Die Entwicklung von Therapieresistenzen verhindert in vielen Fällen, dass fortgeschrittener Darmkrebs langfristig erfolgreich behandelt werden kann. Wissenschaftler vom Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), Partnerstandort an der LMU München, zeigen nun in Laborversuchen, wie patientenindividuelle Mini-Tumoren, so genannte Tumor-Organoide, dabei helfen können, die Therapie gezielt an die individuelle Erkrankung anzupassen und so möglicherweise Resistenzen zu überwinden.
Im DKTK verbindet sich das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg als Kernzentrum langfristig mit onkologisch besonders ausgewiesenen universitären Partnerstandorten in Deutschland.
Durch genetische Veränderungen, aber auch durch Reaktion auf ihre Mikroumgebung entwickeln sich Tumoren von ihrer Entstehung an kontinuierlich weiter. Insbesondere chemotherapeutischer Stress intensiviert und beschleunigt diesen Prozess. Im Zuge dieser therapiegetriebenen Tumorevolution entstehen dabei häufig Therapieresistenzen und die initiale Behandlungsstrategie versagt.
Um die Evolution von Darmkrebs und die daraus resultierende Entstehung von Therapieresistenzen besser zu verstehen, haben nun Wissenschaftler des DKTK Partnerstandorts München patientenindividuelle Minitumoren, so genannte Darmkrebs-Organoide, in der Kulturschale gezüchtet. An solchen patientenspezifischen Tumor-Organoiden lässt sich vielfach die Wirksamkeit von Medikamenten vorhersagen. Sie gelten daher als wichtiges Werkzeug in der personalisierten Krebsmedizin. Für ihr Vorhaben verwendeten die Forscher Material von Darmtumoren, die bereits in die Leber gestreut hatten. Die daraus gezüchteten Tumor-Organoide wurden über längere Zeit einer typischen klinischen Kombinations-Chemotherapie bis zum Eintreten von Therapieresistenz ausgesetzt.
Bei der gründlichen molekularen Analyse der nun „chemotoleranten“ Organoide entdeckte das DKTK-Team, dass die Krebszellen während ihrer Anpassung an die Therapie je nach individuellem Hintergrund verschiedene Muster der genetischen Evolution durchlaufen. Dadurch sprechen sie auch auf Zweitlinien-Therapien unterschiedlich gut an.
Häufig fanden die Forschenden nach der Ausbildung einer Resistenz gegen die erste Chemotherapie einen erhöhten Spiegel des Onkoproteins c-MYC, der das Wachstum und Überleben von Tumorzellen stark fördert. Mit der Genschere CRISPR/Cas9 konnten sie außerdem eine als klinisch extrem problematisch bekannte Mutation im Onkogen KRAS einbauen und deren Einfluss auf die Therapieresistenz der Tumor-Organoide bestimmen.
Auf der Basis dieser Ergebnisse entwickelte das DKTK-Team Strategien für eine Kombinationstherapie, die die erworbene Chemotherapie-Resistenz der Darmkrebs-Zellen überwinden kann. Als sehr vielversprechend erwies es sich dabei, mehrere Signalwege, die in verschiedenen Phasen des Zellzyklus der Darmkrebszellen eine Schlüsselrolle spielen, gleichzeitig zu unterdrücken.
Die therapieresistenten Tumor-Organoide waren zunächst nicht mehr dazu in der Lage, den programmierten Zelltod Apoptose einzuleiten und konnten dadurch nahezu ungehindert weiterwachsen. Der neue kombinierte Therapieansatz jedoch versetzte die Zellen wieder in die Lage, das Zelltod-Programm anzukurbeln und ihren eigenen Tod einzuleiten. Das Wachstum der Mini-Tumoren wurde durch die Kombitherapie nahezu vollständig unterbunden.
Das Ergebnis zeigt, dass patientenspezifische Tumor-Organoide bei der Optimierung und eventuellen Anpassung zielgerichteter chemotherapeutischer Behandlungsstrategien gegen Dickdarmkrebs großes Potenzial haben. Ebenso unterstreicht es die insgesamt wichtige Bedeutung von Organoid-Plattformen für die personalisierte Krebsmedizin.
Sophie L. Boos, Leon P. Loevenich, Sebastian Vosberg, Thomas Engleitner, Rupert Öllinger, Jörg Kumbrink, Matjaz Rokavec, Marlies Michl, Philipp A. Greif, Andreas Jung, Heiko Hermeking, Jens Neumann, Thomas Kirchner, Roland Rad, Peter Jung: Disease modeling on tumor organoids implicates AURKA as a 1therapeutic target in liver metastatic colorectal cancer. Cellular and Molecular Gastroenterology and Hepatology (CMGH) 2021, DOI: https://doi.org/10.1016/j.jcmgh.2021.10.008
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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