idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
29.11.2021 07:57

Die Unabhängigkeit der großen Zehe

Katja Henßel Öffentlichkeitsarbeit
Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns

    Die Evolution von Händen und Füßen ist entscheidend für das Verständnis der Entwicklung des Menschen. Unsere Hände ermöglichen es uns, die Welt zu begreifen, unsere Füße den aufrechten Gang. Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass der große Zeh bei seiner Entwicklung einem größeren Selektionsdruck ausgesetzt war als der Daumen. Ein deutsch-französisches Forscherteam unter der Leitung der SNSB-Zoologin Anneke van Heteren hat eine statistische Methode entwickelt, um die Variationsbreite von Finger- und Zehenknochen von Homo sapiens zu vergleichen. Die Forscher:innen haben ihre Ergebnisse nun in der neuen Zeitschrift American Journal of Biological Anthropology veröffentlicht.

    Hände und Füße haben wahrscheinlich einen gemeinsamen evolutionären Ursprung, denn bei den meisten Primaten, sehen diese recht ähnlich aus. Aber beim Menschen haben sich insbesondere die Füße unterschiedlich weiterentwickelt: So liegt die große Zehe parallel neben den übrigen Zehen, anstatt gegenüberstellt. Es ist immer noch nicht vollständig geklärt, wie genau sich die abweichende Morphologie der Großzehe beim Menschen entwickelte.

    Ein deutsch-französisches Forscherteam unter der Leitung von Anneke van Heteren, Leiterin der Säugetiersektion an der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM) hat nun untersucht, im welchem Maß die Form der unterschiedlichen Finger und Zehen beim Menschen variiert. Die Wissenschaftler:innen fanden heraus, dass die Form von Großzehen und Daumen bei Homo sapiens anders variiert als bei allen übrigen Fingern. Einfach erklärt bedeutet das: hat ein Mensch robuste Finger und Zehen, so bedeutet das nicht automatisch, dass sein Daumen und großer Zeh gleichermaßen robust sind. Vor allem der große Zeh zeigt viele Formvariationen, während die übrigen Zehen in gleichem Maße eher robust oder grazil sind.

    Für ihre Studie haben Anneke van Heteren und ihre Kollegen menschliche Zehen- und Fingerknochen von knapp 80 Individuen untersucht und miteinander verglichen. Die Forscher:innen entwickelten dafür eine neuartige statistische Methode zur Ermittlung dieser sogenannten Kovariation. Ihre statistischen Berechnungen basieren auf digitalen "Landmarks", Orientierungspunkten auf dreidimensionalen Computermodellen der Knochen.

    „Uns hat erstaunt, dass die Großzehe beim Menschen offenbar relativ unabhängig von den übrigen Zehen und Fingern in ihrer Form variiert. Das könnte darauf hindeuten, dass die Großzehe eine größere Entwicklungs“freiheit“ im Vergleich zu den anderen Zehen hatte und so im Laufe der Evolution einem eigenständigen Weg folgen konnte. Dies ist möglicherweise die evolutionäre Folge eines erhöhten Selektionsdrucks auf die Großzehe im Zusammenhang mit der Entwicklung der Zweibeinigkeit. Diese Anpassungen des Fußes könnten zu Anpassungen in der Hand geführt haben und somit zur Evolution des Daumens und dem damit verbundenen Präzisionsgriff“, interpretiert Anneke van Heteren die Ergebnisse der Studie.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    PD Dr. Anneke H. van Heteren
    Zoologische Staatssammlung München (SNSB-ZSM)
    Münchhausenstraße 21, 81247 München
    Tel.: 0151 651 617 15
    E-Mail: vanHeteren@snsb.de


    Originalpublikation:

    van Heteren, A. H., Friess, M., Détroit, F., & Balzeau, A. (2021). Covariation of proximal finger and toe phalanges in Homo sapiens: A novel approach to assess covariation of serially corresponding structures. American Journal of Biological Anthropology, 1– 18. https://doi.org/10.1002/ajpa.24439


    Weitere Informationen:

    http://www.snsb.de - Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns
    http://www.zsm.mwn.de - Zoologische Staatssammlung München


    Bilder

    Digitale "Landmarks", Orientierungspunkte auf dreidimensionalen Computermodellen eines Fingerknochens
    Digitale "Landmarks", Orientierungspunkte auf dreidimensionalen Computermodellen eines Fingerknochen ...
    Anneke van Heteren, SNSB

    Die Großzehe sieht nicht nur anders aus, sondern hatte im Vergleich zu den anderen Zehen wohl auch mehr Freiheit sich im Lauf der Evolution selbständig zu entwickeln.
    Die Großzehe sieht nicht nur anders aus, sondern hatte im Vergleich zu den anderen Zehen wohl auch m ...
    Anneke van Heteren, SNSB


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Digitale "Landmarks", Orientierungspunkte auf dreidimensionalen Computermodellen eines Fingerknochens


    Zum Download

    x

    Die Großzehe sieht nicht nur anders aus, sondern hatte im Vergleich zu den anderen Zehen wohl auch mehr Freiheit sich im Lauf der Evolution selbständig zu entwickeln.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).