Die Geisteswissenschaften an den deutschen Universitäten sind spätestens seit der Diskussion um Hochschulreformen in der Defensive. Durch das Überwinden von Fach - und Fakultätsgrenzen und z.B. durch Angebote der Geisteswissenschaften an Ökonomen, Juristen oder Ingenieure könnte sich dies ändern. Vorschläge dieser Art wurden bei einer interdisziplinären Tagung an der Katholischen Universität Eichstätt diskutiert.
In den Geisteswissenschaften sind ganze Fakultäten von der Schließung betroffen. Einzelne Fächer werden an wenigen Hochschulstandorten konzentriert, freiwerdende Stellen werden - oft unabhängig von Prüfungsanforderungen - gestrichen. Bibliotheken sehen sich aufgrund von Sparzwängen kaum mehr in der Lage, eine Versorgung der Lehrenden und Studierenden mit Büchern und Fachzeitschriften zu gewährleisten. Welchen Stellenwert können Geisteswissenschaften vor diesem Hintergrund im dritten Jahrtausend haben? Nach einigen Teilantworten suchte die Tagung "Kultur - Ökonomie - Politik. Geisteswissenschaften und Wissenschaftspolitik an der Schwelle zum 3. Jahrtausend".
Eine Konzentration bestimmter geisteswissenschaftlicher Fächer an einzelnen Standorten hält der Vorsitzende der Bayerischen Rektorenkonferenz, Prof. Dr. Gotthard Jasper (Universität Erlangen-Nürnberg) für durchaus denkbar: "Wir müssen mit der Nicht-Vollständigkeit von Universitäten leben". Jasper plädierte zugleich für ein Aufbrechen der Fach- und Fakultätsgrenzen über die Geisteswissenschaften hinaus und für mehr Interdisziplinarität. Kulturwissenschaftliche Aufbaustudiengänge könnten sich seiner Ansicht nach auch an Ökonomen, Juristen oder Ingenieure richten. Jasper bemängelte, daß die Geisteswissenschaften ihr Potential bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) nicht ausschöpften.
Das eigentliche Problem der Geschichtswissenschaften, so Prof. Dr. Michael Stahl von der Technischen Universität Darmstadt, sind nicht die derzeitigen Sparmaßnahmen, sondern die Struktur von Lehre und Forschung. Der bisherige Studienbetrieb könne den Studierenden keine Einsicht in den Gesamtzusammenhang der Geschichte vermitteln. Stahl führt dies vor allem auf den traditionellen Ablauf der Lehrveranstaltungen zurück. Aber auch den Lehrenden warf er vor, keine Vorbilder für die Studierenden zu sein. Die eigene Forschung sei oft wichtiger als die Betreuung der Studierenden. Die Lehre müsse, so Stahl, wieder in das Zentrum gestellt werden.
Prof. Dr. Heinrich Oberreuter von der Akademie für Politische Bildung in Tutzing sprach über "Politikwissenschaft im Informationszeitalter". Aufgabe der Politologen sei es, so Oberreuter, Orientierung über die politische Ordnung zu geben. Hieran werde auch das Informationszeitalter nichts ändern. Gleichzeitig plädierte er dafür, die Politikwissenschaft in Zukunft verstärkt als Kommunikationswissenschaft zu interpretieren. Kommunikation sei der "Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält". Durch die die neuen Informationstechnologien entstünden jedoch neue Probleme. Die Vielzahl von Medienangeboten segmentiere die Politikvermittlung und führe zu einer "Erosion der politischen Öffentlichkeit". Die Politikwissenschaft solle diesen Prozeß begleiten und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen.
Der Wirtschaftshistoriker Prof. Drs. Dr. h.c. Wolfram Fischer (Freie Universität Berlin) zeigt am Beispiel der Ökonomie zeigte auf, daß die Abgrenzung geisteswissenschaftlicher Disziplinen von den Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften obsolet ist. Methodisch und theoretisch deckten die Wirtschaftswissenschaften das ganze Spektrum dieser Fächer ab. An die geisteswissenschaftlichen Fachvertreter appellierte Fischer, sich von spezifisch naturwissenschaftlichen Fragestellungen, etwa aus der Mathematik oder Biologie, nicht abschrecken, sondern vielmehr anregen zu lassen.
Für weitere Informationen zur Tagung wenden Sie sich bitte an:
Dr. Klaus Stüwe, Tel.: 08421/93-1589, e-mail: klaus.stuewe@ku-eichstaett,de
PD Dr. Gregor Weber, Tel.: 08421/93-1465, e-mail: gregor.weber@ku-eichstaett.de
Sekretariat: Tel.: 08421/93-1590; Fax.: 08421/93-1798
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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