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23.11.2021 10:58

Wie sich positiv und negativ geladene Ionen an Grenzflächen verhalten

Dr. Julia Weiler Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Wie sich positiv und negativ geladene Ionen in der Grenzschicht zwischen einer festen Oberfläche und einer wässrigen Lösung verhalten, haben Forschende des Exzellenzclusters RESOLV an der Ruhr-Universität Bochum, des Schwester-Forschungsverbundes CALSOLV in Berkeley und der Universität Evry in Paris untersucht. Am Synchroton SOLEIL konnten sie mit der Terahertz-Spektroskopie genau beobachten, wann und wie in einer Elektrolytlösung mit Natrium- und Chlorid-Ionen die Wasserhüllen um diese Ionen beim Anlegen von Spannungen abgelegt werden.

    Die Ergebnisse beschreiben sie in der Zeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“, kurz PNAS, online veröffentlicht am 15. November 2021.

    Elektrochemische Doppelschicht zwischen Elektrolyt und fester Grenzfläche

    Als Elektrolyte werden chemische Verbindungen bezeichnet, in denen getrennte Ionen auftreten. Wenn zum Beispiel Natriumchlorid (NaCl) in Wasser gelöst wird, trennen sich die positiv geladenen Natrium- und die negativ geladenen Chlorid-Ionen und können sich frei in der Lösung bewegen. Durch die elektrische Anziehung zwischen den Ionen und den Wassermolekülen bildet sich eine Hülle aus Wassermolekülen um die einzelnen Ionen – eine sogenannte Hydrathülle, die in der Lösung stabil ist. In der unmittelbaren Umgebung der elektrischen Grenzschicht zwischen der Elektrode und Wasser bildet sich eine Schicht von Ladungsträgern. Dabei stehen sich eine positive und eine negative Ladungsschicht gegenüber, weswegen diese Schicht auch elektrochemische Doppelschicht genannt wird. Laut den Textbüchern der Chemie passiert beim Anlegen einer Spannung Folgendes: Durch die Anziehung zwischen der Elektrode und den Ionen wird die Wasserhülle abgestreift und es kommt zu einem Ladungstransfer, einem Strom.

    Dieses einfache Bild erklärt, wie eine Batterie funktioniert. Ob es auch auf molekularer Ebene korrekt ist, untersuchten die Forschenden aus Bochum, Berkeley und Paris in der vorliegenden Arbeit. Außerdem überprüften sie, ob der Prozess identisch ist, wenn man wechselweise negative oder positive Spannungen anlegt.

    Beobachtung im laufenden Prozess schwierig

    Die chemischen Vorgänge auf molekularem Niveau zu beobachten, während eine Spannung anliegt, stellt eine besondere experimentelle Herausforderung dar. Genau das gelang den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der aktuellen Studie mit der Terahertz-Spektroskopie, die sie mit Simulationen kombinierten. Die Forschenden untersuchten dazu am Synchroton SOLEIL in Paris die elektrochemische Doppelschicht, die sich in einer NaCl-Lösung in unmittelbarer Nähe an einer Goldoberfläche bildet.

    Die Terahertz-Spektroskopie ermöglicht es, das Abstreifen der Hydrathülle live zu verfolgen. Außerdem zeigten die Forschenden erstmals, wie sich die Wassernetzwerke an der geladenen Goldoberfläche verändern. Das ist wesentlich, um zu verstehen, wie sich die Gesamtenergie im Prozess verändert. „Verblüffend war für uns dabei, dass der Prozess unterschiedlich für positive und negative Ladungen abläuft“, resümiert Prof. Dr. Martina Havenith, Sprecherin von RESOLV.

    Asymmetrische Ablösung der Hydrathülle

    Die Forschenden fanden heraus, dass sich die Hydrathüllen von Natrium- und Chlorid-Ionen in der elektrochemischen Doppelschicht unterschiedlich verhielten. Die Hydrathülle der positiv geladenen Ionen wurde schon bei kleinen angelegten Spannungen abgelöst und das Natriumion zur Elektrode gezogen. Für die negativ geladenen Chlorid-Ionen geschah das erst ab einer höheren angelegten Spannung. Diese Unterschiede konnte das Team auf das Verhalten der Wassernetzwerke an der Grenzfläche zurückführen. Die Ergebnisse bestätigten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mithilfe komplexer Computersimulationen.

    „Die Methode und die Ergebnisse können nun genutzt werden, um die entscheidende Rolle von Wasser bei anderen Grenzflächenprozessen, beispielsweise an Halbleiter/Elektrolyt-Grenzflächen zu untersuchen“, so Martina Havenith. Die Ergebnisse sind wichtig für das Verständnis und die Optimierung elektrochemischer Prozesse, etwa für technologische Anwendungen wie die Solarzellen- oder Brennstoffzellentechnologien.

    Förderung

    Die Arbeiten wurden unterstützt vom Europäischen Forschungsrat (ERC Advanced Grant 695437 THzCalorimetry), der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Exzellenzclusters RESOLV (EXC 2033 – 390677874) und des Graduiertenkollegs „Confinement-controlled Chemistry“ (GRK2376 – 331085229), ANR DYNAWIN (Grant Nummer 14-CE35-0011-01), GENCI-France (Grant Nummer 072484), dem Wissenschaftsministerium des Landes NRW im Rahmen des NRW-Rückkehrprogramms, dem U.S. Department of Energy (unter anderem Grant Nummer DE-SC0004993), Office of Science, Office of Advanced Scientific Computing und Office of Basic Energy Sciences sowie dem Schweizerischen Nationalfonds.

    Redaktion: Yvonne Kasper


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Martina Havenith
    Physikalische Chemie II
    Fakultät für Chemie und Biochemie
    Ruhr-Universität Bochum
    Tel.: +49 234 32 28249
    E-Mail: pc2office@rub.de


    Originalpublikation:

    Serena R. Alfarano et al.: Stripping away ion hydration shells in electrical double-layer formation: Water networks matter, in: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 2021, DOI: 10.1073/pnas.2108568118


    Bilder

    Was am Übergang von einer wässrigen Lösung zu einer geladenen Oberfläche passiert, haben Forschende der RUB mit ihren Kooperationspartnern untersucht.
    Was am Übergang von einer wässrigen Lösung zu einer geladenen Oberfläche passiert, haben Forschende ...

    RUB, Kramer


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Chemie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Was am Übergang von einer wässrigen Lösung zu einer geladenen Oberfläche passiert, haben Forschende der RUB mit ihren Kooperationspartnern untersucht.


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