Schüler und Studentinnen und Studenten in die Förderung differenzierter Spitzenqualifikationen einbezieht und sie auf die Anforderungen in der Wirtschaft vorbereitet.

    Für weitere Fragen steht
    Ihnen zur Verfügung:
    Prof. Dr. Franz Lehner
    Durchwahl: 1707-*113
    Pressereferentin
    Claudia Braczko

    Munscheidstraße 14
    45886 Gelsenkirchen

    Tel.: +49-209/1707-176
    Fax: +49-209/1707-110
    E-Mail: braczko@iatge.de
    WWW: http://iat-info.iatge.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Wirtschaft
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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