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24.11.2021 10:27

Wie Milchbauern in Kamerun einen zerrütteten Markt überleben - Team der Universität Göttingen analysiert Strategien

Thomas Richter Öffentlichkeitsarbeit
Georg-August-Universität Göttingen

    Was hilft Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in Kamerun, im Geschäft zu bleiben, wenn die Märkte gestört sind? In Regionen, in denen Arbeit schwer zu finden ist, das Bildungsniveau niedrig ist, und die wirtschaftlichen Investitionsmöglichkeiten beschränkt sind, ist es wichtig zu verstehen, was Milcherzeugern hilft, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Ein Forschungsteam der Universität Göttingen hat Faktoren untersucht, die dazu beigetragen haben, dass Erzeugerinnen und Erzeuger ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten, obwohl ein Jahr zuvor der lokale Milchmarkt eingebrochen war.

    (pug) Die Forscherinnen und Forscher empfehlen unter anderem eine stärker auf die Milchwirtschaft ausgerichtete Ausbildung und eine Diversifizierung der Betriebe.

    Die Forscherinnen und Forscher führten Feldstudien in städtischen, stadtnahen und ländlichen Gebieten von Bamenda durch. In dieser Hauptstadt der Region „Nordwest“ von Kamerun wurden Milchbäuerinnen und -bauern aus 320 Haushalten interviewt. Aus den Ergebnissen der Interviews lässt sich ableiten, dass die fachliche Ausbildung der Erzeugerinnen und Erzeuger gestärkt werden sollte, und sich dazu vor allem genossenschaftliche Verbünde eignen würden, die allerdings wirtschaftlich und politisch gestärkt werden müssten. Zum anderen sollten die Milchviehbetriebe ihre landwirtschaftlichen Aktivitäten verbreitern um mehrere wirtschaftliche Standbeine zu entwickeln. Mit diesen Maßnahmen sollten insbesondere auch jüngere Milchbäuerinnen und -bauern im entfernteren städtischen Umland unterstützt werden.

    Eines der Produktionssysteme in Bamenda ist das Ergebnis eines 30-jährigen internationalen Milchentwicklungsprojekts, das Hochleistungskühe mit europäischen Wurzeln an Landwirte spendete. „Das Gebiet von Bamenda bietet hervorragende geoklimatische Bedingungen für die Milchproduktion“, erklärt Jennifer Provost, Erstautorin und Doktorandin an der Universität Göttingen. „Die lokale Nachfrage nach Frischmilch ist jedoch gering. Als die einzige Milchverarbeitungsanlage geschlossen wurde, konnte der lokale Markt den Milchüberschuss nicht aufnehmen. Hinzu kommt, dass das internationale Projekt etwa ein halbes Jahr vor der Schließung der Anlage endete. Infolgedessen waren die Milcherzeuger mit diesen exotischen Kühen, deren Haltung viel Arbeit, Zeit, und Geld erfordert, auf sich allein gestellt. Die Kühe lieferten weiterhin große Mengen an Milch, aber die Erzeuger konnten diese nirgendwo verkaufen.“

    Das Forschungsteam wirft auch die Frage auf, welche Rolle die Milchpulverimporte bei der Schließung des Verarbeitungsbetriebs gespielt haben. Prof. Dr. Eva Schlecht, Leiterin der Abteilung für Tierhaltung in den Tropen und Subtropen an der Universität Göttingen, sagt: „Einerseits fördern internationale Organisationen Entwicklungsprogramme für Viehzucht und Milchwirtschaft und preisen deren wirtschaftlichen und ernährungsphysiologischen Nutzen für die Bevölkerung. Andererseits exportieren internationale Konzerne billige Pulver- und H-Milch auf die afrikanischen Milchmärkte, wodurch die Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität der lokal produzierten Milchprodukte sinkt. Letztlich geht dieses Ping-Pong-Spiel zu Lasten der kleinbäuerlichen Erzeuger.“

    Prof. Dr. Bernhard Brümmer, Inhaber des Lehrstuhls für Agrarmarktanalyse an der Universität Göttingen, fasst zusammen: „Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass Marktverwerfungen gut gemeinte Entwicklungshilfe schnell in eine schwierige Situation bringen können. Aber – und das ist die wichtige Botschaft – mit einer adäquaten Ausbildung in funktionierenden Genossenschaften und in Kombination mit einer auf mehreren Standbeinen fußenden Erwerbsstrategie der Betriebe lassen sich diese negativen Auswirkungen abmildern.“

    Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift World Development erschienen.

    Die Forschungsarbeit wurde durch Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen des Projekts UrbanFoodPlus ermöglicht.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Jennifer Provost
    Georg-August-Universität Göttingen
    Fakultät für Agrarwissenschaften
    Nutztierhaltung in den Tropen und Subtropen
    Albrecht-Thaer-Weg 3, 37075 Göttingen
    Telefon: 0551 39-25621
    E-Mail: jprovos@gwdg.de / jennifer.provost25@gmail.com

    Prof. Dr. Eva Schlecht
    Fakultät für Agrarwissenschaften
    Nutztierhaltung in den Tropen und Subtropen
    Telefon: 0551 39-5608
    E-Mail: eva.schlecht@agr.uni-goettingen.de


    Originalpublikation:

    Provost, J., Rosero, G., Brümmer, B., Schlecht, E. (2022). To sell, not to sell, or to quit: Exploring milk producers’ approaches after a supply chain disruption in Northwest Cameroon. World Development, 150. DOI: 10.1016/j.worlddev.2021.105709.

    Der Text ist hier bis zum 17. Dezember 2021 frei verfügbar: https://authors.elsevier.com/c/1d~ZA,6yxDH17l


    Bilder

    Ein kamerunischer Erzeuger melkt seine Kuh der Rasse Holstein-Friesian von Hand.
    Ein kamerunischer Erzeuger melkt seine Kuh der Rasse Holstein-Friesian von Hand.
    Jennifer Provost

    Milch von lokalen Erzeugern, die in wiederverwendbaren Wasser- und Limonadenflaschen auf dem Viehmarkt von Bamenda verkauft wird.
    Milch von lokalen Erzeugern, die in wiederverwendbaren Wasser- und Limonadenflaschen auf dem Viehmar ...
    Jennifer Provost


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Tier / Land / Forst
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Ein kamerunischer Erzeuger melkt seine Kuh der Rasse Holstein-Friesian von Hand.


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    Milch von lokalen Erzeugern, die in wiederverwendbaren Wasser- und Limonadenflaschen auf dem Viehmarkt von Bamenda verkauft wird.


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