Feldstudie widerspricht verbreiteter Annahme zur Geschlechterdiskriminierung bei Bewerbungen
Nicht immer sind es Frauen, die bei der Jobsuche das Nachsehen haben. Bei Einstellungsverfahren für typische Frauenberufe erleben Männer Nachteile. In Deutschland, den Niederlanden, Spanien und dem Vereinigten Königreich führen ihre Bewerbungen auf typische Frauenberufe seltener zum Vorstellungsgespräch. Umgekehrt gilt das für Frauen, die sich auf typische Männerjobs bewerben, nicht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der WZB-Forscher:innen Jonas Radl und Ruta Yemane gemeinsam mit Kolleg:innen der Universität Oslo, der Universität Carlos III in Madrid und der Universität Amsterdam. Fünf europäische Länder und die Vereinigten Staaten wurden untersucht.
Frauen verdienen im Schnitt noch immer weniger als Männer und besetzen seltener Führungspositionen. Als ein wichtiger Grund für die Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt wird ihre Diskriminierung bei Einstellungsverfahren genannt. Diskriminierung ist jedoch schwer zu messen, und frühere Studien haben für verschiedene Länder unterschiedliche Ergebnisse gezeigt.
Die Studie, die jetzt in der Zeitschrift European Sociological Review erschienen ist, füllt diese Lücke. Sie ist die erste länderübergreifende Feldstudie zur geschlechtsspezifischen Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt. Analysiert wurden die Antworten von Arbeitgebern auf rund 4.300 Schreiben fiktiver Bewerber:innen in sechs Ländern (Deutschland, den Niederlanden, Norwegen, Spanien, dem Vereinigten Königreich und USA). Hier hatten sich junge Frauen und Männer (22 bis 26 Jahre) auf offene Stellen für sechs Berufe beworben: Lohnbuchhalter:in, Empfangsmitarbeiter:in, Vertriebsmitarbeiter:in, Koch/Köchin, Verkäufer:in, Softwareentwickler:in.
Die Forscher:innen fanden in keinem Land und für keinen der untersuchten Berufe Hinweise auf eine systematische Benachteiligung von jungen Frauen – auch nicht in einem männerdominierten Beruf wie der Softwareentwicklung. Für weiblich dominierte Berufe werden Frauen als geeigneter angesehen. Diskriminiert wurden dagegen männliche Bewerber in Deutschland, den Niederlanden, Spanien und dem Vereinigten Königreich. Wenn sich Männer hier auf typische Frauenberufe bewarben, war die Wahrscheinlichkeit, dass sie Rückmeldung erhielten, zwischen fünf und neun Prozent geringer als bei Frauen. „In Deutschland mussten bei Stellenangeboten als Verkäufer männliche Bewerber zum Beispiel fast doppelt so viele Bewerbungen schreiben, um zum Vorstellungsgespräch eingeladen oder um weitere Informationen gebeten zu werden“ erklärt WZB-Forscher Jonas Radl. In Norwegen und den USA hingegen stellten die Forscher:innen im Durchschnitt keine Diskriminierung männlicher Bewerber fest.
„Wir müssen unsere Annahmen überprüfen, dass Frauen immer die benachteiligte Gruppe sind. Geschlechtsspezifische Diskriminierung ist offensichtlich komplexer“, sagt Studienautorin Gunn Elisabeth Birkelund von der Universität Oslo.
Einschränkend muss gesagt werden, dass die Studie nur die frühe Phase bei Einstellungsverfahren untersucht. Zudem handelt es sich um junge Bewerber:innen mit vier Jahren Berufserfahrung. Die vorgelegten Befunde widersprechen darum nicht der Tatsache, dass Frauen im späteren Verlauf ihrer Karriere beim Verdienst oder der Beförderung diskriminiert werden.
Prof. Dr. Jonas Radl
Leiter der Forschungsgruppe Effort and Social Inequality
jonas.radl@wzb.eu
Tel.: 0151 - 67523756
Gunn Elisabeth Birkelund, Bram Lancee, Edvard Nergård Larsen, Javier G. Polavieja, Jonas Radl, Ruta Yemane: ‘Gender Discrimination in Hiring: Evidence from a Cross-National Harmonized Field Experiment’, in: European Sociological Review (27 October 2021)
https://doi.org/10.1093/esr/jcab043
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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Deutsch
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