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15.11.2021 16:17

Mit T-Zellen gegen bösartige Hirntumoren

Dr. Sibylle Kohlstädt Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Krebsforschungszentrum

    Ärzte und Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und von der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg haben in einem experimentellen Modell an Mäusen erstmals erfolgreich eine neoantigen-spezifische transgene Immunzelltherapie gegen bösartige Hirntumoren erprobt.

    Zelluläre Immuntherapien, die sich gezielt gegen bösartige Tumoren richten, gelten als erfolgsversprechender Ansatz in der Krebsmedizin. Die Grundvoraussetzung für eine solche gezielte Immuntherapie ist jedoch, Zielmoleküle zu finden, die ausschließlich auf den Tumorzellen vorkommen und die vom Immunsystem erkannt werden.

    Bösartige Gliome sind unheilbare Hirntumoren, die sich im Gehirn ausbreiten und operativ nicht vollständig entfernt werden können. „Gerade bei den sehr schwer zu behandelnden Gliomen ist der Mangel an geeigneten Zielstrukturen eine große Herausforderung für die Entwicklung von Immuntherapien”, sagt Lukas Bunse, Wissenschaftler am DKFZ und Arzt an der Universitätsmedizin Mannheim (UMM).

    Mit seinem Team konnte der Immunologe nun erstmals an einem experimentellen Mausmodell zeigen, dass eine Therapie mit transgenen T-Zellen, die gegen ein so genanntes Tumor-Neoepitop gerichtet sind, Gliome bekämpfen kann.

    Tumor-Neoepitope entstehen als Folge genetischer Mutationen in Krebszellen, die zu strukturellen Veränderungen der abgelesenen Proteine führen. Sie sind daher ausschließlich in den Krebszellen vorhanden. Als aussichtsreiche Zielstruktur für T-Zell-Attacken wählten Bunse und sein Team mithilfe eines Vorhersagemodells einen Abschnitt aus dem CIC-Protein (capicua transcriptional repressor) aus, das bei etwa zwei Prozent aller Gliome eine wiederkehrende Mutation aufweist.

    Mäuse, die mit dem CIC-Neoepitop geimpft wurden, entwickelten eine Population von T-Helfer-Zellen, die auf das Impfpeptid mit starker Aktivierung reagierten. Aus besonders aktiven T-Zellen isolierten die Forscher das Gen für den T-Zell-Rezeptor (TZR), der für die Epitop-Erkennung zuständig ist.

    Das isolierte T-Zell-Rezeptor-Gen übertrugen die Wissenschaftler anschließend auf Zellen und konnten so in der Kulturschale in großer Menge „transgene“ T-Zellen heranziehen, die alle den identischen, gegen das CIC-Neoepitop gerichteten hochaktiven T-Zell-Rezeptor trugen.

    Um deren Wirksamkeit zu prüfen, injizierten die Forscher die transgenen Zellen direkt in die Hirnventrikel von Gliom-tragenden Mäusen. In einigen Mäusen führte die T-Zell-Therapie in Kombination mit einer Strahlentherapie zu einer Abstoßung der Gliome.

    „Wir haben hier im experimentellen Modell erstmals gezeigt, dass eine neoantigen-spezifische TZR-transgene Zelltherapie gegen Gliome wirken kann,“ erklärt Michael Kilian, Erstautor der Studie und ergänzt: „Solche Neoepitop-spezifischen TZR-transgenen T-Zellen könnten in Zukunft bei Krebserkrankungen eingesetzt werden, die nicht mit CAR-T-Zellen behandelt werden können.“

    CAR-T-Zellen, die bereits zur Behandlung von Patienten mit B-Zell-Leukämien zugelassen sind, können sich nur gegen Tumorantigene richten, die direkt auf der Oberfläche der Krebszellen ausgebildet sind. Solche Proteine kommen aber in der Regel nicht ausschließlich auf Tumorzellen vor, so dass CAR-T-Zellen auch gesunde Gewebe schädigen können.

    Im Gegensatz dazu können sich die TZR-transgenen T-Zellen auch gegen krebstypisch mutierte Proteine aus dem Zellinneren richten. Denn die Fragmente vieler Eiweiße aus dem Zellinneren werden von speziellen Präsentationsmolekülen, den MHC-Proteinen, auf der Zelloberfläche zur Schau gestellt. Die meisten T-Zellen reagieren ausschließlich auf Antigene, die von MHC-Molekülen präsentiert werden. Um also Ergebnisse zu erzielen, die sich auf den Menschen übertragen lassen, musste das Team um Lukas Bunse mit Mäusen arbeiten, die mit menschlichen MHC-Molekülen ausgestattet waren.

    „Unsere Arbeit legt nahe, dass TZR-transgene T-Zellen auch bei Hirntumoren therapeutisch eingesetzt werden können“, resümiert Michael Platten, Leiter der Klinischen Kooperationseinheit Neuroimmunologie und Hirntumorimmunologie am DKFZ und Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik an der Universitätsmedizin Mannheim. Mit vergleichbaren Ansätzen wollen die Neuro-Onkologen um Michael Platten und Wolfgang Wick, Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik der Medizinischen Fakultät Heidelberg, die TZR-transgene T-Zelltherapie weiterentwickeln und in frühen klinischen Studien erproben.

    Michael Kilian, Mirco Friedrich, Khwab Sanghvi, Edward Green, Stefan Pusch, Daisuke Kawauchi, Martin Löwer, Jana K Sonner, Christopher Krämer, Julia Zaman, Stefanie Jung, Michael O Breckwoldt, Gerald Willimksy, Stefan B Eichmüller, Andreas von Deimling, Wolfgang Wick, Felix Sahm, Michael Platten, Lukas Bunse: T cell receptor therapy targeting mutant capicua transcriptional repressor in experimental gliomas
    Clinical Cancer Research 2021, DOI: http://clincancerres.aacrjournals.org/content/early/2021/11/01/1078-0432.CCR-21-...

    Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
    Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
    Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.
    Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

    Ansprechpartner für die Presse:

    Dr. Sibylle Kohlstädt
    Pressesprecherin
    Strategische Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
    Deutsches Krebsforschungszentrum
    Im Neuenheimer Feld 280
    69120 Heidelberg
    T: +49 6221 42 2843
    F: +49 6221 42 2968
    E-Mail: S.Kohlstaedt@dkfz.de
    E-Mail: presse@dkfz.de
    www.dkfz.de


    Originalpublikation:

    Michael Kilian, Mirco Friedrich, Khwab Sanghvi, Edward Green, Stefan Pusch, Daisuke Kawauchi, Martin Löwer, Jana K Sonner, Christopher Krämer, Julia Zaman, Stefanie Jung, Michael O Breckwoldt, Gerald Willimksy, Stefan B Eichmüller, Andreas von Deimling, Wolfgang Wick, Felix Sahm, Michael Platten, Lukas Bunse: T cell receptor therapy targeting mutant capicua transcriptional repressor in experimental gliomas
    Clinical Cancer Research 2021, DOI: http://clincancerres.aacrjournals.org/content/early/2021/11/01/1078-0432.CCR-21-...


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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