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06.04.2004 09:37

Ankommen in Thüringen ist anders...

Axel Burchardt Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Workshop und öffentliche Lesung zu Russlanddeutschen am 14./15. April an der Universität Jena

    Jena (06.04.04) Wenn über sie geschrieben wird, dann stehen meist Probleme im Vordergrund. Das medial unterstützte Image der so genannten Russlanddeutschen ist geprägt von Kriminalität und Integrationsproblemen, selten von ihren Leistungen. Das ist in Jena nicht anders als in Hamburg, Köln oder München. Doch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR trifft die laut Grundgesetz als Deutsche geltende Minderheit aus der ehemaligen Sowjetunion auf ein besonderes Klima. Hier im Osten gelten diese Deutschen vielen als Russen - unabhängig davon, ob die Menschen aus der Mongolei oder der Ukraine kommen. Und Russen wurden in der DDR als Besatzungsmacht erlebt. Außerdem betrachtet sie hier mancher als wirtschaftliche Konkurrenz, denn sie sind seltener arbeitslos als der Bundesdurchschnitt - da sich die Russlanddeutschen für keinen Job zu schade sind. Dennoch leiden sie unter Anpassungsproblemen, denn sie kamen aus einer Welt, die so ganz anders ist als unsere - und so greifen hier weder sprachliche noch kulturelle Fertigkeiten.

    Doch wie steht es unter diesen Vorzeichen um das alltägliche Verhältnis zwischen den 2,4 Millionen Russlanddeutschen und den Einheimischen? "Aus dieser Sicht hat sich noch keiner wissenschaftlich mit dem Thema beschäftigt", sagt Prof. Dr. Christel Köhle-Hezinger, "weil bisher der entscheidende kulturelle Faktor übersehen wurde". Die Kulturwissenschaftlerin von der Universität Jena hat daher gemeinsam mit ihrer Kollegin Dr. Kathrin Pöge-Alder ein Forschungsprojekt über "Russen und Deutsche. Russlanddeutsche" gestartet - gefördert von der Robert Bosch Stiftung. Die Jenaer Volkskundlerinnen wollen darin unter spezifisch ostdeutscher Perspektive das Verhältnis von Russen und Deutschen in Politik, Kultur und vor allem im Alltag untersuchen. Dabei soll das Selbstbild der Russlanddeutschen, ihre eigenen Identitätsvorstellungen ebenso erkundet werden wie die Außenperspektive. Die Ergebnisse, die in Jena, Gera und Leipzig ermittelt werden sollen, müssen dann mit westdeutschen Resultaten verglichen werden. "Denn Ankommen in Thüringen wird nach unserer Meinung anders aussehen als Ankommen in Hessen", benennt Prof. Köhle-Hezinger die Ausgangshypothese. Die kulturell-ethnischen Wurzeln der Russen in Deutschland sollen auch erforscht werden, "um kulturelle Missverständnisse aufzulösen und dadurch die Integration zu erleichtern", ergänzt Dr. Pöge-Alder.

    Zum Auftakt des Forschungsprojekts laden die Volkskundlerinnen für den 15. April zu einem Workshop ein, dessen Teilnehmerzahl auf 50 begrenzt ist. Geleitet wird das Seminar von der Schriftstellerin Ulla Lachauer, die erstmals an einer Universität ein Seminar zu diesem Themenkomplex anbietet. Die erfahrene Autorin und Journalistin erkundet seit langem Biografien Russlanddeutscher und verarbeitet dies in ihren Werken. Aus "Ritas Leute. Eine deutsch-russische Familiengeschichte" liest Ulla Lachauer am kommenden Mittwoch (14. April) um 18 Uhr in der Aula der Friedrich-Schiller-Universität (Fürstengraben 1). Die Öffentlichkeit ist zu dieser Lesung herzlich eingeladen, Eintritt frei.

    "Russlanddeutsche fühlen sich als beides: Russen und Deutsche", hat Prof. Köhle-Hezinger erfahren. Negativ formuliert heißt das: Sie fühlen sich nirgendwo zu Hause, da sie in Russland als Deutsche und in Deutschland als Russen angesehen werden. "Sie haben eine doppelte Identität", so Köhle-Hezinger, "und diese Gespaltenheit unterscheidet sie von anderen Immigranten". Über biografische Interviews wollen sich die Jenaer Wissenschaftler diesen pluralen Menschen mit den außergewöhnlichen Erfahrungen nähern. Wie aus solchen Erzählungen dann eine historisch fundierte Familiengeschichte entstehen kann, soll der Workshop ebenso lehren wie es Ulla Lachauer in ihrer Lesung zeigen wird - damit unser Bild der Russlanddeutschen um eine Facette bereichert wird.

    Kontakt:
    Prof. Dr. Christel Köhle-Hezinger
    Bereich Volkskunde / Kulturgeschichte der Universität Jena
    Fürstengraben 18, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 944390
    Fax: 03641 / 944392
    E-Mail: Christel.Koehle-Hezinger@uni-jena.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Philosophie / Ethik, Religion, Sprache / Literatur
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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