idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
12.11.2021 17:26

Der feine Unterschied: Organoide von Pankreastumoren ermöglichen zellgenaue Diagnostik

Dr. Stefanie Seltmann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Berlin Institute of Health in der Charité (BIH)

    Krebs der Bauchspeicheldrüse hat keine gute Prognose: Oft werden die Tumoren zu spät erkannt und sind dann nur noch schlecht behandelbar. Ein kleiner Teil der Patient*innen überlebt jedoch die Diagnose jahrelang. Wissenschaftler*innen vom Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) haben nun Organoide aus verschiedenen Pankreastumoren im Labor gezüchtet, an denen sie einzelne Zelltypen identifizieren und verschiedene Medikamente auf ihre Wirkung testen konnten. Dies ermöglicht die patientenspezifische Diagnostik und eröffnet die Chance einer zielgerichteten Therapie. Ihre Ergebnisse haben die Forscher*innen nun in der Zeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

    Die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs ist oft fatal: Mehr als 90 Prozent der Patient*innen versterben innerhalb der ersten fünf Jahre nach der Diagnose. Erstaunlicherweise überlebt aber ein kleiner Teil der Betroffenen langfristig. „Wir wollten herausfinden, woran das liegt, wie sich die verschiedenen Tumoren voneinander unterscheiden“, erklärt Professor Christian Conrad, der am BIH die Abteilung für Intelligent Imaging, intelligente Bildgebung, leitet. „Wir haben daher aus Patiententumoren die Krebsstammzellen isoliert und aus diesen im Labor Organoide gezüchtet, eine Art Minitumoren. Und an diesen konnten wir die Unterschiede analysieren.“

    Biopsien-Bank für Organoide

    Von ihren Kooperationspartnern am Europäischen Pankreaszentrum in Heidelberg erhielten die Wissenschaftler*innen um Christian Conrad Proben aus insgesamt 18 Tumoren und zwei Metastasen. Aus diesen bauten sie eine Biopsien-Biobank auf, aus der sie anschließend Organoide im Labor züchteten. „Mittels RNA-Sequenzierung einzelner Zellen haben wir dann die Zusammensetzung dieser Organoide untersucht. Außerdem haben wir in einem Screen per Mikroskopie nachverfolgt, wie die Organoide auf eine Behandlung mit verschiedenen Chemotherapeutika ansprechen, ob die Zellen weiterwachsen oder ob sie absterben“, berichtet Erstautorin Teresa Krieger.

    Die Ergebnisse überraschten die Wissenschaftler*innen. „Bislang wurden die Adenokarzinome der Bauchspeicheldrüse in zwei Typen eingeteilt: in den so genannten basalen Tumortyp, der besonders aggressiv wächst, und den klassischen Typ. Wir haben mithilfe unserer Einzelzellanalysen gesehen, dass in den Tumoren Zellen von beiden Typen gemischt vorkommen“, berichtet Teresa Krieger. Das Team konnte auch erkennen, wie sich die Tumoren entwickeln: Ausgehend von Tumorstammzellen, die das Wachstum der Tumoren antreiben, bilden sich in unterschiedlichen Anteilen die stark wachsenden „basalen“ Tumorzellen sowie ausdifferenzierte funktionierende „klassische“ Zellen der Bauchspeicheldrüse, die etwa Verdauungsenzyme produzieren.

    Wertvolles experimentelles Modell für zukünftige Therapien

    Christian Conrad fasst zusammen: „Der Verdacht, dass die beiden Subtypen nicht so klar voneinander zu trennen sind wie ursprünglich gedacht, bestand schon länger. Wir haben jetzt erstmals gezeigt, dass beide Zelltypen tatsächlich nebeneinander im selben Tumor vorkommen und sich in einer Art Hierarchie aus den Tumorstammzellen entwickeln. Außerdem haben wir festgestellt, dass in unseren Organoidkulturen Tumoren mit einem höheren Anteil an ‚klassischen‘ Zellen besser auf Chemotherapeutika ansprechen.“ Damit konnten die Wissenschaftler*innen vom BIH demonstrieren, dass Organoide ein wertvolles experimentelles Modell für Pankreas-Adenokarzinome sind. In Zukunft könnten sie dazu genutzt werden, in Hochdurchsatzverfahren neue Chemotherapeutika für Pankreaskrebs zu entwickeln und zu testen.

    Um das Modell noch zu verfeinern, möchte Christian Conrad im nächsten Schritt auch Organoide züchten, in denen nicht nur Tumorzellen, sondern auch die umliegenden gesunden Zellen vorkommen, etwa Immun- oder Bindegewebszellen. „Das ist wichtig, weil diese Zellen die Entwicklung von Tumoren unterstützen oder auch behindern können – ein weiterer Ansatzpunkt für zukünftige personalisierte Therapien.“

    Über das Berlin Institute of Health in der Charité (BIH)
    Die Mission des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) ist die medizinische Translation: Erkenntnisse aus der biomedizinischen Forschung werden in neue Ansätze zur personalisierten Vorhersage, Prävention, Diagnostik und Therapie übertragen, umgekehrt führen Beobachtungen im klinischen Alltag zu neuen Forschungsideen. Ziel ist es, einen relevanten medizinischen Nutzen für Patient*innen und Bürger*innen zu erreichen. Dazu etabliert das BIH als Translationsforschungsbereich in der Charité ein umfassendes translationales Ökosystem, setzt auf ein organübergreifendes Verständnis von Gesundheit und Krankheit und fördert einen translationalen Kulturwandel in der biomedizinischen Forschung. Das BIH wurde 2013 gegründet und wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und zu zehn Prozent vom Land Berlin gefördert. Die Gründungsinstitutionen Charité – Universitätsmedizin Berlin und Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) waren bis 2020 eigenständige Gliedkörperschaften im BIH. Seit 2021 ist das BIH als so genannte dritte Säule in die Charité integriert, das MDC ist Privilegierter Partner des BIH.
    Kontakt
    Dr. Stefanie Seltmann
    Leiterin Kommunikation
    Berlin Institute of Health in der Charité (BIH)

    +49 (0) 30 450 543019
    stefanie.seltmann@bih-charité.de


    Originalpublikation:

    Original Paper: https://doi.org/10.1038/s41467-021-26059-4
    Teresa G. Krieger, Solange Le Blanc, Julia Jabs, Foo Wei Ten, Naveed Ishaque, Katharina Jechow, Olivia Debnath, Carl-Stephan Leonhardt, Anamika Giri, Roland Eils ,Oliver Strobel & Christian Conrad, Nature Communications: Single-cell analysis of patient-derived PDAC organoids reveals cell state heterogeneity and a conserved developmental hierarchy


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).